Kolumne | PTA in Zeiten von Corona
WOCHE 3
Seite 1/1 2 Minuten
Alles wird ruhiger, der Philosoph würde sagen: panta rhei. Unser Team trifft sich morgens komplett mit selbstgenähtem Mund-Nasen-Schutz in der Offizin. Das gibt ein großes Hallo, denn es war nicht abgesprochen. Sogar die beiden Jungs im Team bekommen ein Unikat aus Stoff, in männlichem Dunkelblau. Unter Gelächter besprechen wir Masken-Schnittmuster, bevor die Apotheke öffnet und der Trubel losgeht. Das muss auch mal sein, finden wir.
Tja, und wir sind nicht die einzigen. Beinahe jeder der spärlich erscheinenden Kunden trägt eine Stoffmaske mit lustigen Mustern. Anscheinend hat jeder seine Nähmaschine aus dem Keller geholt und sich daran versucht.
Auffallend ist: Der Kundenstrom hat merklich nachgelassen. Unsere Stammkunden haben sich bevorratet, so wie es wohl in der menschlichen Natur angelegt ist, wenn die Zukunft ungewiss erscheint. Sie sind zu den Doktores geeilt und haben sich noch einmal schnell ihre Medikation verschreiben lassen, so wie es sonst vor Feiertagen geschieht – jede PTA kennt das.
Zeit, ein wenig zurückzublicken. Wir stehen im Backoffice zusammen und erinnern uns: Ist es wirklich erst zwei Wochen her, seit die Schulen geschlossen wurden? Und nur etwas länger, seit Lothar Wieler vom Robert Koch-Institut beinahe tägliche eine Pressekonferenz abhält und der Virologe Christian Drosten im Podcast redet? Es geht schnell, dass man sich auch an außergewöhnliche, existenzbeeinflussende Vorkommnisse gewöhnt. China hat inzwischen den Verzehr von Wildtieren verboten, denn das Virus sprang von der Fledermaus über einen Zwischenwirt auf den Menschen über (Hunde und Katzen dürfen auch nicht mehr auf den Teller, wie beruhigend). In Jena darf man nur noch mit Mund-Nasenschutz in den Einkaufsladen, und im Supermarkt nebenan sind die Einkaufswagen abgezählt und ein junger Mann kontrolliert, ob im Geschäft die Abstände eingehalten werden.
Unsere Autorin Alexandra Regner, PTA und Journalistin, berichtet in dieser Kolumne aus ihrem Apothekenalltag. „PTA in Zeiten von Corona“ erscheint einmal wöchentlich online auf www.diepta.de. Ihre letzte Kolumne finden Sie hier.
Bei uns ist das nicht nötig. Unsere Kunden – es dürfen nur zwei auf einmal rein – halten sich so akribisch an die allgemein gültigen Regeln, dass wir manchmal schreien müssen, damit sie uns verstehen. Plexiglaswand und Mundschutz verhindern eine deutliche Aussprache, auf beiden Seiten. Das ergibt unfreiwillig komische Situationen, etwa wenn ein Kunde wegen der Abstandsregelung den Arm mit dem Wechselgeld so weit ausstreckt, dass er den Zahlteller verfehlt und alles auf dem Boden landet. Oder eine betagte Dame die Hand hinters Ohr legt und von weit her brüllt: „WAS meinen Sie?“ Nur ein einziges Mal wird ein Wartender frech, als er die Tür aufreißt und hineinruft: „Das dauert ja unnatürlich lange bei Ihnen! Sind Sie bald fertig?“ (Die Kunden selbst regeln das dann mit ihm; der Mann schleicht beschämt von dannen.)
Alles in allem verläuft die Woche ruhig. Anscheinend greifen die Maßnahmen des Lockdown. Und eben kommt die Meldung, dass Österreich ab nächsten Dienstag die Geschäfte schrittweise wieder öffnen will. Irgendwie ist das ein Hoffnungsschimmer in diesen unruhigen Zeiten.
Nur in einem hege ich ganz persönlich Zweifel an den gebetsmühlenartig hervorgebrachten Beteuerungen des Einzelhandels: Klopapier ist immer noch nicht zu haben – jedenfalls dann nicht, wenn ich einkaufen gehe. Und Gummiband für meine Masken, das gibt es jetzt auch nicht mehr.
Alexandra Regner,
PTA und Journalistin