Eine Schwangere isst einen Donut.
Der Verzicht auf Zucker und Weißmehlprodukte in den letzten Schwangerschaftswochen soll den Geburtsschmerz reduzieren. Ist da etwas dran? © diignat / iStock / Getty Images Plus

Ernährung in der Schwangerschaft

WAS BRINGT DER VERZICHT AUF ZUCKER UND WEIZEN?

Eine Freundin erzählte neulich, dass sie sechs Wochen vor der Geburt ihres Kindes auf Weizen und Zucker verzichten wolle, um weniger Schmerzen bei der Geburt zu haben. Diäten während der Schwangerschaft sollten eigentlich vermieden werden – was also hat es mit dieser Ernährungsempfehlung, die neuerdings durchs Netz geistert, auf sich?

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Ernährung in der Schwangerschaft ist für viele Frauen ein großes Thema: Was darf ich essen und was nicht? Wie schaffe ich es, mein ungeborenes Kind und gleichzeitig mich selbst mit allen wichtigen Nährstoffen zu versorgen? Was vielen mittlerweile klar ist: Für zwei essen ist nicht drin – erst ab der zweiten Schwangerschaftshälfte dürfen es für normalgewichtige Frauen rund 300 Kilokalorien mehr täglich sein. Also ein paar Pellkartoffeln mit Quark, ein Schälchen Linseneintopf oder ein Toast-Sandwich mit Avocado extra am Tag.
Zudem gilt prinzipiell: Gemüse und Obst gut waschen und wenn möglich schälen, tierische Lebensmittel gut durchgaren, auf Alkohol und Nikotin verzichten und rohe Wurst- sowie Käsesorten meiden. Ansonsten lautet die Empfehlung in der Schwangerschaft genauso wie für jeden gesunden Erwachsenen: Ernähren Sie sich gesund, vollwertig und ausgewogen, trinken Sie ausreichend und bewegen Sie sich regelmäßig. Ess-Flashs und Gelüste kennen wohl viele Schwangere – und allzu sehr sollte man sich und seine Psyche mit korrektem Essverhalten auch nicht belasten – aber eben nur Schlemmen in Maßen.

Keine Diäten während der Schwangerschaft
Bei jedem Frauenarztbesuch wird auch der Gang auf die Waage fällig, die Gewichtsentwicklung wird im Gravidogramm des Mutterpasses festgehalten – ebenso wie alle weiteren Ergebnisse der regelmäßigen Untersuchungen. Schließlich passt sich der Körper langsam den Umständen der Schwangerschaft an: Gebärmutter und Plazenta wachsen, das Gewebe lagert zusätzlich Wasser ein, die Brustgröße nimmt zu, die Blutmenge steigt und Fruchtwasser wird gebildet – on Top kommt dann noch das Gewicht des ungeborenen Kindes. Der Körper muss also an Gewicht zunehmen, auch wenn viele Schwangere im ersten Drittel häufig erst einmal an Gewicht verlieren, zumindest, wenn sie unter Übelkeit oder Erbrechen leiden. Eine Faustregel besagt, dass vom vierten bis sechsten Schwangerschaftsmonat rund 300 bis 400 Gramm und im letzten Trimenon circa 500 Gramm wöchentlich mehr auf der Waage erscheinen. Je nach Ausgangs-BMI sollten normalgewichtige Frauen bis zu 16 Kilogramm, adipöse Frauen bis zu neun Kilogramm zulegen können. Wenn überhaupt sollten Frauen nur dann abnehmen, wenn Komplikationen durch einen Schwangerschaftsdiabetes, einen krankhaften Bluthochdruck oder ein überdurchschnittlich hohes Geburtsgewicht des Kindes drohen – und das natürlich nur unter ärztlicher Aufsicht. Meist wird dann durch eine Ernährungsumstellung auf eine gesunde Kost und ein angepasstes Bewegungsprogramm der Gewichtsverlauf überwacht, sodass keine größere Gewichtszunahme erfolgt. Alles andere gefährdet möglicherweise die Gesundheit von Mutter und Kind. Also: Diäten, seien sie einseitig oder mit reduziertem Kaloriengehalt, können die Nährstoffversorgung gefährden.

Diäten, seien sie einseitig oder mit reduziertem Kaloriengehalt, können die Nährstoffversorgung gefährden. 

Was dachte sich Dr. Louwen mit seiner Diät?
Prof. Dr. Frank Louwen ist leitender Arzt für die Pränatalmedizin und Geburtshilfe an der Frankfurter Universitätsklinik und in den Medien durchaus bekannt. Während seinen regelmäßigen Informationsveranstaltungen für werdende Eltern erklärt er nicht nur den Geburtsablauf, sondern vertritt auch seine persönliche Auffassung von Geburt – dafür erntete er bereits Lob sowie Kritik. Doch wie man auch zu seiner Persönlichkeit stehen mag, das Schlagwort „Louwen-Diät“ erntet zahlreiche Google-Treffer. Auch wenn es sich eher um eine Ernährungsform denn um eine Diät handelt. Das Prinzip ähnelt der Logi- oder Glyx-Ernährungsform, bei welcher weitestgehend auf einfache Kohlenhydrate verzichtet wird. Vielmehr wird die Energie aus vorwiegend komplexen Kohlenhydraten gewonnen, also der Verzehr von Vollkornprodukten vor den von Weißmehlprodukten gestellt, einige Obst- und Gemüsesorten weniger häufig konsumiert und zuckerhaltige Getränke sowie Süßigkeiten vermieden. Das entspricht prinzipiell auch den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung für eine vollwertige, gesunde Kost. Es steht also keine Gewichtsabnahme im Fokus, sondern vielmehr eine hormonelle Umstellung und eine adaptierte Stoffwechsellage. Dr. Louwen begründet seine Empfehlungen zum einen an seiner Beobachtung, dass krankhaftes Übergewicht sowohl bei (schwangeren) Frauen als auch deren Kindern zunehme, zum anderen vertritt er die These, dass so eine schmerzreduzierte Geburt möglich sei. Wie das?

Prostaglandinsynthese und Geburtserfahrung
Ab der 35. Schwangerschaftswoche (SSW) kann ein Kind außerhalb der Gebärmutter eigenständig atmen, die Lungen sind gereift. Zudem funktionieren Magen-Darm-Trakt, Immun- und Nervensystem – ab jetzt geht es noch um Gewicht und Größe. In der Regel folgen nun auf eine einsetzende Geburt keine medizinischen Interventionen mehr, um den Prozess hinauszuzögern. Ab der 37. SSW zählt ein Neugeborenes auch nicht mehr als Frühchen. Der Körper beginnt sich dementsprechend vorzubereiten: Mit der 35. SSW werden vermehrt Prostaglandine, unter anderem vom Typ E2, produziert. Diese sind für die Einleitung der Geburt von Bedeutung, denn sie weiten den Muttermund, verkürzen den Zervixkanal und sensibilisieren die Gebärmutter für Oxytocin. Das Hormon fördert die Gebärmutterkontraktionen und löst Wehen aus. Das ist auch der Grund, warum bei einer künstlichen Geburtseinleitung häufig prostaglandinhaltige Vaginalgele als erste Stufe oder gemeinsam mit dem „Wehentropf“ zum Einsatz kommen.
Laut Prostaglandinhypothese konkurrieren die Gewebshormone jedoch mit einem anderen Hormon um ihre Rezeptoren an den entsprechenden Zielorganen: Insulin. Bei einem anhaltend hohen Blutzuckerspiegel wird auch mehr Insulin ausgeschüttet, das die Prostaglandinrezeptoren besetzt. Die Prostaglandine können folglich nicht binden, was den Geburtsvorgang verlangsame und zu mehr Schmerzen führe, da freie Prostaglandine stattdessen an Schmerzrezeptoren binde. Die Folgerung: kompliziertere Geburtsverläufe, eine höhere Kaiserschnittrate und eine schmerzhaftere Geburtserfahrung.

Ernährungsempfehlung nach Dr. Louwen
Da sich der Körper frühzeitig hormonell anpasst, damit am Tag der Geburt auch alles reibungslos funktioniert, empfiehlt Dr. Louwen die Ernährungsumstellung ab spätestens sechs Wochen vor Geburt, also mit der 34. SSW. Das Ziel ist es, Blutzuckerspitzen oder dauerhaft erhöhte Spiegel zu vermeiden, um die Insulinausschüttung niedrig zu halten, sodass möglichst viele Rezeptoren unbesetzt und damit frei für Prostaglandine bleiben.
Konkret bedeutet dies, einfache Kohlenhydrate zu meiden und stattdessen komplexe Kohlenhydratquellen zu bevorzugen. Alle anderen Ernährungsempfehlungen bleiben dadurch unberührt, der Protein-, wie der Fettanteil sollten also nicht (massiv) verändert werden. Süßigkeiten und Süßgetränke wie Limo oder Eistee, Weißmehlprodukte, polierter Reis, verarbeitete Kartoffelprodukte wie Pommes oder Bratkartoffeln, Mais, getrocknetes Obst, sowie Honig sollten also (weitestgehend) vom Ernährungsplan gestrichen werden. Stattdessen können folgende Kohlenhydratquellen genutzt werden:

  • Hülsenfrüchte (Linsen, Erbsen, Bohnen),
  • Wild- oder Naturreis,
  • viele Obstsorten, wie Äpfel, Birnen oder Orangen (Ausnahmen: Melone, Weintrauben, Ananas, Papaya),
  • Nüsse und Saaten,
  • nahezu alle Gemüsesorten (Ausnahmen: Kartoffeln, Steckrüben, Mairüben),
  • Vollkorngetreide und daraus hergestellte Produkte, Dinkel oder Quinoa.

Fleisch, Fisch, Eier, Milch- und Milchprodukte können – insofern sie nicht verarbeitet sind, also beispielsweise paniert oder in einem Salat mit Glucosesirup versetzt, ohne Einschränkungen konsumiert werden. Vorsicht ist bei „versteckten“ Kohlenhydraten sowieso geboten: Viele Wursterzeugnisse enthalten Süßungsmittel, Glucose-Fructose-Sirup findet sich nicht nur in Getränken und Nachspeisen, sondern auch in herzhaften Produkten wie Fertigsoßen oder Dips – daher lohnt sich in jedem Fall ein Blick aufs Etikett.

Glyx und GL
Der glykämische Index (Glyx) beschreibt die Auswirkungen eines Lebensmittels auf den Blutzucker- beziehungsweise Insulinspiegel. Je komplexer der Kohlenhydratanteil, desto geringer ist der Blutzuckeranstieg und die damit verbundene Insulinausschüttung – dementsprechend umso kleiner ist der glykämische Index. Es gilt:
Niedriger Glyx: <55,
Mittlerer Glyx: 55-70,
Hoher Glyx: >70,
wobei 100 reinen Traubenzucker darstellt und als Richtwert herangezogen wird. Wichtig ist jedoch nicht nur die Qualität der Kohlenhydrate, sondern auch die Menge, in der das Lebensmittel zugeführt wird. Dieses Verhältnis wird durch die glykämische Last (GL) beschrieben. So weist Wassermelone einen höheren Glyx auf als Weißbrot, doch enthalten 100 Gramm Weißbrot mehr Kohlenhydrate als 100 Gramm Wasssermelone – die GL und damit die Menge der aufgenommenen Kohlenhydrate ist bei Weißbrot dementsprechend höher, und zwar rund 2,5 mal so hoch. Um den gleichen Effekt auf den Blutzuckerspiegel auszuüben wie nach dem Verzehr von 100 Gramm Weißbrot, müsste man also 250 Gramm Wassermelone essen.

Wer lässt besser die Finger davon?
Generell wird Diabetikerinnen oder schwangeren Frauen mit Stoffwechselstörungen davon abgeraten, diese Ernährungsweise umzusetzen. Und schon gar nicht eigenmächtig. Wer gesund ist und sich zuvor bereits bewusst und ausgewogen nach den Richtlinien der DGE ernährt hat, kann diese Umstellung im Grunde problemlos ausprobieren. Sollten die Vorgaben große Umstellungen in der individuellen Ernährungsweise mit sich ziehen, ein komplizierter Schwangerschaftsverlauf vorliegen oder persönliche Bedenken bestehen, sollte man zuvor mit Hebamme oder Frauenarzt sprechen.

Für eine (stoffwechsel-)gesunde Frau ziehen die Ernährungsempfehlungen keine negativen Folgen mit sich – sie entsprechen grundlegend den Empfehlungen der DGE. Doch Studien zur Wirksamkeit in Bezug auf eine verkürzte und unkompliziertere Geburt mit geringerem Schmerzempfinden gibt es zurzeit nicht. Zwar steht das Ernährungsverhalten schwangerer Frauen und dessen Auswirkungen auf Gesundheit, Schwangerschaftsverlauf und Geburt im Fokus vieler wissenschaftlicher Arbeiten. Eine Studie, die im European Journal of Nutrition publiziert wurde, deutet auch darauf hin, dass die Auswahl von Lebensmitteln mit niedrigem glykämischen Index tatsächlich einen Einfluss auf eine termingerechte Geburt haben könnte. Doch lag die Probandinnenzahl gerade mal knapp unter 2000, weshalb das Ergebnis vorsichtig interpretiert werden sollte.

Farina Haase,
Apothekerin/Online-Redaktion

Quellen:
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27612876/
https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/geburt-als-event-wir-singen-ihr-baby-aus-dem-bauch-12821923.html
https://www.dge.de/ernaehrungspraxis/diaeten-fasten/glyx/
https://www.dhz-online.de/no_cache/archiv/archiv-inhalt-heft/archiv-detail-leseprobe/artikel/kohlenhydrate-fuer-diabetikerinnen/
https://www.dge.de/ernaehrungspraxis/bevoelkerungsgruppen/schwangere-stillende/handlungsempfehlungen-zur-ernaehrung-in-der-schwangerschaft/
https://www.muetterberatung.de/louwen-diaet-ernaehrungsumstellung-zur-leichteren-geburt/
https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/schlankheitsmittel-und-diaeten/glykaemischer-index-gi-und-glykaemische-last-gl-11176

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