Das Gehirn und seine Transmitter
17 Minuten
- 1Anatomie des Gehirns
- 2Acetylcholin
- 3Adrenalin & Noradrenalin
- 4Serotonin
- 5Dopamin
- 6Histamin
- 7Cortisol
- 8Fortbildung
01. Oktober 2023
Cortisol – das Stresshormon
Unter Laien hat das lebensnotwendige Hormon einen schlechten Ruf. Die Nebenwirkungen von systemischen Corticoiden werden mehr gefürchtet als die positiven Wirkungen geschätzt. Hier sind PTA und Apotheker gefordert, Ängste der Kunden abzubauen und sie kompetent zu beraten. Es macht nämlich einen großen Unterschied, ob ein Inhalativum in der Asthmatherapie in Dosierungen im Mikrogrammbereich angewendet oder systemisch wirkende Prednisolon-Tabletten in deutlich höheren Dosierungen eingenommen werden müssen.
Die Cortisolausschüttung des Körpers unterliegt der Steuerung übergeordneter Hormone im Hypothalamus. Sinkt die physiologische Konzentration an Cortisol im Blut, wird im Hypothalamus das Gonadotropin-Releasing-Hormon abgegeben, das in der Hypophyse die Freisetzung von Corticotropin bewirkt. Dieses aktiviert in den Nebennieren die Bildung und Freisetzung von Glucocorticoiden. Die Ausschüttung unterliegt einem zirkadianen Rhythmus mit maximalen Cortisol-Spiegeln in den frühen Morgenstunden zwischen sechs und acht Uhr.
Eine gesunde Nebennierenrinde produziert täglich zwischen 15 und 60 Milligramm Cortisol. Bei Stress, in der Schwangerschaft und unter Hypoglykämien steigen die Spiegel an. Auch Tumoren der Nebennierenrinde oder Hypophyse, Alkoholismus, psychische Erkrankungen und Adipositas können zu hohen Cortisolwerten führen. Funktionsstörungen der Nebennierenrinde sind Ursache für niedrige Cortisolwerte, zum Beispiel bei Morbus Addison.
Normale Cortisolkonzentrationen fördern die Gluconeogenese durch vermehrten Proteinabbau, sodass Glucose ins Blut abgegeben wird. So steht immer ausreichend Glucose als Energieträger zur Verfügung, auch wenn gerade keine Nahrungszufuhr erfolgt. In der Leber wird außerdem die Glykogenbildung angeregt.
Seine wichtigste Bedeutung hat Cortisol jedoch in Stress- oder Belastungssituationen. Cortisol und seine Abkömmlinge verändern die Genexpression von inflammatorischen Proteinen und Botenstoffen. Diese Wirkung setzt mit einer gewissen Latenz von einigen Stunden ein. Die abschwellende Wirkung unter Gabe hoher Konzentrationen im Notfall, zum Beispiel beim anaphylaktischen Schock, stellt sich rasch ein, wird aber über andere Signalwege vermittelt.
Hohe Konzentrationen von Cortisol oder synthetischen Glucocorticoiden
- blockieren entzündliche und immunologische Prozesse,
- stimulieren den Sympathikus und die Ausschüttung von Adrenalin und Noradrenalin,
- verbessern die Durchblutung,
- steigern die Erregbarkeit des Gehirns,
- senken die Krampfschwelle
- und haben sowohl euphorisierende als auch bei dauerhaft hohen Konzentrationen depressive Wirkungen.
Unerwünschte Wirkungen hoher Cortisolkonzentrationen sind Gewichtszunahme, Wassereinlagerungen, Ausbildung eines Stiernackens, Haut-, Knochen- und Muskelatrophie. In der Therapie werden die antientzündlichen, immunsuppressiven und antiallergischen Effekte von Cortisol genutzt.
Die Corticosteroide, die als Arzneistoffe eingesetzt werden, sind Abkömmlinge des natürlichen Hormons. Sie sind chemisch so verändert, dass die Wirksamkeit erhöht und die Nebenwirkungspotenz so weit wie möglich reduziert ist. Es gibt unterschiedlich potente Glucocorticoide. So ist zum Beispiel das nichtverschreibungspflichtige Hydrocortison 0,5-prozentig ein niederpotentes und Clobetasol ein hochpotentes Corticoid. Inhalativ werden geringe Dosen zur Linderung entzündlicher Prozesse bei Asthma bronchiale eingesetzt. Sie sind Mittel der Wahl in der leitliniengerechten Therapie.
Systemische Nebenwirkungen sind dabei kaum zu befürchten, allerdings können Mundsoor und Heiserkeit auftreten. Ein wichtiger Beratungshinweis ist deshalb: Nach der Inhalation den Mund ausspülen oder etwas essen.
Besonders bedeutsam sind Glucocorticoide bei chronisch entzündlichen Erkrankungen, zum Beispiel
- der Haut (Atopisches Ekzem),
- des Darms,
- zur Immunsuppression,
- bei Lymphomen,
- Hirntumoren und
- Nierenerkrankungen.
Bei der systemischen Therapie sollte die sogenannte Cushing-Schwelle, bei der die physiologische Ausschüttung von Cortisol überschritten wird (7,5 mg Prednison), beachtet werden, da sonst vermehrt mit Nebenwirkungen zu rechnen ist. Daher gilt in der Cortison-Therapie in der Regel der Grundsatz: So viel wie nötig, so wenig wie möglich.
Insbesondere Frauen nach der Menopause haben ein erhöhtes Risiko eine Osteoporose zu entwickeln. Kommt dann noch eine länger andauernde systemische Corticoid-Therapie hinzu, sollte in der Apotheke auf jeden Fall auf eine ausreichende Vitamin-D-Zufuhr hingewiesen werden. Auch den Tipp zu geben, die Knochendichte regelmäßig kontrollieren zu lassen, ist sehr sinnvoll.
Die Autorin versichert, dass keine Interessenkonflikte im Sinne von finanziellen oder persönlichen Beziehungen zu Dritten bestehen, die von den Inhalten dieser Fortbildung positiv oder negativ betroffen sein könnten.
Hier finden Sie die PTA-Fortbildung der Ausgabe 08/2023 als PDF-Download.