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Neue Serie: Schlaf – Teil 3

UNFREIWILLIGE NÄCHTLICHE AKTIVITÄTEN

Schlafwandeln, Nachtschreck, Alpträume & Co.: Parasomnien kommen bei Kindern häufiger vor als bei Erwachsenen. Die meisten sind harmlos – solange niemand dabei verletzt wird.

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Unter Parasomnien versteht man unangemessene oder unerwünschte Verhaltensauffälligkeiten, die überwiegend oder ausschließlich aus dem Schlaf heraus auftreten. Sie lassen sich danach unterteilen, mit welcher Schlafphase sie assoziiert sind: Zu den Non-REM-Schlaf-Parasomnien gehören der Pavor nocturnus, das Schlafwandeln und die Schlaftrunkenheit.

Bei ihnen erwacht das Gehirn offenbar zum Teil aus dem Schlaf, aber nicht vollständig, weswegen Betroffene nicht ansprechbar sind, zum Teil sinnlose Dinge tun und sich hinterher meist an nichts erinnern können. Daneben gibt es die REM-Schlafassoziierten Parasomnien: Die wichtigsten sind Alpträume, die REM-Schlaf-Verhaltensstörung und die Schlaflähmung.

Wie der REM-Schlaf kommen sie hauptsächlich in der zweiten Nachthälfte vor und vielfach haben Betroffene später eine Erinnerung daran. Ebenfalls unter dem Oberbegriff Parasomnien eingeordnet werden schließlich so unterschiedliche Phänomene wie beispielsweise Bettnässen, nächtliches Zähneknirschen oder Sprechen im Schlaf.

Angstvolles Aufschrecken Weil der Non-REM-Schlaf in der ersten Nachthälfte überwiegt, treten auch die mit dieser Schlafphase assoziierten Phänomene überwiegend in dieser Zeit auf. Beim Pavor nocturnus fahren Kinder mit einem Schrei aus dem Tiefschlaf hoch, Herzschlag und Atmung sind schnell, die Haut gerötet, sie zeigen Zeichen intensiver Angst. Manche geben unverständliche Laute von sich, und manche stehen aus dem Bett auf und laufen herum.

Betroffen sind zwischen 15 und 20 Prozent aller Kinder in der ersten Lebensdekade. Nach ein paar Minuten ist alles wieder vorbei. Der Nachtschreck tritt familiär gehäuft auf, was eine genetische Veranlagung nahelegt. Schlafmangel, Stress und fieberhafte Erkrankungen können den Pavor nocturnus begünstigen.

Schlafwandeln Auch der Somnambulismus tritt überwiegend bei Kindern auf: Bis zu 30 Prozent aller Kinder zwischen vier und sechs Jahren stehen nachts auf und laufen herum, bis zur Pubertät sind es noch 17, unter Erwachsenen etwa vier Prozent. Auch hier können Schlafmangel, Stress und Fieber das Auftreten begünstigen. Aber auch von Alkohol, Medikamenten und äußeren Reizen wie lauten Geräuschen ist bekannt, dass sie als Triggerfaktoren wirken können. Sowohl beim Nachtschreck als auch beim Schlafwandeln können neben der Vermeidung der auslösenden Faktoren auch Entspannungsübungen vor dem Einschlafen hilfreich sein.

Wichtig ist zudem, die Schlafumgebung möglichst sicher zu gestalten, um die Verletzungsgefahr zu reduzieren, so die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin . Manchen Schlafwandlern gelingt es, sich durch wiederholtes Vorstellen tagsüber anzutrainieren, dass sie beim Kontakt der Füße mit dem Boden aufwachen – sie kehren dann direkt ins Bett zurück. Beim Nachtschreck können Eltern versuchen, ihr Kind regelmäßig vor der Zeit, zu der es normalerweise hochschreckt, kurz aufzuwecken und dann weiter schlafen zu lassen. Nach einer gewissen Zeit hörten so die Nachtschreck-Episoden einer Untersuchung zufolge auf.

Wenn diese Strategien nicht helfen und die unruhigen Nächte zu Beeinträchtigungen während des Tages führen, kann auch eine medikamentöse Behandlung in Erwägung gezogen werden. Mitunter fällt es schwer, Parasomnien von nächtlichen epileptischen Anfällen zu unterscheiden. Hier sind weiterführende Untersuchungen erforderlich.

Mit Schlaftrunkenheit wird schließlich ein Zustand von etwa 5 bis 15 Minuten direkt nach dem Aufwachen oder Aufwecken bezeichnet, bei dem Betroffene wach erscheinen, aber verlangsamt reagieren, desorientiert und kognitiv nur eingeschränkt leistungsfähig sind. In dieser Zeit sagen und tun sie mitunter sinnlose Dinge und können sich in aller Regel später nicht daran erinnern.

Alp oder Alb Diese Träume gibt es in beiden Schreibweisen. Auch sie suchen zumeist Kinder in der ersten Lebensdekade heim: Zwischen 10 und 50 Prozent sind betroffen; bei Erwachsenen sind es zwischen zwei und acht Prozent. Oftmals besteht eine detaillierte Erinnerung an den Traum, und oft wiederholt sich der gleiche Traum immer wieder. Alpträume treten häufig im Rahmen von posttraumatischen Belastungsstörungen oder Depressionen auf, können aber auch durch Medikamente oder Medikamenten-Entzug ausgelöst werden.

Es ist hilfreich, die Trauminhalte aufzumalen oder aufzuschreiben. Erfolgversprechend erscheint der Ansatz, sich sodann im Wachzustand alternative „gute“ Lösungen und Fortführungen der Traumgeschichte zu überlegen, diese ebenfalls aufzumalen oder aufzuschreiben und intensiv immer wieder einzuprägen. Es gibt Hinweise, dass sich auf diese Weise die Häufigkeit von Alpträumen reduzieren lässt.

REM-Schlaf-Verhaltensstörung Von dieser Form der Parasomnie sind ganz überwiegend Männer über 60 Jahre betroffen. Während unsere Muskeln während des REMSchlafs normalerweise gelähmt sind, agieren Menschen mit REM-Schlaf-Verhaltensstörung ihre Träume – die häufig von Angriff oder Flucht handeln – im Schlaf aus. Dies führt zu einer erheblichen Eigen- und Fremdgefährdung. Eine REM-Schlaf-Verhaltensstörung kann zudem ein Vorbote einer neurodegenerativen Erkrankung wie Morbus Parkinson oder einer Lewy-Body-Demenz sein. Ein Arztbesuch ist deshalb unbedingt anzuraten. Eine Behandlung mit Clonazepam oder Melatonin ist möglich.

Schlaflähmung Nach dem Aufwachen, aber auch vor dem Einschlafen sind Betroffene für einige Sekunden bis Minuten nicht in der Lage sich zu bewegen; oftmals treten zugleich Angstgefühle auf. Diese Episoden sind zwar unangenehm, aber ungefährlich. Es sollte jedoch eine Narkolepsie ausgeschlossen werden, da Schlaflähmungen auch im Rahmen dieser Erkrankung auftreten können.

Enuresis Etwa fünf Prozent aller Zehnjährigen sind nachts nicht trocken. Wenn eine gestörte Blasenfunktion ausgeschlossen werden kann, empfiehlt die DGSM, das Kind zweimal nachts zu wecken und zur Toilette zu schicken. Mit der Zeit werden die Abstände dann solange immer mehr verlängert, bis das Kind gar nicht mehr geweckt wird. Für trockene Nächte gibt es eine Belohnung.

Zähneknirschen Auch der Bruxismus, so das medizinische Fachwort, wird zu den Parasomnien gezählt. Da häufig ein Zusammenhang mit Stress besteht, können auch hier Entspannungsübungen vor dem Einschlafen hilfreich sein. Vielen Betroffenen hilft eine Aufbiss-Schiene vom Kieferorthopäden, die sie nachts tragen.

Teil 1 der Serie finden Sie hier, zu Teil 2 kommen Sie hier.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 04/15 ab Seite 100.

Dr. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin

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