Kolumne | Prof. Dr. Aglaja Stirn
WINTERBLUES
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Auch wenn es sich hierbei nicht um eine Depression im klassischen Sinne handelt, wird die gedämpfte Stimmung auch als Winterdepression bezeichnet. Und das aus gutem Grund, denn in der Symptomatik ähneln sich die beiden Beschwerdebilder. Erste Hinweise für den Winterblues sind, dass man weniger Lust darauf hat, etwas zu unternehmen, Freunde zu treffen, sich zu bewegen oder Sport zu machen und sich am liebsten ein bisschen zurückzieht - oder auch mehr Lust auf Schokolade hat.
Man wird melancholischer, nostalgischer, eben auch oft ein wenig traurig oder empfindlich. Der Winterblues ist eine harmlose Variante der sogenannten saisonal abhängigen Depression (SAD). Je nach Schätzung sind ein bis drei Prozent der Deutschen davon betroffen und fragen nach ärztlichem Rat. Die Dunkelziffer ist in diesem Fall aber deutlich höher: Mindestens jeder Vierte fühlt sich ab November müde, antriebslos und unmotiviert. Man möchte mehr schlafen, kommt morgens schlecht aus dem Bett und hat ständig Lust auf Süßes und Kohlenhydrate.
Zur Person
Professor Dr. Aglaja Stirn ist Direktorin des Instituts für Sexualmedizin und forensische Psychiatrie und Psychotherapie, Fachärztin für Psychosomatische Medizin, Gruppentherapie, Psychoanalyse und Sexualtherapie an der Universität Kiel, Zentrum für Integrative Psychiatrie ZIP.
www.zip-kiel.de
Studien zufolge leiden mehr Frauen als Männer unter dem Winterblues, ausgelöst zumeist einfach durch mangelndes Sonnenlicht. Das Licht erzeugt im Körper Serotonin, ein Hormon, welches uns glücklich und munter macht. Durch mangelndes Licht sinkt auch der Vitamin-D- Spiegel. Gleichzeitig steigt bei Lichtmangel der Melatoninspiegel im Körper an, was uns müde macht. Melatonin ist für einen gesunden Schlaf zuständig. Also insgesamt ganz normale Reaktionen auf den Jahreszeitwechsel mit kurzen Tagen und langen Nächten. Die gibt es auch im Tierreich.
Igel und Eisbären machen dann einen Winterschlaf - sicher würde sich das manch einer von uns auch wünschen. Im Unterschied zur klassischen Depression ist diese Verstimmung nicht so ausgeprägt, dass sie die gesamte Lebensführung beeinträchtigt. Bei der klassischen Depression möchte oder kann man morgens gar nicht mehr aufstehen oder zur Arbeit gehen, zieht sich zurück, hat Schuldgefühle, ist freud- und appetitlos und kann seinen Alltag nicht mehr bewältigen. Was kann man gegen den Winterblues tun? Erst einmal: Ihn annehmen und wissen, dass er normal ist für die dunklere Jahreszeit. Gehen Sie nach draußen an die Luft, tanken Sie Licht und Sauerstoff, strukturieren Sie Ihren Tag und bleiben nicht zu lange im Bett liegen.
»Etwas Melancholie ist eine ganz normale Reaktionen auf die dunkle Jahreszeit«
Gönnen Sie sich Gutes, treibt Sie Sport und essen das, was dem Körper gut tut. Dem einen oder anderen Gedanken nachzuhängen, sich zu sammeln und in sich zu gehen, ist auch nicht schlecht, wenn man es damit nicht übertreibt. So ist es auch wichtig, sich zu verabreden, zusammen zu lachen und die Nähe zu anderen Menschen zu spüren – zumindest soweit dies in Zeiten von Corona geht. Manchmal hilft auch eine Lichttherapie. Die Leuchten müssen mindestens eine Beleuchtungsstärke von 10 000 Lux aufweisen. Vor diese kann man sich im Abstand von einem halben Meter postieren und einfach mal entspannen. Und bei alldem gibt es eines, worauf man sich verlassen kann: Der Frühling wird auf jeden Fall wiederkommen.
Diesen Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 12/2020 auf Seite 12.