Schleuse © Bruskov / iStock / Thinkstock
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Venengesundheit

WENN DIE KLAPPEN NICHT MEHR SCHLIESSEN

Venenerkrankungen sind nicht nur ein kosmetisches Problem, sie können weitreichende gesundheitliche Komplikationen verursachen. Einem schweren Verlauf kann durch frühzeitige medikamentöse und Kompressionstherapie vorgebeugt werden.

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Wer viel steht, kennt schwere Beine am Abend. Sie dann hochzulegen, schafft Erleichterung. Für die Venen bedeutet ständiges Stehen oder Sitzen Schwerstarbeit. In unserer bewegungsarmen Gesellschaft nimmt deshalb die Zahl derer, die unter Venenschwäche leiden, mehr und mehr zu. Mit etwa 13 Millionen Betroffenen zählen die chronischen Venenerkrankungen zu den Volkskrankheiten in Deutschland. Jede dritte Frau und jeder fünfte Mann zwischen 18 und 79 Jahren leidet an sichtbaren Krampfadern. Bei 0,1 Prozent der deutschen Bevölkerung liegt ein Unterschenkelgeschwür vor.

Schleichender Verlauf Eine Veneninsuffizienz äußert sich als Funktionsstörung im Venensystem der Beine. Sie entwickelt sich allmählich und kündigt sich zunächst sehr harmlos an. Die Beine schwellen nach langem Stehen leicht an, kleine Venen treten aus der Haut hervor, sogenannte Besenreiser bilden sich. Diese ersten Symptome sollten nicht auf die leichte Schulter genommen werden, denn die chronische Veneninsuffizienz begünstigt Thrombosen und Lungenembolien. Wird therapeutisch nicht gegengesteuert, kommt es zu einem krankheitsbedingten Bindegewebsumbau, der nicht selten in einem Ulcus cruris venosum, dem so genannten „offenen Bein“ endet.

Physiologisch ausgeklügelt Arterielle und venöse Gefäße sorgen für die Versorgung der Organe mit Nährstoffen und Sauerstoff. Dabei umfasst das venöse System alle Blutgefäße im menschlichen Körper, die das sauerstoffarme, verbrauchte Blut zur rechten Herzkammer zurücktransportieren, das sind pro Tag immerhin 7000 Liter Blut. Bis zu 85 Prozent des gesamten Blutes befindet sich in den Venen. Neben der Funktion der „Entsorgung“ verbrauchten Blutes ist das venöse System auch an der Wärmeregulation beteiligt. Das venöse System wird in ein oberflächliches (epifasziales) und tiefes Venensystem unterschieden.

Die Venen des oberflächlichen Teils befinden sich netzartig direkt unter der Haut und werden nach unten durch eine Muskelschicht abgegrenzt. Der Übergang vom oberflächlichen hin in das tiefe Venensystem erfolgt durch das perforierende venöse System. Ähnlich wie ein großer Fluss, in dem sich kleine Rinnsale und Bäche vereinigen, kann das Venensystem erklärt werden. Zunächst gelangt das sauerstoffarme Blut über Kapillaren aus der Peripherie in die Venolen – kleinen Venen. Diese vereinigen sich zu größeren oberflächlichen Venen, die außerhalb der Muskulatur liegen und münden schließlich in die zwei großen Stammvenen, die Vena saphena magna (große Rosenader) und die Vena saphena parva (kleine Rosenader). Von hier aus gelangt das Blut zurück zum Herzen und wird dort wieder mit Sauerstoff angereichert, bevor es erneut zurück über das arterielle System zu den Geweben und Organen fließt.

TYPISCHE SYMPTOME EINER VENENSCHWÄCHE

+ Beinschwellung (Ödembildung)
+ Hautjucken, Hautspannung
+ Beinschmerzen
+ Wadenkrämpfe
+ Missempfindungen, Kribbeln
+ Besenreiser

Die Beschwerden sind in der Regel abends schlimmer und bessern sich durch Hochlagern und Liegen.

Gegen die Schwerkraft Dieses fein abgestimmte System stammt ursprünglich noch aus der Zeit, als der Mensch sich nicht wie heute in aufrechter Haltung vorwärts bewegte, wenig saß und sich sehr viel bewegte. Die Meisterleistung der Venen ist heute, das Blut gegen die Schwerkraft aus den Beinen immer wieder hoch bis zum Herzen zu pumpen. Um das zu schaffen, sind die Venen mit Venenklappen – vergleichbar mit Rückschlagventilen – ausgestattet. Sie verhindern den Rückfluss des bereits nach oben transportierten Blutes. Sie öffnen sich, wenn ein bestimmter Druck von unten erreicht wird, bei Druck von oben schließen sie sich sofort.

Jedes Bein hat zwischen acht und achtzehn Venenklappen, die dafür sorgen, dass der Blutstrom eine „Einbahnstraße“ zum Herzen ist. Gibt es Defekte und Funktionsstörungen im Bereich einer Venenklappe, staut sich das Blut in den vorgelagerten Gefäßabschnitten. Diese Stauungen üben auf Dauer einen vermehrten Druck auf die Gefäßwände aus, die Venen weiten sich. Zunächst werden sie an der Hautoberfläche sichtbar, wenn sie bläulich geschlängelt hervortreten – als Besenreiser oder umgangssprachlich Krampfader. Je weniger funktionierende Klappen, desto höher ist das Risiko für die Entstehung einer Veneninsuffizienz.

Neben den Klappen ist noch ein weiterer Faktor für die Funktion des Venensystems wichtig, nämlich die Wadenmuskelpumpe, die der Antrieb für den Bluttransport aus den Beinen heraus ist. Wird die Wadenmuskulatur, in die die tiefen Beinvenen eingebettet sind, kontrahiert, wird das Blut zurück in Richtung Herz gepumpt. In der Entspannungsphase des Muskels lässt der Druck auf die tiefen Venen nach und es entsteht ein Sog, der Blut aus den oberflächlichen Venen in die Tiefe saugt.

Damit dieser Mechanismus reibungslos abläuft, ist Gehen und Laufen so wichtig. Das Tragen von High Heels ist kontraproduktiv. Dabei wird die Unterschenkelmuskulatur extrem verkürzt und die Pumpe praktisch stillgelegt. Zur Prophylaxe von Venenerkrankungen sollte deshalb auch auf das richtige, nämlich flache Schuhwerk geachtet werden.

Aufbau der Venen Venen bestehen aus mehreren Schichten: der Tunica intima im Inneren, der Tunica media als mittlere Schicht, bestehend aus glatten Muskelzellen, und der äußeren Tunica adventitia. Im Gegensatz zu den großen Venen besitzen die kleinen Venolen keine vollständig ausgebildete glatte Muskulatur. Sie ähneln eher den Kapillaren, aus denen sie entspringen und sind sehr durchlässig. Im Normalfall schütten Endothelzellen in der Venolenwand Stoffe wie Prostacyclin aus, die antientzündlich wirken und das Blut flüssig halten. Da diese Stoffe nur eine kurze Reichweite haben, gelangen sie nicht an alle Zellen im Gefäßinnern.

Aus diesem Grund ist ein kontinuierlicher Blutstrom zur Durchmischung innerhalb des Gefäßes so wichtig. Kommt es durch Stauungen zu Mikroentzündungsprozessen, lösen Entzündungsmediatoren Zellkontakte in der Gefäßwand und hinterlassen Lücken, durch die Wasser, Plasmaproteine und Leukozyten in das umliegende Gewebe austreten. Ödeme sind die Folge. Die ausgetretene Flüssigkeit im Gewebe übt nun ihrerseits äußerlichen Druck auf die Venolen aus und sorgt für eine Verengung der Gefäße und weitere Verschlechterung der Mikrozirkulation.

Risikofaktoren Bei Betrachtung der Faktoren, die eine primäre Venenerkrankung begünstigen können, gelten eine familiäre Disposition und das zunehmende Lebensalter zu den am besten gesicherten. Entgegen der häufigen Annahme, dass Frauen eher betroffen sind, gibt es keine signifikanten Unterschiede zwischen der Häufigkeit bei Männern und Frauen. Übergewicht mit einem Body- Mass-Index (BMI) höher als 32 und häufiges Stehen und Sitzen sind ebenfalls verstärkende Faktoren. Wärme, zum Beispiel im Sommer, ist vermutlich kein starker Risikofaktor, wird subjektiv aber als Verstärker empfunden. Eine Befragung aus Griechenland unter 1500 zufällig ausgewählten Personen kam zum Ergebnis, dass 50 Prozent der Befragten keine Schwankungen der Beschwerden im jahreszeitlichen Verlauf bemerken.

GUTE RATSCHLÄGE FÜR DEN PATIENTEN

+ Verzichten Sie auf High Heels und tragen Sie besser flache Schuhe. So aktivieren Sie Ihre Wadenmuskelpumpe.
+ Gesunde Ernährung, ausreichendes Trinken und Gewichtsnormalisierung entlasten die Venen.
+ Stellen Sie das Rauchen ein. Rauchen verengt die Gefäße und erhöht das Risiko für Gefäßerkrankungen.
+ Schweres Heben sollten Sie vermeiden.
+ Sportarten, die die Wadenmuskelpumpe aktivieren, sind: Walken, Schwimmen, Radfahren
+ Vermeiden Sie die Beine übereinanderzuschlagen, um den Blutrückfluss nicht zu behindern.
+ Wenn möglich, lagern Sie im Liegen die Beine etwas erhöht, so erleichtern Sie den Rückfluss des Blutes.

Varikosis Letztlich führen mehrere Prozesse in eine venöse Gefäßerkrankung. Mit steigendem Lebensalter setzen Umbauvorgänge in den Venenwänden ein. Die glatte Muskulatur der Tunica media wird durch Bildung von Kollagenfasern teilweise ersetzt. Die Elastizität der Muskelschicht nimmt langsam ab. Zusätzlich lässt im mittleren Lebensalter die Durchblutung nach. Die Verlangsamung des Blutflusses begünstigt eine Druckerhöhung in den oberflächlichen Venen und fördert Mikroentzündungsprozesse. Unter erhöhtem Druck weiten sich zunächst die oberflächlichen Beinvenen und bilden an einzelnen Stellen die ersten Krampfadern.

Da die oberflächlichen Beinvenen nicht durch Muskeln gestützt werden, kommt es zu einer Überdehnung mit der Folge, dass die Venenklappen nicht mehr richtig schließen. Das Blut wird zwar weiterhin durch die tiefen Venen hoch transportiert, ein Teil versackt jedoch gleich wieder durch die defekten oberflächlichen Venen in den Beinen. Bei einer fortgeschrittenen Venenerkrankung sind auch die tiefen Venen oder deren Verbindungsgefäße zum oberflächlichen System betroffen. Die Muskelpumpe ist dann nicht mehr in der Lage, ihre Aufgabe zu erfüllen.

Es entsteht ein erhöhter Druck auf die Kapillargefäße, Flüssigkeit gelangt in das umgebende Gewebe und es entstehen Ödeme. Abzugrenzen ist von dieser primären Varikosis die sekundäre Varikosis, die aufgrund anderer Erkrankungen entsteht. Beispiele dafür sind Tumorbildung, Erkrankungen des Bindegewebes, Missbildungen der Gefäße oder Thrombosen. Charakteristisch ist, dass der venöse Rückstrom des Blutes zum Herzen nur noch eingeschränkt funktioniert.


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Arten der Varikosis Nach Lokalisation und Erscheinungsbild werden unterschiedliche Formen der Varikosen unterschieden. Die Besenreiservarizen, die netzartig die Haut durchziehen, befinden sich eher auf der Rückseite des Oberschenkels und betreffen die kleinen epifaszialen Venen. Krampfadern an Unterschenkeln und Fußrändern sind die retikulären Varizen und eine Varikosis an einer der großen Stammvenen betrifft die Vena saphena magna oder Vena saphena parva.

Klassifikation Nach der CEAP- Klassifikation werden sechs Stadien zur Beschreibung der Varikose unterschieden. Wer international oder wissenschaftlich die Varikose beschreibt, verwendet dazu die CEAP Definition. Der Begriff stammt aus dem Englischen und ist eine Abkürzung für „Klinischer Befund“ (C = clinical condition), „Ätiologie“ (E=etiology), „Lokalisation“ (A=anatomic location) und „Pathophysiologie“ (P=pathophysiology). Im Stadium C0 gibt es keine sichtbaren Anzeichen einer Venenerkrankung. Im Stadium C1 sind bereits Besenreiser, Teleangiektasien oder retikuläre Venen sichtbar.

Eine Varikose ohne klinische Anzeichen einer chronisch venösen Insuffizienz liegt in Stadium C2 vor. Das Stadium C3 ist eine Varikose mit Ödembildung, C4 mit trophischen Hautveränderungen, C5 mit abgeheiltem und C6 mit einem florierenden Ulcus. Ein Ulcus cruris venosum ist also die schwerste Form des Venenleidens. Ursache ist eine langfristige Hypertonie des Venensystems, einhergehend mit einer venösen Hypervolämie und einer Klappeninsuffizienz.

Das Ulcus cruris venosum ist neben dem diabetischen Fußsyndrom die häufigste Ursache nicht spontan abheilender Wunden an den Beinen. Die Ulcera heilen nur langsam und manchmal auch gar nicht ab. Die Abheilraten liegen zwischen 66 und 90 Prozent nach dreimonatiger Behandlung. Die Rezidivrate ist ebenfalls hoch.

Abgrenzung akuter Venenerkrankungen Neben der chronischen Varikosis gibt es akute Ereignisse, die den baldigen Arztbesuch erfordern. Eine Phlebothrombose entsteht, wenn ein Thrombus, also ein Blutgerinnsel, ein Blutgefäß einengt oder verstopft. Am häufigsten treten Thrombosen in den tiefen Bein- und Beckenvenen auf, können aber auch in allen anderen Körperregionen entstehen. Typische Kennzeichen sind starke Schwellung, Schmerzen, bläuliche Verfärbungen der Haut und Wadenkrämpfe. Hier besteht die Gefahr einer Lungenembolie.

Dies ist der Fall, wenn sich ein Thrombus teilweise oder vollständig ablöst und mit dem Blutstrom Richtung Herz beziehungsweise Richtung Lunge schwimmt. Bleibt der Thrombus dann in den engeren Gefäßen stecken, kommt es zur lebensbedrohlichen Lungenembolie. Deshalb ist eine sofortige Antikoagulation, zum Beispiel mit niedermolekularem Heparin das A und O. Zusätzlich wird in so einem Fall auch mit der Kompressionsbehandlung gearbeitet, um der Enstehung eines postthrombotischen Syndroms und zusätzlicher Ödembildung entgegenzuwirken.

Unter einem postthrombotischen Syndrom wird eine chronische Schwellungsneigung des Beines, mit Hyperpigmentierungen, Schmerzen und Unterschenkelgeschwüren im Nachgang an eine Thrombose verstanden. Die Thrombophlebitis ist eine akute Venenentzündung, die oberflächlich sein kann, aber auch die tieferliegenden Venen betreffen kann. Sie geht häufig mit der Bildung eines Blutgerinnsels (Thrombus) einher.

Charakteristische Anzeichen sind Druckschmerz, Überwärmung, Rötung und Verhärtung der Krampfader. Die Schwellung ist im Gegensatz zur tiefen Venenthrombose rein oberflächlich. Eine Varizenruptur ist eine Varizenblutung, zum Beispiel nach einem traumatischen Ereignis auf eine Varize. Die Erstversorgung erfolgt über einen Druckverband zusammen mit einer Kompressionstherapie. Anschließend wird das Gefäß verödet.

Therapie Eine chronische Veneninsuffizienz ist letztlich nicht heilbar. Therapieziele sind einerseits die Beschwerdelinderung und das Verlangsamen beziehungsweise Stoppen des weiteren Krankheitsverlaufs mit Einfluss auf das tiefe Venensystem. Die konservative Therapie umfasst Maßnahmen zur Entstauung der Gefäße wie Lymphdrainage, Gefäßsport, die Gabe von Venentherapeutika und die Kompressionstherapie. In fortgeschrittenen Stadien stößt die konservative Therapie an ihre Grenzen und operative Methoden sind angezeigt.

Einen Leitfaden für die systematische Therapie von chronischen Venenerkrankungen bietet ein Konsensuspapier von Stücker et al. von 2016. Die Autoren heben hervor, dass chronische Venenerkrankungen auf der Basis der individuellen pathophysiologischen Störung behandelt werden sollen. Die symptomorientierte Behandlung chronischer Venenerkrankungen basiert auf drei Säulen mit nachgewiesener Wirksamkeit: der invasiven Therapie, der Kompressionstherapie und der medikamentösen Therapie. Bei der Indikationsstellung sind objektive Symptome ebenso wie subjektive Beschwerden zu berücksichtigen.

Gemäß den Empfehlungen aktueller Leitlinien sollte zunächst eine Sanierung des venösen Gefäßbetts erwogen werden, um einen störungsfreien venösen Blutfluss wiederherzustellen und Symptome und pathologische Veränderungen zu beseitigen oder zu bessern. Ist ein invasiver Eingriff nicht möglich beziehungsweise nicht erwünscht oder bestehen nach einem Eingriff noch Restsymptome, gilt es, die symptomatischen Therapieoptionen optimal auszuschöpfen. Kompressionstherapie und medikamentöse Therapie können allein oder in Kombination angewendet werden. Welche Strategie den größten Erfolg verspricht, ist individuell zu entscheiden.

Störenfried entfernen Bei der operativen Krampfaderbehandlung werden die beschädigten Venen- oder Venenteile entfernt oder stillgelegt. Das venöse System funktioniert auch mit einem Gefäß weniger genauso gut. Krampfaderentfernungen können in der Regel ambulant erfolgen. Viele Patienten warten aus Angst zu lange mit dem in der Regel harmlosen, aber sinnvollen Eingriff. Trotz Invasivität treten nur selten Komplikationen, wie zum Beispiel Wundinfektionen, Thrombophlebitiden oder Nachblutungen auf.

PTA und Apotheker sollten hier ruhig zureden, wenn Patienten dazu ihre Zweifel äußern. Der invasive Eingriff sorgt für eine Entlastung des Venensystems, weil das Blut nicht mehr versackt, sondern wieder zum Herzen zurücktransportiert wird. Sind die tiefen Stammvenen sowie die Perforans-Venen funktionsuntüchtig, ist die operative Therapie Mittel der ersten Wahl.

Gegenanzeigen für die chirurgische Behandlung sind akute tiefe Bein- und Beckenvenenthrombosen sowie die fortgeschrittene periphere arterielle Verschlusskrankheit. Übliche Verfahren sind die Schaumsklerosierung, bei der Polidocanol zur Verödung in die Venen injiziert wird, die Hitzeverödung der kranken Vene mit Radiofrequenz- oder Lasertherapie und die minimalinvasive chirurgische Entfernung des Gefäßes.

SINNVOLLE KOMBINATION

 Orale Venenprotektiva ergänzen die Kompressionsbehandlung durch antiödematöse Effekte. Das A und O ist eine kontinuierliche Anwendung der Therapie. Nach Beendigung der Behandlung schreitet die Veneninsuffizienz weiter voran. „Die Kombination aus oralen Ödemprotektiva und Kompressionstherapie ist der Kompression allein deutlich überlegen“, so Stücker, Mitautor des Konsensuspapiers.

Druck ausüben Eine wichtige zweite Säule ist die Kompressionstherapie. Sie sorgt dafür, dass Ödeme ausgeschwemmt werden, die Beschwerden abnehmen und oberflächliche Venen wieder Halt gegen den inneren Druck haben. Die Muskelpumpe wird so in ihrer Arbeit unterstützt. Kompressionsverbände – auch phlebologische Kompressionsverbände (PKV) genannt – werden zur Initialbehandlung von Venenerkrankungen eingesetzt.

Sie kommen als tägliche Wechselverbände oder als Dauerverbände für mehrere Tage zur Anwendung. Bei den Verbänden werden Lang-, Mittel- und Kurzzugbinden unterschieden. Richtig angelegt erzeugen die Binden einen niedrigen Ruheund einen hohen Arbeitsdruck. Dies leisten insbesondere Kurzzugbinden, die im Rahmen einer chirurgischen Venenbehandlung zur Nachbehandlung zum Einsatz kommen. Für die Dauertherapie, aber auch für die Prävention bei Risikopersonen (Schwangere, Personen, die im beruflichen Alltag viel stehen und sitzen), sind Kompressionsstrümpfe die erste Wahl.

Sie üben einen gleichmäßigen Druck auf das Bein aus, wobei der Druck vom Fußgelenk aus nach oben zum Oberschenkel hin weiter abnimmt, um die Flussrichtung des Blutes in Richtung des Herzens zu unterstützen. Die Akzeptanz der Kompressionstherapie ist immer noch begrenzt, obwohl sich Qualität und Tragekomfort in den vergangenen Jahren deutlich verbessert haben – die Produkte in Kompressionsklasse 1 ähneln einem gewöhnlichen Feinstrumpf. Sie werden in verschiedenen Farben und Längen angeboten. So gibt es Kniestrümpfe, Halbschenkel- und Oberschenkelstrümpfe sowie Strumpfhosen.

Was ausgewählt wird, hängt von der Lokalisation der Veneninsuffizienz ab. Nur etwa die Hälfte der Patienten trägt die Strümpfe wirklich regelmäßig. Stützstrümpfe haben nur einen geringen Effekt, eignen sich aber zur Unterstützung der Beine bei Flugreisen oder langen Autofahrten. Eine leichte Kompression genügt zur Prophylaxe der Venenleiden bei Risikopatienten. Bei fortgeschrittenen Venenerkrankungen bis hin zum irreversiblen Lymphödem ist eine sehr kräftige Kompression erforderlich.

Medizinische Kompressionsstrümpfe unterscheiden sich nach den Kompressionsklassen 1 (leichte Kompression 18 bis 21 mm Hg), 2 (mittlere Kompression 22 bis 32 mm Hg), 3 (kräftig 34 bis 46 mm Hg) und 4 (sehr kräftige Kompression 49 mm Hg und kräftiger ). Sie bestehen aus Polyamid, Elasthan, Baumwolle, Elastodien aber auch Mikrofasern, sodass die besondere Kompressionswirkung gesichert ist. Da die Strümpfe einen geringeren Arbeitsdruck, aber einen höheren Ruhedruck ausüben, sollten diese über Nacht ausgezogen werden. Für die Anmessung von Kompressionsstrümpfen ist die Apotheke die richtige Adresse. Die Messung erfolgt am besten direkt morgens am ödemfreien Bein des stehenden Patienten.

Die Messpunkte (Länge und Umfang des Beines) sind vorgegeben und werden in Tabellen der Herstellerfirmen eingetragen. Ist die Kompression an beiden Beinen nötig, müssen beide Beine einzeln vermessen werden und zwei einzelne Strümpfe angefertigt werden. Vielfach sind keine speziellen Maßanfertigungen nötig, sondern Serienmodelle passend. Aber auch dazu muss vorher ausgemessen werden. Bei entsprechender Indikation werden Kompressionsstrümpfe von der Krankenkasse erstattet.


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Tipps zu den Strümpfen Viele alte Menschen haben nicht genug Kraft, um die Strümpfe überzuziehen, insbesondere wenn diese noch sehr neu sind. PTA und Apotheker sollten das Anziehen gemeinsam mit dem Patienten ausprobieren und wenn nötig eine Anziehhilfe dazu empfehlen. Um die Elastizität der Fasern zu bewahren, ist der Hinweis zur korrekten Wäsche zu geben: bei 30 bis 40 Grad im Schonwaschgang ohne Weichspüler waschen. Werden Schenkelstrümpfe abgegeben, sollte dazu ein Hautkleber empfohlen werden, der den Strumpf am Bein fixiert und das Rutschen des Strumpfes verhindert.

Ödemprotektiva Neben der Kompressionstherapie nennt das Konsensuspapier die oralen medikamentösen Venenprotektiva als weitere Säule. Doch nicht jedes Phytopharmakon, das gegen Venenbeschwerden beworben wird, weist ausreichende Studiendaten auf, um eine evidenzbasierte Empfehlung zu ermöglichen. Bei der Auswahl eines Präparates sollten Arzneibuch-Monographie- Empfehlungen, ausreichend hohe Dosierungen und Ergebnisse klinischer Studien berücksichtigt werden. Die pflanzlichen Extrakte gelten als gut verträglich und sind auch für eine dauerhafte Therapie geeignet.

Patienten sollten jedoch auf einen verzögerten Wirkungseintritt hingewiesen werden. In der Regel ist nach etwa acht Wochen mit Besserung der Beschwerden zu rechnen. Ein kurzfristiger Effekt, zum Beispiel, wenn ein Patient ein Phytopharmakon zur Prophylaxe vor einer Busreise einnehmen möchte, ist nicht zu erwarten. Auch einfache oberflächliche Besenreiser werden durch die Einnahme von Ödemprotektiva nicht kosmetisch verbessert. Ein Patient mit Ulcus cruris benötigt auf jeden Fall eine Kompressionstherapie, die orale Behandlung mit Venenprotektiva kann allenfalls ergänzt werden.

Im Konsensuspapier werden standardisierter roter Weinlaubextrakt, standardisierter Rosskastaniensamenextrakt und Oxerutin genannt. Der rote Weinlaubextrakt enthält die Flavonoide Quercetin 3-Oglucuronid, Isoquercitin und Kämpferolglucosid. Sie sind die Inhaltstoffe des Gesamtextraktes, der antiödematös, antiinflammatorisch und membranstabilisierend wirkt. Einer In-vitro-Studie zufolge wirkt der rote Weinlaubextrakt schützend und sogar reparativ auf das von aktivierten Leukozyten und Thrombozyten geschädigte Venenendothel. Wurde der rote Weinlaubextrakt vor dem Angriff der aktivierten Blutkörperchen appliziert, so schützte er die Endothelschicht.

Auch in vivo ließen sich diese Effekte bestätigen. So lagern sich die Flavonoide nach peroraler Gabe selektiv schützend im Endothel an und vermindern die Durchlässigkeit der Gefäße. In den Untersuchungen konnten sowohl signifikante Ödemreduktion als auch Symptomverbesserung nachgewiesen werden. Vorteilhaft ist die einmal tägliche Einnahme von 360 Milligramm des Trockenextraktes, am besten mit einem Glas Wasser vor dem Essen. Der Extrakt aus Rosskastaniensamen wurde in einigen älteren Studien untersucht und soll danach eine signifikante Ödemreduktion erreichen.

Der ödemprotektive und antiexsudative Effekt ist auf ein Triterpenglykosidgemisch, Aescin, zurückzuführen. Aescin bildet mit Cholesterinmolekülen in der Lysosomenzellwand Komplexe und reduziert so die Freisetzung der lysosomalen Enzyme ins Blut, die bei den Mikroentzündungsprozessen eine wichtige Rolle spielen. Außerdem werden auch die defekten Venenwände durch lipophile Aescin-Cholesterin-Komplexe stabilisiert, sodass weniger Flüssigkeit und Proteine ins Gewebe gelangen. Die Arzneibuch- Monographie empfiehlt eine Extraktmenge von 100 Milligramm Aescin pro Tag verteilt auf zwei Einzeldosen am Morgen und am Abend, um den gewünschten Effekt zu erzielen.

Die Einnahme wird gut vertragen. Für magenempfindliche Patienten gibt es außerdem Retardpräparate, die den Magen weniger belasten. Als Wechselwirkung ist nur die Verstärkung von Aggregationshemmern zu beachten. Oxerutin ist ein Abkömmling des Rutins, einem Wirkstoff des japanischen Schnurbaums. Rutin wie auch Oxerutin verbessern die kapillare Mikrozirkulation und haben ebenfalls antioxidative Effekte zum Schutz des Endothels.

In Untersuchungen von 1994 und 1996 wurden signifikante Ödemreduktion und Symptomverbesserung nachgewiesen. Empfohlen wird die zweimal tägliche regelmäßige Gabe von 500 Milligramm Oxerutin in Form eines Fertigarzneimittels mit standardisiertem Extrakt. Zu den traditionellen Arzneimitteln, die aber nicht im Konsensuspapier genannt werden, zählen Mäusedornwurzelstock (Ruscus aculeatus) und Buchweizen. Auch sie gehören zu den Ödemprotektiva.

WARUM EIGENTLICH KRAMPFADER?

Der Begriff Krampfader kommt übrigens nicht von Verkrampfung, sondern von dem mittelhochdeutschen Wort „Krampader“ – „Krummader“. Krampfader ist gleichbedeutend mit Varize. Die Gesamtheit des Krampfaderleidens wird unter Medizinern mit dem Fachwort Varikose bezeichnet.

Tipps für die Beratung Apotheker und PTA werden sehr häufig als erstes gefragt, wenn Patienten Beschwerden in den Beinen haben. Wichtig ist, zunächst abzuklären, ob diese akut und mit einem Entzündungsgeschehen verbunden sind. Wenn es sich um dauerhafte kontinuierliche Symptome handelt, die typisch für Venenerkrankungen sind, sollte eine ärztliche Untersuchung zur Klärung des Stadiums angeraten werden. Eine verantwortungsvolle Rolle tragen die Apothekenmitarbeiter, indem sie die Therapietreue bei Patienten mit Kompressionstherapie stärken, Tipps rund um die Strümpfe geben und ein ergänzendes orales Ödemprotektivum empfehlen.

Hier steht der Hinweis auf die dauerhafte und ständige Therapie im Focus. Von Gelen und Salben sollte zugunsten der besser wirksamen oralen Medikamente eher abgeraten werden. Sie haben wohl eher nur den angenehmen kühlenden Massageeffekt. Heparin ist übrigens bei einer Veneninsuffizienz eine off label-Anwendung. Angezeigt sind Heparingele bei Sportverletzungen und leichten Thrombophlebitiden. Last but not least sollte die PTA Bewegung empfehlen: Sitzen und stehen ist schlecht, lieber liegen und laufen!

BEGRIFFE RUND UM VENENERKRANKUNGEN

Die Chronisch-venöse Insuffizienz oder kurz CVI ist eine Erkrankung der Beinvenen, die durch venöse Abflussbehinderungen und Mikrozirkulationsstörungen im Bereich der Unterschenkel und Füße gekennzeichnet ist. Sie äußert sich zunächst durch Schwere- und Spannungsgefühle in den Beinen sowie reversible Ödeme, später durch oberflächliche Erweiterung der Venen in Form von Besenreisern und Krampfadern, Hautveränderungen und andauernde Flüssigkeitsansammlungen in den Beinen. Im Endstadium bildet sich eine tiefe, nässende Wunde.

Varize ist der medizinische Begriff für Krampfader. Das Wort „Varize“ leitet sich von dem lateinischen Begriff „varis = Knoten“ ab. Die Definition der WHO beschreibt sie als sackförmig oder zylindrisch erweiterte, oberflächliche Venen.

Die Varikosis ist das Krampfaderleiden.

Varizenruptur werden Varizenblutungen genannt, zum Beispiel nach einem traumatischen Ereignis auf eine Varize.

Besenreiser beschreiben die funktionsgestörten kleinsten Venen, die bereits zum Formenkreis der Varikosen zählen.

Eine Thrombose entsteht, wenn ein Thrombus, also ein Blutgerinnsel, ein Blutgefäß einengt oder verstopft. Am häufigsten treten Thrombosen in den tiefen Bein- und Beckenvenen auf, können aber auch in allen anderen Körperregionen entstehen.

Thrombosen der Beinvenen werden als Phlebothrombose bezeichnet.

Die Thrombophlebitis ist eine Venenentzündung, die oberflächlich sein kann, aber auch die tieferliegenden Venen betreffen kann. Sie geht häufig mit der Bildung eines Blutgerinnsels (Thombus) einher.

Ulcus cruris venosum bezeichnet ein offenes Bein, das aufgrund eines fortgeschrittenen Venenleidens aufgetreten ist.

Venenmessaktion in der Apotheke Einige Firmen bieten Materialien und Ausleihgeräte zur Vermessung der Venen an. Um auf das Thema aufmerksam zu machen, kann in der Apotheke eine Venenwoche organisiert werden. Die Messungen werden mit einem Gerät auf Basis von Infrarotlicht durchgeführt. Die Licht- Reflexions-Rheografie (LRR) ermöglicht es, Erkrankungen der Venenklappen frühzeitig zu erkennen. Dabei wird die Zeit gemessen, in der sich die Venen nach einer Muskelaktivität wieder mit Blut füllen.

Gibt es einen Defekt in der Venenklappe, fließt das Blut wieder zurück, das zuvor durch die Muskelleistung in Richtung des Herzens transportiert wurde. Je schneller das Blut zurück in die Venen fließt, desto wahrscheinlicher ist eine Veneninsuffizienz. Diese Messungen sollen eher ein Screeningverfahren sein, mit dem Risikopatienten identifiziert und zum Arzt geschickt werden. Sie ersetzen nicht die Diagnosestellung durch einen Arzt.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 04/17 ab Seite 34.

Dr. Katja Renner, Apothekerin

„Wenn die Klappen nicht mehr schließen”

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