Die kleinen Samen sind glatt, glänzend und für Rizinus typisch marmoriert. Doch in ihnen steckt auch ein potenziell tödliches Gift. © alexander ruiz/ iStock / Getty Images Plus

Toxikologie | Rizin

VON DER GIFTIGKEIT DES WUNDERBAUMS

Der Wunderbaum wurde zur Giftpflanze des Jahres 2018 gekürt, leider macht er zurzeit eher aus anderen Gründen Schlagzeilen. Vergangene Woche wurde bei der Durchsuchung einer Wohnung in Köln neben einem Sprengsatz auch eine große Menge Rizinussamen gefunden, ein Mann wurde festgenommen. Er soll einen Anschlag mit den giftigen Samen geplant haben.

Seite 1/1 3 Minuten

Seite 1/1 3 Minuten

Der Wunderbaum oder Rizinus (Ricinus communis) aus der Familie der Wolfsmilchgewächse ist eine imposante und schön anzusehende Pflanze, weshalb er häufig als Ziergehölz in Gärten oder Parkanlagen verwendet wird. Den meisten unbekannt ist allerdings, dass der Kontakt oder Verzehr eines bestimmten Inhaltstoffes gesundheitsgefährdend oder sogar tödlich sein kann. Die Rede ist von Ricin oder Rizin, einem Protein, das in den Rizinus-Samen enthalten ist. Die Samen sind ungefähr ein bis zwei Zentimeter lang und spezifisch marmoriert. Wenn man sie betrachtet, denkt man schnell an große, vollgesaugte Zecken. Daher kommt auch ihr Name, das lateinische Wort ricinus bedeutet nämlich Zecke. Die Samen sind trickreich: Abgesehen davon, dass sie durch ihre Färbung lecker und bekömmlich aussehen, verfügen sie tatsächlich über einen angenehmen, nussartigen Geschmack. Das enthaltene Ricin gehört aber zu den giftigsten bekannten Substanzen. Isst ein Erwachsener 10 bis 20 Samen, kann dies tödlich für ihn verlaufen, bei Kindern sind es lediglich fünf bis sechs Stück.

Rizinus-Samen werden hierzulande aber durchaus pharmazeutisch genutzt. Das daraus hergestellte kaltgepresste Rizinusöl wird gerne äußerlich als Pflegeöl für Haut, Haare oder Wimpern eingesetzt. Auch in Rezepturen in der Apotheke findet es Anwendung. Die Nutzung als Abführmittel gilt jedoch wegen seiner schlechten Steuerbarkeit als obsolet. Weltweit werden jährlich mehr als eine Million Rizinus-Samen verarbeitet. Das Öl ist frei von dem toxischen Eiweiß, in Pressrückständen findet es sich allerdings mit ungefähr fünf Prozent Anteil.

Dabei genügt ein Gramm Rizin theoretisch zur Tötung von 1000 Menschen. Es kann oral, inhalativ oder mittels Injektion aufgenommen werden. Das Prinzip von Rizin als „Biowaffe“ ist allerdings nicht neu. Bereits aus den 80er und 90er Jahren sind Fälle einzelner Attentate bekannt, bei denen eine gezielte Vergiftung durch injiziertes Rizin verübt wurde. Zum Beispiel beim sogenannten „Regenschirmattentat“ auf den bulgarischen Dissidenten und Journalist Georgi Markow – die Spitze des Schirms enthielt 40 µg Rizin. Zudem untersuchten Kanada und die USA den Einsatz von Rizin in Streumunition während des Zweiten Weltkrieges, auch ein Einsatz als Kampfgas wurde vom britischen Militär diskutiert. So ist es noch heute in der Liste 1 der Chemiewaffenkonvention (CWC) und in der letzten Fassung der Bio- und Toxinwaffen-Konvention (BTWC) aufgeführt. Auch Terrororganisationen fallen immer wieder mit dem aus den Samen isolierten Toxin auf, obwohl es sich als Aerosol nur schwer verbreiten lässt und daher nicht besonders gut als Biowaffe einsetzbar ist. Ein Antidot existiert nicht.

Folgende Symptome treten nach einer Vergiftung mit Rizin ein:

  • hohes Fieber
  • starke Schleimhautreizungen
  • Übelkeit
  • Erbrechen bis blutiges Erbrechen
  • blutiger Durchfall
  • Kolik
  • Kreislaufkollaps, Herzrhythmusstörungen, Blutdruckabfall
  • Leukozytose (charakteristisch)

Die Wirkung tritt allerdings erst versetzt nach vier bis acht Stunden ein. Unbehandelt führt die Vergiftung nach ungefähr 48 Stunden zum Tod. Erste-Hilfe-Maßnahmen wie herbeigeführtes Erbrechen sollten sofort nach oraler Aufnahme durchgeführt werden. In der Klinik wird in der Regel eine Magenspülung durchgeführt und der Patient mit Aktivkohle-Lösung behandelt.

Was macht Rizin genau in unserem Körper? Das giftige Eiweiß-Molekül besteht aus zwei Polypeptidketten, die B-Kette bindet an die Zelloberfläche, wodurch die A-Kette in das Zytoplasma der Zelle eindringen kann. Die A-Kette, oder Rizin A, inhibiert dann die Bildung des Initiationskomplexes während der Transkription, sodass keine Elongation stattfindet – die Zelle kann sich nicht mehr teilen und stirbt ab. Das betrifft vor allem Zellen des Verdauungstraktes wie Magen oder Darm und der Stoffwechselorgane Leber und Niere. Aber letztlich werden auch rote Blutkörperchen befallen, die dann zugrunde gehen.

Farina Haase,
Apothekerin/Volontärin

Quelle: www.tagesschau.de
   www.rizinusoel.net
   www.gifte.de
   www.chemie.de
   www.deutsche-apotheker-zeitung.de

×