Hantavirus
VORSICHT, INFIZIERTE NAGETIERE!
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Es geschah in den 1950er-Jahren, während des Koreakrieges. Am Fluss Hantan erkrankten über 3000 amerikanische und koreanische Soldaten an starkem Fieber, gefolgt von Nierenversagen. Die Todesrate lag bei 10 bis 15 Prozent. Die Krankheit schien mysteriös, zudem verschleierte die militärische Geheimhaltung das Ereignis und verhinderte eine Erforschung der Ursachen.
Doch unbekannt war das Fieber schon damals nicht. So gab es bereits 1000 Jahre alte Fallberichte aus China und auch im amerikanischen Bürgerkrieg sowie im Ersten und Zweiten Weltkrieg war die Erkrankung vor allem bei den Soldaten in den Schützengräben gefürchtet. Man nannte sie Feld- oder Kriegsnephritis und führte sie damals auf Nässe und Unterkühlung zurück. Neueren Erkenntnissen zufolge könnte es sich jedoch schon damals auch um Infektionen mit dem Hantavirus gehandelt haben. Erst 1977 wurde das Virus aus dem Lungengewebe der Brandmaus isoliert und nach dem Vorfall während des Korea-Krieges „Hantavirus” genannt.
Altes Virus in neuem Gewand Eigentlich bezeichnet man mit dem Hantavirus eine ganze Gattung behüllter Viren mit einer Negativ-Einzelstrang- RNS. Eine hohe Rekombinations- und Mutationsrate bewirkt, dass die Viren ihr Erbgut schnell verändern können, was sie für den Menschen immer wieder aufs Neue gefährlich macht. So trat in den 1990er-Jahren im Südwesten der USA eine neue Hantavirusvariante auf, die man als Sin-Nombre-Virus bezeichnet. Sie löst statt Nierenversagen Lungenödeme aus, die damals bei über 65 Prozent der Infizierten zum Tod führten.
Heute liegt diese Rate bei etwa 35 Prozent, wobei es erst im August 2012 zu einer Reihe neuer Todesfälle bei Besuchern des kalifornischen Yosemite-Nationalparks kam. Die in Mitteleuropa verbreiteten „Puumala”- und „Dobrava”-Varianten des Hantavirus sind dagegen mit einer Mortalitätsrate von etwa einem Prozent relativ ungefährlich, wobei zwischen „Puumala” und „Sin Nombre” dennoch eine enge genetische Verwandtschaft besteht.
Mitteleuropa Das Hantavirus wird durch Mäuse und Ratten übertragen, in unseren Breitengraden vorwiegend durch die Rötelmaus. Die infizierten Tiere zeigen keinerlei Krankheitssymptome, bleiben aber ein Leben lang ansteckend. Die Viren gelangen über Speichel, Urin und Fäkalien der Tiere in den Boden und von dort über Schmierinfektion oder beim Einatmen von infiziertem Staub in den Menschen. Schuppen, Hütten oder Dachböden, die nach dem Winter saubergemacht werden, sind besonders gefährlich.
WIE KANN ICH MICH SCHÜTZEN?
+ Beim Ausfegen von Hütten, Schuppen, Dachböden möglichst wenig Staub aufwirbeln
+ Mindestens 30 Minuten vorher gut lüften
+ Staubschutzmaske tragen
+ Keinen Staubsauger verwenden, lieber den Boden leicht anfeuchten
+ Tote Tiere und Mäusekot mit normalem Haushaltsreiniger ansprühen, um das Aufwirbeln von virusbeladenem Staub, Haaren etc. zu verhindern, dann mit Einweghandschuhen entfernen, Tiere und Handschuhe in einer geschlossenen Plastiktüte über den Restmüll entsorgen.
Aber alle Menschen, die sich viel im Freien aufhalten, tragen ein Risiko: Förster, Jäger, Gärtner, auch Jogger, wenn sie nicht auf befestigten Wegen laufen. Seit der Meldepflicht im Jahr 2001 werden in Deutschland jährlich etwa 500 Fälle gezählt, doch es gibt auch Jahre, in denen die Fallzahlen deutlich in die Höhe schnellen. So gab es vor zwei Jahren 2017 Erkrankungen, in diesem Jahr wurden vom Robert Koch-Institut bis Juli schon über 2000 Fälle gemeldet.
Besonders betroffen sind die Schwäbische Alb, der Bayerische Wald und das Münsterland. Experten führen den Anstieg der Zahlen auf eine erhöhte Rötelmauspopulation durch ein gutes Nahrungsangebot zurück. Eine Impfung gegen das Hantavirus gibt es bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht.
Grippeähnliche Symptome Eine Hantavirusinfektion mit den mitteleuropäischen Virusvarianten verläuft meist mild, mit grippeähnlichen Symptomen wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen. Diese halten drei bis vier Tage an. In einigen Fällen kommt es jedoch zum gefürchteten HFRS, dem Hämorrhagischen Fieber mit Renalem Syndrom. Dabei haben die Patienten starkes Fieber und neigen zu Blutungen, die nur schwer zu stoppen sind. Anschließend kommt es zu Blutdruckabfall und Nierenschäden bis hin zum akuten Nierenversagen.
Das HRFS sowie sämtliche Komplikationen erfordern eine Krankenhausbehandlung. Leichtere Verläufe heilen meist komplett aus. Da die Inkubationszeit zwischen 5 und 60 Tagen liegt, kann der Bezug zum Hantavirus nicht immer sofort hergestellt werden; wer sich viel in der Natur aufgehalten oder gar eine mäuseverseuchte Hütte ausgefegt hat, sollte den Arzt darauf aufmerksam machen.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 10/12 ab Seite 122.
Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist