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Psychische Störungen

ZWISCHEN HIMMEL & HÖLLE

Leistungsdruck, finanzielle Sorgen und Konflikte in der Familie oder im Beruf sind mögliche Gründe, warum die Zahl der Patienten mit psychischen Erkrankungen stetig steigt. Zu den häufigen Krankheitsbildern gehören affektive Störungen.

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Diese besonderen Leiden sind im dritten Kapitel des ICD-10 gelistet. Darunter fallen manische und depressive Episoden sowie bipolare Störungen. Gerade die Depression entwickelt sich in den Industriestaaten zu einem weit verbreiteten Volksleiden . Laut einer aktuellen Umfrage des Fachverbandes European Depression Association (EDA) hat sich jeder zehnte Arbeitnehmer in Europa schon einmal wegen einer Depression krank gemeldet. Bei jedem Fünften der Befragten wurde bereits diese Diagnose gestellt.

Die Kehrseite der Depression ist die Manie, eine krankhafte Euphorie. Zwischen diesen beiden Extremen pendeln Personen mit bipolarer Störung: Mal sind sie niedergeschlagen, mal verweilen sie in einer unangemessenen Hochstimmung.

Übersteigerter Tatendrang Manische Menschen befinden sich in einer situationsinadäquaten Gemütsverfassung. Sie erleben ein ungewöhnliches Hochgefühl und eine massive Antriebssteigerung. Patienten neigen dann zu übermütigen Verhaltensweisen, Rededrang und Überaktivität. Ihr Schlafbedürfnis ist oft vermindert. Häufig überschätzen sie in diesen Episoden ihre eigenen Fähigkeiten, weil sie eine unbegrenzte Energie spüren.

Ihre Konzentration und Aufmerksamkeit können sie jedoch nicht aufrechterhalten, sodass die berufliche und soziale Funktionsfähigkeit mehr oder weniger eingeschränkt ist. Auch auf die Sinne wirkt sich die Erkrankung aus: Nicht selten werden Farben und Gerüche verändert wahrgenommen. Gelegentlich fallen Betroffene in einen extremen Kaufrausch. In der Regel fehlt ihnen die Krankheitseinsicht. Nach manischen Episoden kann es vorkommen, dass sie unter starken Schuldgefühlen leiden. Bei sehr schweren Formen kann aus der Selbstüberschätzung ein Wahn entstehen (Verfolgungs-, Größenwahn).

Die Hypomanie ist eine leichtere Ausprägung der Erkrankung. Die Stimmung ist dabei dauerhaft leicht gehoben. Zu einer Beeinträchtigung der Lebensführung, zu Halluzinationen oder Wahn kommt es nicht. Auch hier können berufliche und soziale Aktivitäten beeinflusst sein. Ist diese Einschränkung jedoch gravierend, greift die Diagnose Manie.

Dunkelheit in der Seele Typisch für eine depressive Episode sind Interessenverlust, Freudlosigkeit, eine gedrückte Stimmungslage und eine Verminderung des Antriebs. Oft leiden Patienten unter Libidoverlust, Appetitlosigkeit und Schlafstörungen. Zusätzlich kann es zu Angst und Unruhezuständen kommen. Das suizidale Risiko ist in diesen Phasen erhöht. Laut ICD-10 unterscheiden Experten zwischen leichten, mittelgradigen und schweren depressiven Episoden.

Zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt Patienten mit bipolarer affektiver Störung erleben eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Depressive und manische Zustände wechseln sich ab. Der Beginn einer manischen Phase ist abrupt. Im Gegensatz zur depressiven Episode ist sie von kürzerer Dauer.

Mögliche Ursachen In der Diskussion ist eine genetische Disposition. Als Hinweis für erblich bedingte Faktoren gilt, dass unter Verwandten ersten Grades affektive Störungen vermehrt vorkommen. Auch biochemische Veränderungen im Hirnstoffwechsel können eine Rolle spielen. Das Gleichgewicht der Neurotransmitter Serotonin, Noradrenalin und Dopamin ist dann aus dem Lot geraten. Des Weiteren können affektive Störungen als Reaktion auf psychosoziale Belastungen auftreten. Dazu gehören traumatische Erlebnisse, Stress oder Konflikte im Beruf, in der Partnerschaft oder Familie.

Diagnose Die Klassifikation wird entsprechend den Diagnosekriterien des ICD-10 (Internationale Klassifikation psychischer Störungen) oder des DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) durchgeführt. Zudem gibt es zur Erfassung der Symptome strukturierte Interviewleitfäden und Fragebögen.

Bipolare Störungen werden in der Regel spät erkannt. Oft übersieht man zunächst die Symptome der Manie, da sich der Patient vorwiegend in depressiven Phasen behandeln lässt. Daher lautet die Erstdiagnose häufig Depression. Erst im weiteren Verlauf, wenn die gesamte Krankheitsgeschichte betrachtet wurde, treten eventuell Hinweise auf manische Zustände auf.

Medikamentöse Therapie Zusätzlich zur Gesprächstherapie erhalten Betroffene häufig Arzneimittel. Zu den Antidepressiva zählen selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI). Sie verstärken den Einfluss des Serotonins im Gehirn. Klassische Vertreter dieser Substanzklasse sind Fluoxetin, Citalopram oder Paroxetin. Sie wirken aktivierend und angstlösend.

Tri- und tetrazyklische Antidepressiva erhöhen die Konzentration von Noradrenalin und Serotonin. Zur ersten Substanzklasse gehören Amitriptylin oder Doxepin. Mianserin oder Mirtazapin sind tetrazyklische Medikamente. Selektive-Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) steigern den Effekt des Noradrenalins und Serotonins. Sie hemmen Ängste und Depressionen. Wirkstoffe dieser Gruppe sind Duloxetin oder Venlafaxin.

Mono-Amino-Oxidase-Hemmer (MAO-Hemmer) wie Moclobemid blockieren ein Enzym, das verschiedene Neurotransmitter abbaut. Die Konzentration der Botenstoffe kann auf diese Weise gesteigert werden. Akute manische Phasen lassen sich mit atypischen Neuroleptika, Antiepileptika oder Lithiumpräparaten behandeln. Lithium und Valproinsäure sind klassische Stimmungsstabilisatoren. Sie werden in der depressiven Episode mit einem Antidepressivum kombiniert.

Bei Patienten mit einem bipolaren Leiden besteht bei der Gabe von Trizyklika und Venlafaxin eventuell ein erhöhtes Switch-Risiko. Betroffene rutschen dabei verstärkt von der Depression in die Manie. Bei ihnen sind selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer Mittel erster Wahl. Erkrankte sollten zusätzlich zur medikamentösen Behandlung eine Psychotherapie in Anspruch nehmen. Die Prognose ist mit diesen Maßnahmen erfolgversprechend. Voraussetzung ist eine enge Zusammenarbeit von Patient, Psychotherapeut und behandelndem Arzt.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 01/13 ab Seite 80.

Martina Görz, PTA und Fachjournalistin (FJS)

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