Säuglinge und Kleinkinder
VORSICHT BEI DURCHFALL
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Durchfall (Diarrhö) tritt zwischen dem 6. und 24. Lebensmonat besonders häufig auf, da sich bei den Kleinen das Immunsystem noch entwickeln muss. Erstes Anzeichen ist Appetitverlust. Säuglinge werden trinkfaul, schreien viel und haben wenig Interesse an ihrer Umwelt. Auch größere Kinder sind unruhig, auffallend weinerlich und schlafen schlecht. Blähungen, krampfartige Bauchschmerzen sowie Übelkeit und Erbrechen können hinzukommen.
Viele Ursachen möglich Typischerweise reagieren viele Säuglinge bei der Ernährungsumstellung, also beim Übergang von der Muttermilch zur festen Nahrung, mit dünnflüssigen Stühlen. Aber auch zu viel oder unreifes Obst, verdorbene oder unverträgliche Lebensmittel (z. B. Gluten, Kuhmilchproteine, Lactose) sind potenzielle, jedoch eher seltene Auslöser. Viel häufiger ist eine Diarrhö Begleitsymptom viraler oder bakterieller Infektionen, wobei diese nicht im Magen-Darm-Trakt ihren Ursprung nehmen müssen. Häufig gehen akute Infekte der oberen Luftwege (z. B. Mittelohrentzündungen, Streptokokken-Angina) mit Übelkeit, Erbrechen und Durchfall einher. Manchmal ist aber auch deren Therapie mit Antibiotika für die ungeformten Stühle verantwortlich. Wird der Durchfall von Übelkeit und Erbrechen begleitet, sollte bei Kleinkindern zudem immer an eine potenzielle Vergiftung (z. B. mit Putzmitteln) gedacht werden.
Keime die größten Übeltäter In den meisten Fällen handelt es sich um eine akute virale oder bakterielle Magen-Darm-Infektion, die oftmals noch von Erbrechen und Fieber begleitet wird. Man spricht dann von einem Brechdurchfall oder einer Magen-Darm-Grippe. Virusinfektionen spielen die größte Rolle, wobei bei Kindern bis zu vier Jahren der Rotavirus vorherrschend ist, gefolgt von Adeno-, Astro- und Coxsackie-Viren. Bakterien wie Salmonellen, enterotoxische E. coli, Shigellen, Campylobacter jejuni oder Yersinia enterocolitica sind ebenfalls typische Auslöser. Eine gezielte Erregerdiagnostik wird in der Regel nicht durchgeführt, da sich die Therapie bei unkomplizierten Verlaufsformen nicht gegen den Keim richtet, sondern der Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt des Kindes im Vordergrund steht.
Kleine Kinder besonders gefährdet Die Schwere der Erkrankung hängt von der Menge des Wasserverlustes und der damit verbundenen Einbuße an lebensnotwendigen Mineralstoffen wie Natrium, Kalium, Chlorid oder Magnesium ab. Je jünger das Kind ist, desto größer ist die Gefahr einer raschen Austrocknung (Dehydratation) und damit einer Störung lebenswichtiger Funktionen von Herz, Nieren und Gehirn. Der Grund dafür liegt in dem großen Flüssigkeitsbedarf, den Säuglinge und kleine Kinder haben. Sie benötigen im Verhältnis zu ihrem Körpergewicht wesentlich mehr Flüssigkeit als ältere Kinder oder Erwachsene. Während beispielsweise ein Säugling von zehn Kilogramm Körpergewicht einen Liter Flüssigkeit pro Tag benötigt, muss ein etwa siebenmal so schwerer Erwachsener nur die zweifache Flüssigkeitsmenge, also zwei Liter, am Tag zu sich nehmen.
Gang zum ArztEin Säugling kann in den ersten sechs Stunden einer Durchfallerkrankung fünf bis zehn Prozent seines Gesamtgewichtes verlieren, was bereits einem mittelschweren Austrocknungszustand entspricht. Symptome sind dann eine eingesunkene Fontanelle, Teilnahmslosigkeit (Apathie), graue Hautfarbe, schlaffe Haut, trockene Schleimhäute und Zunge sowie seltenes Wasserlassen. Bei einem Gewichtsverlust von über zehn Prozent des Körpergewichtes sinken die Augenhöhlen ein und eine Bewusstseinseintrübung bis hin zum Koma oder Schock sind möglich.
Wegen der schnellen Dehydratationsgefahr, sollten Säuglinge unter sieben Monaten beziehungsweise mit einem Gewicht unter acht Kilogramm generell dem Arzt vorgestellt werden. Aber auch ältere Säuglinge und Kleinkinder benötigen häufig eine ärztliche Kontrolle. Als Faustregel gilt, dass der Kinderarzt spätestens besucht werden sollte, wenn bei Säuglingen der Durchfall länger als sechs und bei Kleinkindern über zwölf Stunden andauert wenn das Kind nicht von alleine genügend Flüssigkeit aufnehmen kann wenn ein Gewichtsverlust von mehr als fünf Prozent festgestellt wird bei blutigem oder schmerzhaftem Durchfall bei hohem Fieber.
Rehydratation erforderlichDamit das Kind keiner lebensbedrohlichen Situation ausgesetzt wird, ist ein schneller Elektrolyt- und Flüssigkeitsersatz (Rehydratation) Therapie der ersten Wahl. Bewährt haben sich industriell gefertigte standardisierte Fertigprodukte mit einem Natriumgehalt zwischen 45 und 60 Millimol pro Liter. Um den Magen und Darm zu entlasten und das Verdauungssystem nicht zu reizen, erhält der betroffene kleine Patient für die Dauer der Rehydratation (in der Regel sechs bis zwölf Stunden) keine feste Mahlzeit. Gestillte Säuglinge dürfen und sollten währenddessen weiter an der Brust trinken. Eine medikamentöse Behandlung ist meist nicht notwendig. Gerbstoffe sind prinzipiell bei Kindern ab zwei (Uzarawurzel-Extrakt) beziehungsweise fünf Jahren (Tanninalbuminat) möglich. Probiotika (z. B. mit Lactobazillen) können zur raschen Normalisierung der Darmflora beitragen.
Oral oder parenteral Hat das Kind weniger als fünf Prozent seines Gewichtes verloren, erfolgt die Rehydratation mit Glucose-Elektrolyt-Lösungen oral, also mit dem Löffel, aus der Flasche oder dem Glas. Es sollten etwa 50 Milliliter pro Kilogramm Körpergewicht über sechs Stunden von der oralen Rehydratationslösung (ORL) verabreicht werden. Ist nach sechs Stunden noch eine leichte Dehydratation feststellbar, kann über weitere vier bis sechs Stunden die Gabe einer ORL erfolgen. Sollte aber dann noch keine Besserung eingetreten sein, gehört das Kind in die Klinik, wo es eine intravenöse Therapie erhält. Diese kann auch notwendig werden, wenn das Kind nicht mehr von alleine Flüssigkeit aufnimmt. Eine parenterale Substitution erfolgt zudem, wenn der Arzt gleich zu Beginn einen Gewichtsverlust von über fünf Prozent diagnostiziert.
Keine Tee- oder StillpauseDamit die atrophen Darmzotten so schnell wie möglich wieder aufgebaut werden, sollen die Kinder unmittelbar nach erfolgreichem Elektrolyt- und Flüssigkeitsersatz wieder Nahrung zu sich nehmen. Früher übliche Tee- oder Stillpausen sind obsolet. Gestillte Säuglinge bekommen weiterhin Muttermilch, bei nicht gestillten Kindern wird das weitere Vorgehen auf das Alter abgestimmt. Sind sie unter sechs Monate alt, wird ihre gewohnte Milchnahrung zunächst im Verhältnis 1:1 mit ORL verdünnt, danach wird der Milchanteil allmählich höher konzentriert.
Kinder über sechs Monate erhalten sogleich unverdünnte Säuglingsmilch. Ein Füttern von Heilnahrung wird nicht mehr praktiziert. Kleinkindern wird eine langsame, stufenweise Einführung von kohlenhydratreichen, aber eiweiß- und fettarmen Nahrungsmitteln empfohlen (Aufbaudiät). Dafür eignen sich geriebener Apfel, geschlagene Banane, Zwieback, Reis- oder Gerstenschleimsuppe, Wasserkakao, Kartoffelbrei mit Wasser angerührt, Reis, Bouillon sowie trockene Brötchen mit Konfitüre.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 08/2020 ab Seite 98.
Gode Chlond, Apothekerin
Zur Verbesserung der Akzeptanz kann die Glucose-Elektrolyt-Lösung gekühlt und in kleinen Mengen verabreicht werden.