Rheumatische Erkrankungen
WAS IST RHEUMA?
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Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises treten an den Bewegungsorganen wie Gelenken, Sehnen, Muskeln, aber auch am Bindegewebe auf. Sie sind in aller Regel mit Schmerzen und mit Bewegungseinschränkungen verbunden. Gemeinsam ist ihnen zudem, dass es sich fast immer um chronische Erkrankungen handelt, die die Patienten ein Leben lang begleiten. Das sind im Wesentlichen die Gemeinsamkeiten. Üblicherweise erfolgt die Einteilung der rheumatischen Erkrankungen basierend auf ihrer Entstehung in vier große Gruppen.
Arthrosen Am häufigsten und vermutlich auch am bekanntesten sind die durch Verschleiß bedingten Arthrosen. Etwa fünf Millionen Menschen in Deutschland sind betroffen. Schätzungsweise die Hälfte lässt sich auf jahrelange Überbelastung zurückführen, 30 Prozent auf einen Unfall. Arthrosen treten im fortgeschrittenen Alter und häufig in Gelenken auf, die das Körpergewicht tragen, wie Knie und Hüfte. Aber auch Hände, Schultern und andere Gelenke können befallen sein. Die betroffenen Gelenke schmerzen und werden zunehmend steifer. Ein Teil der Patienten hat täglich Beschwerden.
Die Behandlung erfolgt zunächst konservativ, in späteren Stadien operativ. Besonders bei älteren Patienten sind die Erfahrungen mit künstlichen Gelenken gut. Eine aktuelle Untersuchung kommt zu dem ernüchternden Ergebnis, dass diese Strategie bei jüngeren Patienten noch weniger gut funktioniert als bislang bekannt. Das hat vermutlich damit zu tun, dass Patienten, die bereits früh einen Gelenkersatz benötigen, besonders schwer betroffen sind. Hier wird häufig bereits nach wenigen Jahren eine erneute Operation erforderlich.
Autoimmun-bedingte chronisch entzündliche Erkrankungen Zu dieser Gruppe gehören die rheumatoide Arthritis, die sich in peripheren Gelenken manifestiert sowie die Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew), die vor allem die Wirbelsäule befällt; außerdem die juvenile idiopathische Arthritis, die bereits im Kinderoder Jugendalter auftritt, und die Psoriasis-Arthritis, bei der Patienten sowohl an einer Arthritis als auch an einer Schuppenflechte leiden. Ebenfalls in die Gruppe der autoimmunbedingten rheumatischen Erkrankungen fallen die Kollagenosen (Bindegewebserkrankungen) und Vaskulitiden (entzündliche Gefäßerkrankungen).
Zu ersteren gehören unter anderem Lupus erythematodes, Sklerodermie, Sjögren-Syndrom, Polymyositis, Dermatomyositis, Mischkollagenose und Morbus Wegener. Generell gilt: Die Entzündung betrifft nicht nur die offensichtlich betroffenen Strukturen und Organe, sondern immer auch den gesamten Körper. Insgesamt leiden in Deutschland etwa 1,5 Millionen Menschen an chronisch-entzündlichen rheumatischen Erkrankungen. Sie werden mit immunsuppressiven Therapien behandelt.
Besonders bei den häufigeren Erkrankungen haben die Biologika in den letzten Jahren einen großen Fortschritt bewirkt. Anfang des Jahres wurde für die rheumatoide Arthritis erstmals ein Januskinase-Inhibitor zugelassen, weitere Präparate dieser Klasse werden folgen. Sie hemmen intrazellulär die Signalübertragung vom Zytokin-Rezeptor in den Zellkern. Es zeichnet sich ab, dass sie möglicherweise noch etwas wirksamer sein könnten als Biologika, zumal ein Januskinase-Inhibitor die Signalübertragung von mehreren Zytokinen hemmen kann.
Stoffwechselstörungen Auch Stoffwechselstörungen können mit rheumatischen Beschwerden einhergehen. Zahlenmäßig am bedeutendsten ist hier die Gicht, die man heute ebenfalls dem rheumatischen Formenkreis zuordnet. Schätzungsweise jeder dritte Hyperurikämie- Patient weist Kristallablagerungen in den Gelenken auf, die wiederum zu Entzündungen und Funktionseinschränkungen führen. Weitere Stoffwechselstörungen sind hormonelle, endokrine Gelenkerkrankungen bei Hyperparathyreodismus, Hyperthyreose oder Diabetes. Auch die erbliche Hämochromatose fällt in diese Gruppe.
Rheumatische Erkrankungen der Weichteile Schließlich werden noch verschiedene Krankheitsbilder mit Symptomen wie Schmerzen im Bereich von Muskulatur und Sehnen zu den rheumatischen Erkrankungen gezählt. Hier sind das Fibromyalgie-Syndrom, aber auch Sehnenansatzreizungen und Schleimbeutelentzündungen zu nennen. Mitunter wird darüberhinaus die Osteoporose (acht Millionen Betroffene) zum rheumatischen Formenkreis gerechnet.
Gesellschaftliche Bedeutung Rheumatische Erkrankungen lassen sich bisher nicht heilen. Auch wenn zumindest bei einem Teil der Erkrankungen therapeutische Fortschritte zu verzeichnen sind, so bleiben andererseits trotzdem viele Patienten stark eingeschränkt. Finanzielle Kosten entstehen einerseits durch die direkten Behandlungskosten, die durch die Biologika stark gestiegen sind. Aktuell werden erste „Biosimilars“ in Deutschland verfügbar – quasi Generika von Biologika, für die aber deutlich geringere Anforderungen an die Zulassung gestellt werden als für die Originalpräparate.
Dies wird kontrovers diskutiert, weil die Herstellung monoklonaler Antikörper um ein Vielfaches komplexer ist als etwa von Substanzen wie Paracetamol. Aufgrund der möglichen Kosteneinsparungen wird der Einsatz von Biosimilars politisch forciert. Andererseits entstehen indirekte Kosten durch Arbeitsunfähigkeit. Hier ist bei der rheumatoiden Arthritis ein positiver Trend zu verzeichnen.
Patienten bleiben zunehmend länger berufstätig – auch durch die verbesserten Behandlungsmöglichkeiten. Die Diagnose und Therapie von rheumatischen Erkrankungen erfolgt idealerweise durch einen Rheumatologen. Diese Zusatzqualifikation können Fachärzte für Innere Medizin, Orthopäden und Pädiater im Rahmen einer Weiterbildung erwerben. Allerdings fehlen Schätzungen zufolge aktuell mehrere hundert Rheumatologen, um alle Patienten adäquat zu versorgen.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 04/17 ab Seite 100.
Dr. rer. nat. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin