Seuchen
WIE WAR DAS BEI DER PEST?
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Geburtsstunde der Quarantäne Als sich der Verdacht erhärtete, dass die Pest mit den großen Handelsschiffen die Stadt erreichte, griff der Staat zu einer drastischen Maßnahme: Er verhängte ein striktes Einreiseverbot und verlangte, dass sich Neuankömmlinge aus Pestgebieten vorerst in Isolation begeben. Als Quarantänestation eignete sich eine weitere abgelegene Insel, auf der man die Seeleute verköstigte, während Schiffe und Ladungen einer gründlichen Reinigung unterzogen wurden. Zeigte die Besatzung nach 40 Tagen keine Symptome, stand einer Einreise in die Stadt nichts im Wege. Vom Italienischen „Quarantina di giorni“, für vierzig Tage, stammt die bis heute gebräuchliche Bezeichnung der Quarantäne. Eine zeitlich befristete Absonderung ansteckungsverdächtiger Personen und Personengruppen ist bis in die Gegenwart eine der ersten und effizientesten Maßnahmen, um die Ausbreitung von Epidemien, wenn auch nicht zu verhindern, so doch zu verzögern
Unsichtbare Feinde Erst Ende des 19. Jahrhunderts kamen Wissenschaftler krankmachenden Keimen und deren Übertragungswegen auf die Spur. In Fachkreisen spricht man von einer Epidemie, wenn eine Infektion in einem Land oder größerem Landstrich zur Massenerkrankung wird. Von einer Pandemie ist dann die Rede, wenn sich eine Erkrankung örtlich unbegrenzt, also über viele Länder und mehrere Kontinente, erstreckt. Die Begriffe „pan“ und „demos“ stammen aus dem Griechischen und bedeuten „alles“ und „Volk“, also das ganze Volk betreffend. Epidemien und Pandemien sind Teil der Menschheitsgeschichte und gehören auch im 21. Jahrhundert nicht der Vergangenheit an.
Neue Bedrohung Im Dezember 2019 bricht in der chinesischen Metropole Wuhan eine mysteriöse und bisher unbekannte Lungenkrankheit aus. Erste Besorgnis zeigt sich, als innerhalb von kurzer Zeit die Infektionszahlen drastisch ansteigen und bald auch Krankheitsfälle aus anderen Landesteilen gemeldet werden. Während die Behörden noch zurückhaltend reagieren, setzt der Erreger seine Reise unaufhaltsam fort; nur drei Monate später hat er fast alle Kontinente der Erde erreicht. In Europa wird Italien zum Epizentrum der Infektion, doch auch in Deutschland stecken sich immer mehr Menschen an.
Politik und Forschung müssen jetzt zügig reagieren, um schlimmste Folgen von der Bevölkerung abzuwenden: die Weltgesundheitsorganisation (WHO) lässt auf einem Gipfeltreffen Experten über Ursprung, Übertragung und Bekämpfung der Erkrankung beraten, die Europäische Union setzt ein Sondertreffen der Gesundheitsminister an. Der Erreger wird als neuer Coronavirus identifiziert und bekommt den Namen SARS-CoV-2. COVID-19 (Corona-Virus-Disease) lautet ab jetzt die offizielle Bezeichnung der Erkrankung, die aus der Infektion mit SARS-CoV-2 hervorgeht. Ein großes Problem sehen die Virologen in der hohen Infektiosität während der Inkubationszeit, das heißt, das Virus kann schon dann übertragen werden kann, wenn ein Infizierter noch gar keine sichtbaren Symptome zeigt.
Hauptsache Abstand Als die WHO eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite ausruft und COVID-19 als Pandemie einstuft, fordert sie damit auch die Regierung unseres Landes zum Handeln auf: Krisensitzungen werden einberufen und Pandemiepläne in Gang gesetzt. Rückkehrer aus Risikogebieten sollen sich in häusliche Quarantäne begeben. Mit Nachdruck setzen die Behörden nun auf vorbeugende Maßnahmen, denn Impfstoffe und wirksame Arzneimittel gegen den Erreger gibt es nicht. Schulen, Restaurants sowie viele andere Einrichtungen müssen schließen; darüber hinaus verhängen Bund und Länder Veranstaltungsverbote und appellieren an die Bevölkerung, auf Sozialkontakte zu verzichten.
Wettlauf gegen die Zeit Anstrengungen auf allen Ebenen des öffentlichen Gesundheitsdienstes verfolgen das Ziel, Infektionen und deren Ausbreitung so weit wie möglich zu verzögern. Dadurch soll die Zahl der gleichzeitig Erkrankten gering gehalten, aber auch wertvolle Zeit gewonnen werden, weitere Vorbereitungen zu treffen. Wichtig ist, Belastungsspitzen im Gesundheitssystem zu vermeiden, das heißt die Behandlungskapazitäten in Kliniken zu erhöhen, antivirale Medikamente zu beschaffen und die Entwicklung von Impfstoffen voran- zubringen. In Deutschland überwacht das Robert Koch-Institut (RKI) als Einrichtung der Bundesregierung die Ausbreitung und Prävention von Infektionskrankheiten.
Kontinuierlich erfasst es die aktuelle Lage, bewertet alle Informationen und schätzt das Risiko für die Bevölkerung ein. Darüber hinaus arbeitet das RKI auch eng mit verschiedenen Behörden und Einrichtungen der Länder und Kommunen zusammen und erstellt Notfallpläne, die zahlreiche Schutzmaßnahmen vorsehen. Seuchenbekämpfung ist vor allem ein Wettlauf gegen die Zeit. Pandemiepläne geben Rahmenbedingungen vor, doch die ganze Gesellschaft hat es in der Hand, die Reproduktionszahl eines Virus zu senken und eine Epidemie erfolgreich zu bewältigen.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 06/2020 ab Seite 122.
Dr. Andrea Hergenröther, Apothekerin
Seit der Spätantike war Venedig von der Pest verschont geblieben, doch dann, im Jahre 1348 schlug die verheerende Seuche wieder erbarmungslos um sich. Bis in den letzten Winkel breitete sie sich aus. Zuerst traf sie Bettler und Obdachlose, doch dann erwischte es auch die Bewohner der wohlhabenden Stadtteile. Schnell brachte die Pest auch das öffentliche und gesellschaftliche Leben zum Erliegen, denn viele Menschen verloren ihre Arbeit und ihr Einkommen. Als immer mehr Geschäfte schlossen und die Lebensmittel knapp wurden, stiegen die Preise für Brot und Wein ins Unermessliche. Wer in dieser Zeit nicht über Golddukaten oder Schmuck verfügte, der musste großen Hunger leiden.
Schutzmasken und AderlassImmer wieder stellte man sich die Frage nach der Ursache für das schreckliche Unheil. War es der Zorn Gottes, der das sündige Leben der Menschen bestrafte, oder doch eher giftige Ausdünstungen aus der Erde, die sich in der Atmosphäre verbreiteten? Doch was immer es auch war, das dieses Elend über die Menschen brachte, es war ansteckend und der Kontakt mit Pestkranken lebensgefährlich. Nur wenige Ärzte verweilten noch in der Stadt, in Schutzkleidung gehüllt verabreichten sie den Erkrankten Brechmittel und Einläufe und versuchten, durch Aderlass der Seuche Herr zu werden. Doch sämtliche Heilverfahren, die zum Einsatz kamen, versagten kläglich. Als sich mit zunehmender Zahl der Toten immer mehr Angst und Panik in der Bevölkerung breitmachten, fassten die verbliebenen Regierungsmitglieder den Entschluss, der Seuche den Kampf anzusagen.
Erste Maßnahme: IsolationDie erste Maßnahme, um die gesunde Bevölkerung vor einer Ansteckung zu schützen, bestand darin, Pestkranke zu isolieren oder gänzlich aus der Stadt auszuquartieren. Zu diesem Zweck richteten die Venezianer auf einer Insel in der Lagune das erste Pestkrankenhaus Europas ein. Gleichzeitig riefen sie eine staatliche Gesundheitsbehörde ins Leben, deren Augenmerk auf dicht bebaute Wohnblöcke, aber auch auf Krankenstationen, Märkte und die Bordelle gerichtet war. Amtsmänner hatten dafür Sorge zu tragen, dass Neuinfektionen umgehend gemeldet und in einer Seuchenstatistik festgehalten wurden. Die Maßnahmen, die die venezianische Regierung ergriff, waren vorbildlich und sehr fortschrittlich, doch dem großen Sterben war damit noch kein Ende gesetzt.