Sollte eine präventive Polypille mit vier Wirkstoffen die Hoffnung für die ärmeren Regionen dieser Welt sein? © Erstudiostok / iStock / Getty Images Plus

Studie | Primärprävention

WAS BRINGT DIE POLYPILLE FÜR ALLE?

In einer Pille war alles drin: Versehen mit Statin, Bludrucksenker und ASS konnte diese Polypille die Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen signifikant senken. Und zwar häufig, bevor sie überhaupt ausbrachen.

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2012 begann die Studie: Im Iran wurden ganze Ortschaften randomisiert und die Menschen im Alter zwischen 50 und 79 Jahren in zwei Gruppen aufgeteilt: Die einen erhielten die Polypille; die anderen lediglich die ortsübliche, minimale medizinische Versorgung.

Dabei hatte jeder zehnte Studienteilnehmer bereits ein schweres Herz-Kreislauf-Ereignis erlitten; und mehr als zwei Drittel hatte zuvor schon kardiovaskuläre Medikamente eingenommen. Die verabreichte Pille enthielt dabei 5 Milligramm (mg) Enalapril, 12,5 mg Hydrochlorothiazid, 20 mg Atorvastatin und 81 mg ASS. Teilnehmer, die mit Husten auf den ACE-Hemmer Enalapril reagierten, konnten auf ein anderes Präparat wechseln, dass stattdessen 40 mg Valsartan enthielt. Primärer Endpunkt der Studie war das Auftreten schwerwiegender kardiovaskulärer oder zerebrovaskulärer Ereignisse wie Herzinfarkt oder Schlaganfall.

Der Erfolg der Polypille ließ sich in Zahlen bemessen: Bei jenen, die diese eingenommen hatten, trat der Endpunkt nur bei 5,9 Prozent auf – bei der Kontrollgruppe waren es jedoch 8,8 Prozent. Die Forscher ermittelten insgesamt ein um 34 Prozent gesenktes Risiko. Umgerechnet kommt also auf 35 Personen eine, die durch die Einnahme der Polypille vor einem schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignis geschützt wurde. Mittlerweile beschäftigt sich auch eine zweite Studie mit der Kombipille: 5500 Patienten aus Bangladesch, Kanada, Kolumbien, Indien, Malaysia, den Philippinen, Tansania und Tunesien erhalten 25 mg Thiazid, 100 mg Atenolol, 10 mg Ramipril und 40 mg Simvastatin. Außerdem laufen zeitgleich Randomisierungen mit 75 mg ASS sowie 60 000 IE Vitamin D mit Placebo. Das Ergebnis wird noch in diesem Jahr erwartet.

Die Idee mit der Polypille gab es schon einmal: Vor 15 Jahren hatte ein Forscher aus London eine ähnliche Kombination vorgeschlagen. Mit nur einer Pille sollten Blutdruck und Cholesterin gesenkt und die Fließeigenschaften des Blutes verbessert werden. Damals gab es auch Kritik: In reicheren Ländern sei die Versorgung so gut, dass auch gezielt behandelt werden könnte. Zudem sei es aus ethischen Gründen nicht vertretbar, gesunde Menschen unnötig durch Nebenwirkungen der Wirkstoffe zu belasten. Befürworter jedoch sehen in der Polypille eine praktische und preiswerte Möglichkeit, die kardiovaskuläre Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern. Mehr Zuspruch findet die Idee daher vor allem in Ländern, in denen die medizinische Versorgung der Bevölkerung oft schwierig ist.

Und auch 2016 sollte eine Studie Patienten vor Herzinfarkt und Schlaganfall bewahren; immerhin 12 705 Männer und Frauen nahmen an der „Hope 3-Studie“ teil. Am Ende wurden die Hoffnungen jedoch enttäuscht und die Deutsche Hochdruck-Liga betrachtete die Idee der „Polypille“ für alle als gescheitert: Nach einer Behandlungszeit von 5,6 Jahren senkte das Medikament die Zahl der Herz-Kreislauf-Ereignisse nicht wirklich, das geschah nur bei den Teilnehmern, die zu Beginn der Behandlung erhöhte Blutdruckwerte aufwiesen: Im Drittel mit den höchsten systolischen Blutdruckwerten sank die Zahl der Herz-Kreislauf-Ereignisse um 24 bis 28 Prozent.

Alexandra Regner,
PTA und Journalistin

Quelle: Apotheke adhoc

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