Ein weißhaariger Herr zeigt einer Apothekerin oder PTA etwas auf seinem Smartphone.© shironosov / iStock / Getty Images Plus
Auch Senior*innen nutzen Smartphones. Falls nicht, können sie sich ihr E-Rezept auch ausdrucken lassen.

Verzögerung

E-REZEPT: NUR APOTHEKEN IN BERLIN UND BRANDENBURG TESTEN ZUNÄCHST

Das  E-Rezept wird erst einmal regional begrenzt ausprobiert. Die IT-Beauftragte des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) und die Bundesvorsitzende des Bundesverbands PTA (BVpta) erläutern, was sie davon halten, was man übers E-Rezept wissen muss und was auf Apotheken und Kunden zukommt.  

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„E-Rezept? Ganz einfach. Mit meiner Apotheke vor Ort.“ Das findet der junge Mann, der auf einem der neuen Plakatmotive der Werbekampagne #unverzichtbar der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) zu sehen ist. „Gemeinsam in die digitale Zukunft“, so lautet der Slogan zum Hashtag „unverzichtbar“. Schwer wird es für Patientinnen und Patienten theoretisch nicht, ihr elektronisches Rezept in der Apotheke einzulösen. Wer möchte, lässt sich die verordneten Medikamente von der Arztpraxis via Token als QR-Code digital auf sein Smartphone übermitteln.

Ist das E-Rezept dort gespeichert, wählt man eine Apotheke vor Ort oder eine Versandapotheke zur Einlösung aus. Man kann aber auch zunächst bei mehreren anfragen, ob das Verordnete vorrätig ist, und erst danach verbindlich entscheiden, wem man das Rezept tatsächlich zukommen lässt. Wer das nicht will oder kein Smartphone nutzt, kann sich den QR-Code auch ausdrucken lassen und damit in die Apotheke seiner Wahl gehen.

Dass die gematik, zuständig für die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens durch eine Telematikinfrastruktur (TI), nun die Erprobungsregion eingrenzt, hält Apothekerin Anke Rüdinger „für eine sehr kluge Entscheidung“. Rüdinger ist Inhaberin der Castello-Apotheke in Berlin-Lichtenberg. Außerdem engagiert sie sich berufspolitisch: Sie ist Vorsitzende des Berliner Apotheker-Vereins und IT-Beauftragte im Vorstand des DAV.

Vieles sei noch nicht abschließend geklärt, ein bundesweites Austesten schon ab Juli keine gute Idee gewesen, findet Rüdinger: „Nun haben wir in der Testregion Berlin/Brandenburg die Chance, die Prozesse so sicher zu machen, dass alle Apotheken E-Rezepte gut einlösen können, wenn die Tests bundesweit ausgerollt werden.“ So sieht es auch Carmen Steves, die Bundesvorsitzende des Bundesverbandes PTA: „Dass man Testungen begrenzt, ist eigentlich selbstverständlich. Hauptsache, es funktioniert am Ende gut.“

Der neue Zeitplan der gematik lautet: Ab 1. Juli Testphase in Berlin und Brandenburg. Dann ist auch die E-Rezept-App der gematik verfügbar. Ab 1. Oktober bundesweite Erweiterung der Testphase. Ab 1. Januar 2022 soll das E-Rezept Pflicht sein: Es wäre dann das einzig gültige Format für verschreibungspflichtige Arzneimittel.

Modellprojekt seit 2019

Mit dem E-Rezept hat Rüdinger in kleinem Rahmen bereits Erfahrungen gesammelt. Denn interessierte Apothekerinnen und Apotheker aus Berlin und Brandenburg erproben die Umsetzung bereits seit Ende 2019 in einem Modellprojekt, das vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert wird. Das geht nicht ohne die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte, die es als Modellbeteiligte ausstellen.

Ärzte sehen Stolpersteine

Auf dem Weg zum bundesweiten Routineeinsatz des E-Rezepts liegen aber noch Stolpersteine. Gerade hat der Deutsche Ärztetag gefordert, diesen um mindestens zwölf Monate zu verschieben. Man brauche ausreichend Zeit für Erprobungen in realen Versorgungsszenarien.

Das Problem: Der Werkzeugkasten fürs E-Rezept ist noch nicht in allen Praxen gut gefüllt. Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte klagen über Probleme mit der Telematikinfrastruktur und über lange Wartezeiten, bis ihr elektronischer Heilberufsausweis (eHBA) endlich da ist. Vom E-Rezept versprechen sie sich kaum Vorteile, sondern befürchten eine Verlangsamung ihrer Praxisabläufe.

Aufwendige Signatur

Der Grund: Bislang reicht eine schnelle Arztunterschrift, um ein Papierrezept auszustellen. Beim E-Rezept muss jedes einzelne Medikament mit einer sogenannten Qualifizierten Elektronischen Signatur (QES) versehen werden. Dazu muss jedes Mal der eHBA in ein Lesegerät gesteckt und per PIN freigeschaltet werden. Viel schneller ginge es mit einer Komfortsignatur, bei der man das Ausstellen von E-Rezepten quasi einmal am Tag per eHBA und PIN freigibt. Doch die steht noch nicht zur Verfügung.  

Apotheken gut vorbereitet

Die Apotheken hingegen gelten als gut aufgestellt fürs E-Rezept. Ende März meldete die ABDA, dass rund 75 Prozent mit Konnektoren an die Telematikinfrastruktur (TI) angebunden sind – was allerdings längst für alle vorgeschrieben ist. Mehr als 60 Prozent der Apothekeninhaberinnen und -inhaber hätten ihren eHBA, mehr als 90 Prozent die sogenannte Institutionskarte (SMC-B), die ebenfalls für die digitalen Prozesse benötigt wird.

„Die Apotheken sind im Backoffice schon seit vielen Jahren hoch digitalisiert.“

„Die Apotheken sind im Backoffice schon seit vielen Jahren hoch digitalisiert“, betont Rüdinger. „Deshalb sehen sie der Umsetzung des E-Rezepts entspannter entgegen als manche Arztpraxis.“ Viele nutzen mittlerweile den TI-Anschluss auch, um den elektronischen Medikationsplan eines Patienten auf dessen Gesundheitskarte aktualisieren zu können. Seit Jahresbeginn lassen sich arzneimittelbezogene Informationen zudem in der elektronischen Patientenakte (ePA) hinterlegen.  

Den Älteren Ängste nehmen

„Das E-Rezept wird sich schnell etablieren“, ist die BVpta-Vorsitzende Carmen Steves überzeugt: „Welcher Rentner hat heute kein Smartphone? Meine Mutter ist 80 und mittlerweile auch damit unterwegs.“ Das Apothekenteam müsse sich aber kümmern, informieren übers E-Rezept, Kunden die Angst davor nehmen.

„Die größte Angst der Älteren ist, dass sie ein Smartphone brauchen, um weiterhin ihre Medikamente zu erhalten“, so erlebt es Apothekerin Anke Rüdinger. „Diese Angst müssen wir ihnen nehmen.“ Die ABDA hat dieses Problem bereits im Januar 2020 in ihrem Positionspapier zum E-Rezept angesprochen: „Die eigentliche Herausforderung liegt darin, das Handling des E-Rezepts für den Patienten so zu gestalten, dass er dem System vertraut, es versteht und einfach anwenden kann.“

Die Herausforderung ist, dass der Kunde dem System vertraut, es versteht und anwenden kann.

Sorge der Apotheken: Rabattschlachten

Doch auch Apothekerinnen und Apotheker sorgen sich wegen unerwünschter Nebenwirkungen der Rezeptdigitalisierung. „Das E-Rezept darf auf dem Handy des Patienten kein Spielball von Lockangeboten, Werbeterror und Rabattschlachten werden“, mahnt die ABDA auf ihrer Info-Seite www.daserezeptkommt.de. Das im Sommer 2020 verabschiedete Patientendatenschutzgesetz (PDSG) sorgt bereits dafür, dass beeinflussende Werbung in diesem Kontext ausgeschlossen ist.

Makelverbot

Rüdinger weist darauf hin, dass der Deutsche Bundestag gerade das Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungsgesetz (DVPMG) verabschiedet hat. Es soll nach einem letzten Durchgang im Bundesrat Mitte des Jahres in Kraft treten. Danach sind Geschäfte mit Zuweisungen von E-Rezepten untersagt. Nun wird das Makelverbot auch auf den sogenannten Token ausgedehnt, also den Schlüssel zum E-Rezept. „Das ist eine für die Apotheken vor Ort wichtige Klarstellung des Gesetzgebers“, betont Rüdinger.

Telepharmazie ausdehnen

Die Konkurrenz zwischen lokalen und Versandapotheken bleibt ein Thema. Steves argumentiert: „Wenn wir souverän mit der E-Rezept-App der Kunden umgehen, werden wir sie halten können. Die Beziehung kann auch noch besser werden, weil wir flexibler werden.“ Sie verweist auf die sicher noch wachsende Bedeutung von Telepharmazie: „Wir müssen schauen, dass wir auch die Beratung zunehmend online stellen.“ „Das E-Rezept gehört in die Vor-Ort-Apotheke“, betont Rüdinger: „Wir sind schließlich auch schneller als das Internet.“

„Das E-Rezept gehört in die Vor-Ort-Apotheke. Wir sind schließlich auch schneller als das Internet.“

E-Rezepte im PTA-Arbeitsalltag

Die Arbeit von Pharmazeutisch-Technischen Assistentinnen und Assistenten wird sich durch das E-Rezept aber teilweise verändern, prognostiziert die Apothekerin. Noch sind elektronische Arzneimittelbestellungen eher selten, Shop-Bestellungen fließen schon direkt in die Warenwirtschaftssysteme. Wenn das E-Rezept bundesweit Standard wird, werden aber mehr und mehr Kunden per App anfragen, ob das Verordnete vorrätig ist, auch in verschiedenen Apotheken. „Dann bekommt die Apotheke das Rezept zugewiesen, die am schnellsten antwortet“, vermutet sie. PTA müssten dann schnell reagieren.

Wie stellen sich die Apotheken aus Sicht des BVpta derzeit intern auf die Veränderungen rund ums E-Rezept ein? Die Rückmeldungen ihrer Kolleginnen signalisieren Steves: Es kommt darauf an. „Wenn Apothekeninhaberinnen und -inhaber innovativ und offen für Neuerungen sind, dann ist auch die Atmosphäre in Bezug auf das E-Rezept sehr konstruktiv. Dann wird signalisiert: Wir bekommen die Technik gut auf die Spur, und wir bringen den Kunden gegenüber zum Ausdruck, dass wir ausgerüstet und startklar fürs E-Rezept sind.“

Wehren sich Apothekeninhaber eher gegen das E-Rezept, „ist das für PTA schwierig“, sagt deren Bundesvorsitzende. „Der Arbeitsplatz der Zukunft ist einer mit E-Rezepten.“ Rüdinger formuliert es so: „Noch ist ja Zeit. Vom 1. Juli bis 30. September passiert außer in Berlin und Brandenburg noch nichts. Aber man muss sich damit befassen. Denn das E-Rezept kommt.“

Quellen:
www.einfach-unverzichtbar.de 
www.daserezeptkommt.de 
https://www.abda.de/aktuelles-und-presse/newsroom/detail/positionspapier-zum-e-rezept/
https://www.abda.de/aktuelles-und-presse/pressemitteilungen/detail/e-rezept-pilotprojekt-in-berlin-und-brandenburg-oeffnet-registrierungsportal-fuer-apotheken/
https://www.aend.de/articleprint/211932
https://www.gematik.de/news/news/vorbereitungen-fuer-testphase-des-e-rezepts-laufen/
https://www.gematik.de/fileadmin/user_upload/gematik/files/Infoblaetter/gematik_Infoblatt_Das_E-Rezept_in_Apotheken_web_210510.pdf
https://www.gematik.de/anwendungen/e-rezept/
https://www.abda.de/aktuelles-und-presse/pressemitteilungen/detail/mehrheit-der-apotheken-ist-schon-an-telematik-infrastruktur-angeschlossen/
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2021/05/06/bundestag-verabschiedet-digital-gesetz
https://www.kbv.de/html/erezept.ph

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