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Influenza

WISSEN RUND UM DIE GRIPPE

Nach der heftigen Erkrankungswelle im letzten Jahr ruft die STIKO zum Impfen auf. Der Grippeimpfstoff ist allerdings knapp. Dennoch müssen Sie in der Lage sein, Fragen zum Impfstoff zu beantworten, aber auch zu Hygiene und Therapie.

Seite 1/1 14 Minuten

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Die große Zahl an Grippeerkrankten im Jahr 2017/2018 ist vielen Menschen noch in guter Erinnerung. Es kam zu tausenden Fehltagen in der Schule und am Arbeitsplatz. Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser hatten mit den Grippefällen bei Personal und Bewohnern beziehungsweise Patienten zu kämpfen. Daher häufen sich in diesem Herbst/Winter die Anfragen in Apotheken und Arztpraxen nach einer Beratung zur Grippeimpfung.

Viele Patienten, die bisher auf Impfungen verzichtet haben, aber erkrankt waren, denken um. Sie möchten sich diese Saison impfen lassen und wollen wissen, ob der Impfstoff verträglich ist, wie gut er schützt und was sonst zu beachten ist. Die Apotheke ist eine niedrigschwellige Anlaufstelle für fundierte Informationen und so stehen gerade die PTA an der ersten Front, um nicht erst bei Beschwerden ein gutes Mittel zur Linderung zu empfehlen, sondern auch Präventionsmaßnahmen zu empfehlen.

Rückblick 2017/2018 Es gab in der letzten Grippesaison etwa neun Millionen Arztbesuche aufgrund einer Influenza-Infektion, zwei Millionen mehr als in den vorhergehenden starken Grippewintern 2012/2013 oder 2014/2015. Etwa 45 000 Erkrankte wurden in Deutschland in der Grippesaison 2017/2018 in eine Klinik eingewiesen. Allein in Berlin soll es circa 1100 grippebedingte Todesfälle gegeben haben. Das Robert-Koch-Institut in Berlin bezeichnete die Situation als schwerste Grippewelle seit 17 Jahren. Insbesondere die Gruppe der alten Menschen mit chronischen Erkrankungen war betroffen. So waren 87 Prozent der an Grippe verstorbenen Menschen 60 Jahre und älter.

Ein Grund für den schweren Verlauf war der mangelnde Impfschutz. Laut RKI waren gerade einmal 34,8 Prozent der Personengruppe über 60 Jahre geimpft. Außerdem war der häufig eingesetzte Dreifach-Impfstoff gegen die in dieser Saison vorrangig präsente Influenza-Linie nicht wirksam. So wurden 68 Prozent der Infektionen durch Influenza-Erreger Typ B verursacht, dabei zu 99 Prozent von der Yamagata-Linie, die nicht durch den flächendeckend eingesetzten trivalenten Impfstoff abgedeckt wurde.

Die ErregerDie Influenza-​Viren gehören zur Familie der Orthomyxoviren und lassen sich in die Typen A bis D klassifizieren. Für die Infektionen beim Menschen sind die Typen A und B relevant. Typisch für den Aufbau von Influenza-Viren ist die Membranhülle. Sie schützt das Genom. Ihre Oberflächenproteine sind wichtig, um einerseits in potenzielle Wirtszellen einzudringen, aber auch um neue Viren aus der Zelle zu entlassen. Hervorzuheben sind Hämagglutinin (HA) und Neuraminidase (NA), die wie Stacheln aus der Hülle nach außen hervorragen. Mit Hilfe von Hämagglutinin verschafft sich das Virus wie mit einem Schlüssel Zugang zur Wirtszelle und beginnt dort die Virusreplikation. Neuraminidase ist ein Enzym, das die Freisetzung der neugebildeten Viren ermöglicht. Problematisch ist, dass es von HA und NA unterschiedliche Varianten gibt, die die Pathogenität des Virus bestimmen.

Verwandlungskünstler Influenzaviren verändern ständig ihre Oberflächenstruktur. Dies liegt daran, dass das Erbgut bei Influenzaviren in einzelnen Abschnitten vorliegt und diese bei gleichzeitigem Befall einer Wirtszelle mit zwei verschiedenen Influenzaviren ausgetauscht werden können. Bei RNA-Viren werden RNA-Polymerasen in die Wirtszellen eingeschleust. Es passiert bei der Neubildung von RNA immer wieder, dass Basen fehlerhaft eingebaut werden. So werden in der Konsequenz leicht veränderte Proteine gebildet. Vor allem das Oberflächenmolekül Hämagglutinin verändert sich stetig in geringem Umfang, das wird in der Fachsprache auch Antigenshift genannt.

Während DNA-Polymerasen Korrekturmechanismen haben, die solche Fehler korrigieren, ist dies bei RNA-Polymerasen nicht der Fall. Die rasante Veränderung der Virengestalt sorgt dafür, dass immer wieder neue passende Impfstoffe produziert werden müssen, die bereits kurze Zeit später, nämlich in der nächsten Grippesaison, veraltet sind. Die Überwachung der genetischen Eigenschaften von Influenzaviren wird in Deutschland insbesondere im Nationalen Referenzzentrum für Influenza durchgeführt, das zum Robert-Koch-Institut gehört.

Um zu Beginn einer jeden Saison einen aktuellen wirksamen Impfstoff anbieten zu können, stellt die Weltgesundheitsorganisation jedes Jahr Daten über die Entwicklung verschiedener Virustypen zusammen. Je größer die Übereinstimmung zwischen denen im Impfstoff enthaltenen Varianten mit den tatsächlich zirkulierenden Viren, desto besser der Schutz. Die Anpassung an die aktuellen Virustypen wird für jeden Impfstoff in einem Verfahren zur Änderung der Zulassung geprüft. Das Paul-​Ehrlich-Institut untersucht chargenweise und gibt die hergestellten Influenza-Impfstoffe frei, die dann auf den Markt gelangen.

Warum gibt es in dieser Saison Lieferengpässe?

In diesem Jahr sind laut BMG 15,7 Millionen Dosen Grippeimpfstoff verfügbar. Damit haben die Hersteller etwa eine Million mehr produziert als im vergangenen Jahr. In der Regel orientieren sich die Pharmafirmen an dem Verbrauch des Vorjahres beziehungsweise an den Vorbestellungen. Dazu wird noch eine gewisse Menge als Sicherheitsmarge ergänzt. Dass es zu Lieferengpässen gekommen ist, liegt daran, dass sich mehr Menschen nach dem vergangenen starken Grippewinter früher haben impfen lassen. Die Menschen waren wohl stärker für das Grippethema sensibilisiert. Außerdem wird die Grippeimpfung mit dem tetravalenten Impfstoff seit diesem Jahr von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt. Möglicherweise haben einige Praxen vermehrt und früher ihre Impfdosen abgerufen. Das Paul Ehrlich Institut beklagt eine Ungleichverteilung der Impfstoffe über die Bundesländer, die regional zu Lieferengpässen führen könne.

Infektionswege Die Influenzaviren werden über den Weg der Tröpfcheninfektion übertragen. Überall da, wo viele Menschen nah und eng zusammen sind, zum Beispiel in der Schule, der Straßenbahn oder im Karneval, besteht eine hohe Infektionsgefahr. Sehr schnell werden die Erreger über Niesen, Husten oder eine feuchte Aussprache an andere potenzielle Wirte weitergegeben. Eine Übertragung ist außerdem auch über die Hände und Kontakt mit kontaminierten Oberflächen möglich, wenn die Hand anschließend zu Mund oder Nase geführt wird.

Gelangen die Keime über die Schleimhäute in den Körper, befallen sie rasch die Zellen ihres Wirts und beginnen mit der Virusvermehrung. Die Inkubationszeit umfasst einige Stunden bis maximal zwei Tage. Dann ist mit den typischen Grippesymptomen wie Fieber und Muskelschmerzen zu rechnen. Hat es jemanden erwischt, ist er solange ansteckend wie er vermehrungsfähige Viren ausscheidet, meistens über vier bis fünf Tage, bei schweren Verläufen auch länger. Die Menge der ausgeschiedenen Viren geschieht in Abhängigkeit der Stärke der Symptome. So kann ein Grippekranker gerade zu Beginn der Erkrankung andere Personen eher infizieren als im Status des Abklingens.

Risikopatienten Alte Menschen, Kinder, Schwangere, Chroniker, Bewohner von Senioreneinrichtungen und Menschen mit einem geschwächten Immunsystem sind besonders gefährdet. Deshalb sollten sie auf die Prävention mit der Grippeimpfung angesprochen werden. Dass gerade Kleinkinder und Erwachsene über 50 Jahre ein höheres Risiko für die Infektion haben, hat mit dem Immunsystem zu tun. So ist der körpereigene Schutz bei Kindern noch nicht reif genug. Die Immunantwort bei Kontakt mit dem Erreger ist deutlich schwächer als bei Erwachsenen. Auch nach der Impfung werden weniger Antikörper gebildet als bei Erwachsenen. Ähnlich ist die Situation im höheren Lebensalter.

Experten sprechen von der Immunseneszenz. So sind Impfungen bei Alten weniger effizient. Der Erfolg liegt nur bei etwa 41 bis 63 Prozent im Vergleich zu 59 bis 67 Prozent bei den geimpften Personen im Jugendalter. Erkranken alte Patienten, ist der Krankheitsverlauf meistens etwas anders als bei gesunden, jungen Erwachsenen. So setzen die Symptome wie Fieber und Kopf- und Gliederschmerzen verlangsamt ein. Fieber ist übrigens kein zwingendes Symptom bei alten Patienten. Grippeerkrankungen gehen bei alten Menschen häufiger mit Komplikationen und Todesfällen einher. So haben Menschen mit Herzkreislauferkrankungen unter einer Influenza-Infektion ein höheres Risiko für Herzinfarkte.

In einer Studie, die im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde, konnte gezeigt werden, dass das Herzinfarktrisiko in den ersten Tagen einer Grippe um das Sechsfache anstieg, bei Infektionen mit Influenza B-Viren sogar um das Zehnfache. Auch Schlaganfälle sind mit Grippeinfektionen assoziiert. Grippe stellt eine extreme Stresssituation für den Körper dar und die Entzündungsreaktion hat Einfluss auf Herz und Gefäße. Aber auch Kinder mit chronischen Grunderkrankungen, wie zum Beispiel Asthma bronchiale, Mukoviszidose oder einem chronisch geschwächten Immunsystem zählen zum Kreis der Risikopersonen. Diesen rät die STIKO ebenfalls zur Schutzimpfung.

Bei Patienten mit solchen Grundleiden formuliert sie sehr eindeutig: „Personen ab einem Alter von sechs Monaten mit solchen chronischen Grundkrankheiten sollten daher gegen Influenza geimpft werden“. Damit werden auch Frauen in einer Schwangerschaft angesprochen. Die STIKO empfiehlt Schwangeren mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge einer Vorerkrankung, zum Beispiel Diabetes oder Hypertonie, die Influenza-Impfung ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel. Generell können inaktivierte Influenza-Impfstoffe in allen drei Phasen der Schwangerschaft gegeben werden. Verglichen mit dem 1. Trimester gibt es für das 2. und 3. Schwangerschaftsdrittel jedoch mehr Daten in puncto Sicherheit.

Auf jeden Fall zeigen die Daten nach weltweiter Anwendung von inaktivierten Influenza-Impfstoffen keine gesundheitsgefährdenden Einflüsse auf die Schwangere oder den Fetus. Ein Grund dafür, dass diese Empfehlung offiziell ausgesprochen wird, ist, dass Schwangere anfälliger sind, an einer Grippe zu erkranken, und oftmals schwerere Verläufe zu sehen sind. Außerdem schützt eine Grippeschutzimpfung auch das Kind. Die Impfung führt zur Antikörperbildung der Mutter und damit werden diese über den mütterlichen Kreislauf an das Kind weitergegeben. So hat der Säugling nach der Geburt in den ersten Lebensmonaten einen gewissen Nestschutz. Es gibt keinen Grippeimpfstoff, der bereits direkt nach der Geburt, also in den ersten Tagen oder Wochen, zugelassen ist.

Impfstoff Der aktuelle trivalente Impfstoff enthält zwei Influenza A-Virusstämme, das H1N1-Virus und einen Influenza B-Virusstamm:

  • A/Michigan/45/2015 (H1N1) pdm09-ähnlicher Stamm,
  • A/Singapore/INFIMH-16-​0019/2016 (H3N2)-ähnlicher Stamm,
  • B/Colorado/06/2017-ähnlicher Stamm (B/Victoria/​2/87-Linie).


Für quadrivalente Impfstoffe werden die Antigene der oben genannten Viren sowie eine Variante von B/Phuket/3073/​2013-ähnlicher Stamm (B/Yamagata/16/88-Linie) empfohlen. Die Abkürzungen sind folgendermaßen zu verstehen: Die Buchstaben A und B stehen für die Virustypen, der Ortsname bezieht sich auf den Ort, an dem das Virus zuerst isoliert wurde, die erste Ziffer gibt die Nummer des jeweils isolierten Stammes an, die zweite das Isolierungsjahr. Mit den Buchstaben H und N werden die wichtigsten Proteine der Virushülle Hämagglutinin(H) und Neuraminidase (N), sowie durch die Zahl ihre Subtypen abgekürzt. Zugelassen sind überwiegend Totimpfstoffe, bestehend aus hochgereinigten Spaltprodukten von Influenza-Viren (Spalt- oder Split-Impfstoffe) oder Oberflächenantigenen (Subunit-Impfstoffe).

Spaltimpfstoffe sind deutlich verträglicher als Lebendvakzine, wirken allerdings nicht ganz so stark stimulierend auf die Antikörperbildung. Als Lebendimpfstoff steht nur Fluenz Tetra® für Kinder zwischen 2 und 17 Jahren als Nasenspray zur Verfügung. Nach der schweren Grippewelle im letzten Jahr besteht die Hoffnung, dass der quadrivalente Impfstoff mit der neuen Zusammensetzung einen besseren Impfschutz erzeugt. Um die Effektivität der Impfstoffe auch für alte Menschen zu optimieren, gibt es theoretisch zwei Möglichkeiten: Entweder wird die Antigenmenge erhöht oder es werden Impfstoffe mit Adjuvanzien zugelassen. Hochdosis-Impfstoffe sind in den USA auf dem Markt, aber bisher nicht in Deutschland.

Der einzige Impfstoff mit Adjuvanz, der in Deutschland für Erwachsene über 65 Jahre zugelassen ist, ist der trivalente Impfstoff Fluad®. Unter den tetravalenten Impfstoffen gibt es keinen adjuvantierten. Der eigentliche Impfstoff ist mit einem Wirkverstärker, einer Öl-in-Wasser-Emulsion, versetzt. Diese Emulsion besteht unter anderem aus Squalen und oberflächenaktivem Polysorbat. Das Prinzip des Adjuvanz funktioniert so: Durch die Impfung werden vermehrt immunkompetente Zellen an die Injektionsstelle gelockt und Botenstoffe freigesetzt, die zur Einwanderung weiterer Immunzellen führen.

Die Antigene des Impfstoffs werden durch das Adjuvanz verbessert aufgenommen und in die Lymphknoten transportiert, wo nun eine verstärkte Aktivierung von T- und B-Zellen einsetzt. In der Folge werden größere Antikörpermengen gebildet, die den Schutz erhöhen. Die Verträglichkeit der adjuvantierten Impfstoffe ist allerdings etwas schlechter. So kommt es häufiger als bei Impfstoffen ohne Adjuvanz zu Rötungen und Schwellungen als Reaktionen an der Impfstelle.

VerträglichImpfskeptiker führen in Diskussionen immer wieder das Argument an, dass Impfungen häufig Nebenwirkungen hervorrufen. PTA und Apotheker sollten dann ruhig nachfragen, welche unerwünschten Effekte das denn sind und ob dies demjenigen schon selber passiert ist. Die Grippeimpfung ist generell gut verträglich. Nach der Injektion der Vakzine zeigen bis zu neun von 100 geimpften Personen Reaktionen wie bei einer Erkältung. Am häufigsten treten lokale Reaktionen an der Einstichstelle auf. Wichtig ist es, den Patienten mitzuteilen, dass der inaktive Impfstoff keine Grippe hervorrufen kann, da er keine vermehrungsfähigen Erreger enthält.

Bei Verwendung des Lebendimpfstoffs als Nasenspray kann es zu Schnupfen und einem allgemeinen Krankheitsgefühl, Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen kommen, allerdings deutlich schwächer als bei einer echten Infektion. Diese Beschwerden klingen in der Regel innerhalb weniger Tage wieder ab. Allergiker sollten ihren Arzt vor der Impfung darüber informieren. Da die aktuellen quadrivalenten Impfstoffe in bebrüteten Hühnereiern hergestellt werden, können Spuren von Hühnereiweiß im Impfstoff enthalten sein. Bei einer ärztlich diagnostizierten schweren Allergie gegen Hühnereiweiß, die sehr selten vorkommt, sollte in einer Umgebung geimpft werden, in der eine medizinische Überwachung und Behandlung nach der Impfung möglich sind.

Einer für alle – alle für einen

Im Rahmen von Impfberatungen wird meistens der Schutz des Einzelnen hervorgehoben. Vergessen wird der Gemeinschaftsnutzen – die Herdenimmunität. Eine geimpfte Person infiziert sich nicht und damit steckt er auch nicht die Menschen in seinem Umfeld an. Je mehr in einer Population geimpft sind, desto besser. So werden indirekt auch Personen geschützt, die nicht geimpft sind oder sich nicht impfen lassen können. Bei den Impfungen gegen die typischen „Kinderkrankheiten“ soll so auch das Ziel erreicht werden, eine Krankheit komplett auszurotten, zum Beispiel bei Polio oder Masern.

Wann impfen? Optimal sind die Monate September bis Oktober für eine Impfung, um frühzeitig geschützt zu sein. Nach der Impfung dauert es etwa zwei Wochen bis der Schutz aufgebaut ist. Wer es im Herbst noch nicht geschafft hat, den Arzt aufzusuchen, kann die Impfung auch später noch nachholen. Liegt eine akute behandlungsbedürftige Erkrankung mit Fieber über 38,5 Grad Celsius (° C) vor, sollte die Impfung zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen werden.

Immungeschwächte Menschen sollten keinen Lebendimpfstoff erhalten. Wichtig ist in dem Zusammenhang auch, dass geimpfte Personen in den ersten zwei Wochen nach der Impfung nicht mit immungeschwächten Patienten in Kontakt kommen sollten, um diese als Ausscheider, nicht zu gefährden. Allerdings ist dieses Risiko laut STIKO eher theoretisch. Die Grippeimpfung wird einmal jährlich mit dem jeweils aktuellen Impfstoff der Saison durchgeführt. Die gesetzliche Krankenkasse übernimmt die Kosten für Personen, für die die STIKO die Impfempfehlung ausspricht.

Hygiene Influenza-Viren sind sehr infektiös. Abgesehen von der Impfung sollte die Ansteckung durch entsprechende Vorsichtsmaßnahmen reduziert werden. So sollten die Mitarbeiter in der Apotheke aktiv auf die Handdesinfektion hinweisen, wenn Kontakt zu Kranken, Kindern, immungeschwächten oder pflegebedürftigen Menschen besteht. In öffentlichen Einrichtungen und Betrieben finden sich in den Waschräumen häufig neben der normalen Seife auch Spender mit Desinfektionsmitteln. Häufiges Händewaschen auch im privaten Bereich vermindert die Keimbelastung auf Türklingen und Gegenständen und unterbricht die Ansteckungskette.

Erwischt Da ging es einem gerade noch gut, die Arbeit lief und unvermittelt geht plötzlich nichts mehr. Ein Gefühl von Abgeschlagenheit und Krankheit stellt sich ein. Den Patienten ist es in dieser Situation nicht immer klar, ob das eine Grippe oder eine Erkältung ist. Oft wird eine harmlose Erkältung in der Apotheke als Grippe bezeichnet – „Mich hat die Grippe erwischt!“ - Die Symptomatik lässt sich für die PTA aber klar unterscheiden: Die echte Grippe trifft den Betroffenen plötzlich unvermittelt mit massiven Kopf- und Gliederschmerzen, hohem Fieber und einem starken Krankheitsgefühl. Husten, Halsschmerzen und Heiserkeit setzen – wenn überhaupt – erst später ein.

Schnupfen tritt gar nicht oder nur mäßig auf. Anders die klassische Erkältung: Sie kündigt sich über zwei bis drei Tage an. Häufig beginnt sie mit Schluckbeschwerden, Kratzen im Hals und Kribbeln in der Nase. Wenn die Viruslast ihr Maximum erreicht hat, folgen Schnupfen, Halsschmerzen und Husten. In dieser Phase fühlen sich die Patienten abgeschlagen und zum Teil ist auch eine erhöhte Temperatur messbar. Hat das Immunsystem die Erreger unter Kontrolle, klingen die Symptome ab. Ein einfacher Infekt ist innerhalb einer Woche bewältigt. Bei der „echten Grippe“ dauern die körperlichen Beschwerden bis zu zwei Wochen an.

Um bei Risikopatienten innerhalb der ersten 48 Stunden nach Ausbruch noch medikamentös zu intervenieren, führen einige Ärzte einen Grippeschnelltest durch. Über einen Abstrich der Nasen- oder Rachenschleimhaut können Influenza-Viren rasch nachgewiesen werden. Bei Kindern wird dieser Test sogar von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen. Sinnvoll sind diese Tests deshalb, weil sie dem Arzt die Entscheidung für oder gegen ein Antibiotikum erleichtern. Erkältungskrankheiten werden vom Antibiotikum nur dann positiv beeinflusst, wenn neben der viralen Infektion noch eine bakterielle Sekundärinfektion vorliegt.

Typisch Grippe

+ Plötzlicher Krankheitsbeginn mit Fieber > 38,5 °C
+ Kopf-, Muskel-, Hals- und Gliederschmerzen
+ Starke Abgeschlagenheit und selten Übelkeit

Medikamente gegen Grippe Aufgrund der raschen Wandelbarkeit der Viren ist es für die Pharmaindustrie nicht leicht, zielgerichtete Medikamente gegen die Influenza herzustellen. Lange Zeit waren die Neuraminidasehemmstoffe Oseltamivir und Zanamivir die einzigen Wirkstoffe gegen Influenza A- und B-Viren. Seit April 2018 ist außerdem Peramivir in der EU neu zur parenteralen Behandlung der unkomplizierten Influenza bei Erwachsenen und Kindern ab zwei Jahren zugelassen. Allerdings ist der neue Arzneistoff noch nicht in Deutschland verfügbar. Die Verabreichung sollte als Einzeldosis intravenös innerhalb von 48 Stunden nach den ersten Symptomen einer Grippeerkrankung erfolgen.

Die Virustatika blockieren die Neuraminidase, die für die Freisetzung neu gebildeter Viren aus der Wirtszelle verantwortlich ist. Die Hemmung dieses Enzyms verhindert die Ausbreitung der Viren in andere Körperzellen. Da sich die Bindungsstelle der Neuraminidase nicht durch Mutationen ändert, kommt es bei neuen Virusvarianten nicht wie bei den Impfstoffen zum Wirkungsverlust. Neuramidaseblocker haben eine beschränkte Wirksamkeit, wenn sie in den ersten 48 Stunden nach Auftreten der ersten Grippesymptome eingenommen werden. Sie lindern die Beschwerden und verkürzen die Krankheitsdauer. Zanamivir steht wegen seiner geringen Bioverfügbarkeit bei oraler Gabe nur als Inhalationspulver zur Verfügung.

Es wird zweimal täglich über fünf Tage angewendet. Oseltamivir ist ein Prodrug und wird gut aus dem Magen-Darm-Trakt resorbiert. Es wird zweimal täglich in einer Tagesdosis von 150 Milligramm über fünf Tage oral gegeben. Um mögliche Magen-Darm-Beschwerden zu vermeiden, sollte die Substanz zu den Mahlzeiten eingenommen werden. Im Hinblick auf die Ausbreitung von Resistenzen gegen die Neuraminidasehemmer bei Influenza-Viren wird es interessant, wie sich der neue Grippewirkstoff Baloxavir behauptet. In einem beschleunigten Verfahren hat die Firma Roche die Zulassung für den Arzneistoff mit neuem Wirkprinzip gegen Influenza-Viren erhalten.

Baloxavir ist ein Endonukleasehemmer. Die CAP-abhängige Endonuklease ist wichtig für einen der ersten Schritte im Vermehrungszyklus der Influenzaviren. Sie schneidet RNA in der Mitte ihres Nukleotidstranges durch und erzeugt so Mehrfachnukleotide als Spaltprodukte. Baloxavir hemmt diesen Prozess und verhindert so die Proteinbiosysnthese der viralen mRNA. Der neue Wirkstoff ist gegen Influenza-A- und B-Viren sowie auch Stämme der Vogelgrippe wie H7N9 und H5N1 gerichtet. Zugelassen ist er für Personen ab zwölf Jahren. Als Vorteil in Punkto Adhärenz gilt die einmalige Gabe. Im Vergleich zu Placebo reduzierte Baloxavir die Krankheitssymptome deutlich und zeigt eine ähnliche Wirksamkeit wie Oseltamivir.

In der Zulassungsstudie lag die Zeitspanne bis zum Abklingen der Symptome bei Baloxavir-Gabe bei 53,7 Stunden, in der Oseltamivir-Gruppe bei 53,8 Stunden und in der Placebo-Gruppe bei 80,2 Stunden. Somit erzielte eine einmalige Gabe von Baloxavir eine vergleichbare Wirkung wie die fünftägige Behandlung mit Oseltamivir. Insgesamt ist die Verträglichkeit vergleichbar gut wie Placebo – das gilt auch für Risikopatienten mit Diabetes, Herzkreislauferkrankungen oder Asthma, wie in einer Phase-III-Studie geprüft wurde. Die häufigsten beschriebenen Nebenwirkungen sind Durchfall, Bronchitis und Sinusitis. In der Forschungspipeline befinden sich weitere Substanzen, wie Nitrazoxanid, ein Breitspektrum-Virustatikum, das gegen die Ausbildung des viralen Hämagglutinins wirkt.

Linderung der Symptome Wer eine Grippe hat, gehört ins Bett, Schonung und Ruhe sind das A und O. Kopf- und Gliederschmerzen können durch die Gabe von nichtsteroidalen Antirheumatika, zum Beispiel Acetylsalicylsäure oder Ibuprofen gelindert werden. Sie wirken außerdem gegen Hals- und Schluckbeschwerden. Zur Befeuchtung der Schleimhäute sollte der Erkrankte viel trinken. Erkältungstees oder vitaminhaltige Heißgetränke lindern die Mundtrockenheit und den trockenen Husten. Auch zur Senkung des Fiebers tragen NSAR bei. Paracetamol ist dann auch eine wirksame Alternative. Abraten sollten PTA und Apotheker von heißen Erkältungsbädern, wenn der Patient hohes Fieber hat. Da sind eher lauwarme Wadenwickel als Hausmittel angezeigt.

Sollte sich noch Husten einstellen, können je nach Art des Hustens pflanzliche oder chemische Antitussiva und Sekretolytika Abhilfe schaffen. Schnupfen kann mit abschwellenden Nasensprays oder oralen alpha-Sympathomimetika zum Beispiel in Kombination mit Paracetamol, Ibuprofen oder ASS gelindert werden. Letztlich heißt es bei einer Grippe: Geduld haben und sich Ruhe gönnen, damit das Immunsystem Energie hat, gegen die Influenza-Viren anzugehen. Auch nach Abklingen der Beschwerden, fühlen sich viele Menschen noch längere Zeit geschwächt. Sportliche Anstrengungen sollten dann erst einmal ein paar Tage oder eine Woche ausgesetzt werden.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 01/19 ab Seite 58.

Dr. Katja Renner, Apothekerin

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