Wird die Anzahl der weltweit verordneten Antibiotika nicht endlich reduziert, ist mit einer Verschärfung der Lage mit multiresistenten Keimen zu rechnen. © cioncabogdana / iStock / Thinkstock

Resistenzen | Antibiotika

TROTZ RISIKEN WELTWEIT IMMER MEHR ANTIBIOTIKA VERWENDET

Man könnte meinen, es sei mittlerweile auch beim Letzten angekommen, dass der unkritische und gehäufte Einsatz von Antibiotika zur Ausbildung von Resistenzen beiträgt. Aber eine kürzlich publizierte Studie berichtet genau das Gegenteil: Allein zwischen den Jahren 2000 und 2015 ist die Zahl der definierten Tagesdosen weltweit um 65 Prozent gestiegen.

Seite 1/1 1 Minute

Seite 1/1 1 Minute

Dr. Eili Klein vom US-Forschungszentrum CDDEP (Center for Disease Dynamics, Economics & Policy) in Washington recherchierte zusammen mit seinem Team in insgesamt 76 Ländern der Welt. In den meisten Ländern mit hohem Einkommen (HIC), wie zum Beispiel Frankreich, Neuseeland, Spanien oder den vereinigten Staaten, konnte hierbei im Vergleich zu den Jahren 2000 und 2015 ein Rückgang des Antibiotika-Einsatzes verzeichnet werden. Trotzdem konnte ein weltweiter Anstieg von ungefähr 39 Prozent ermittelt werden (unter Berücksichtigung des Bevölkerungswachstums), in absoluten Zahlen sogar ein Anstieg um 65 Prozent.

Dieser Anstieg geht vor allem auf den Antibiotikaeinsatz in Ländern mit niedrigem bis mittleren Einkommen (LMIC) zurück. So werden beispielsweise in der Türkei, Algerien oder Rumänien doppelt so viele Antibiotika verordnet wie in Deutschland (bezogen auf die jeweilige Bevölkerungszahl) – am häufigsten Breitspektrum-Penicilline. Während in den HIC-Ländern ein Rückgang der Verordnungen von Cephalosporinen (-18%), Chinolonen (-1%) und Makroliden (-25%) gezeigt werden konnte, stieg der Verbrauch auch dieser Antibiotika-Klassen in den LMIC-Ländern in 2015 im Vergleich zum Jahr 2000 um 399 Prozent, 125 Prozent beziehungsweise 119 Prozent. Weiter kann eine Schere nicht auseinandergehen.

Dr. Klein sieht jedoch vor allem den übermäßigen Einsatz von Reserveantibiotika kritisch. Ein solches antimikrobielles Arzneimittel kommt in der Regel nur nach strenger Indikationsstellung zum Einsatz. Bei beispielsweise schweren Infektionen und vorliegenden Resistenzen gegen bereits eingesetzte Antibiotika. Die gezielte Anwendung soll zum einen weitere Resistenzen vermindern. Zum anderen birgt der Einsatz oft schwerwiegende unerwünschte Wirkungen. Doch genau diese, oftmals recht neu entwickelten Stoffe wie Tigecyclin, Linezolid oder Tedizolid, werden verstärkt in Indien, Taiwan, Italien oder der Türkei eingesetzt. Bis vor kurzem galten die USA noch als größter Verbraucher, seit 2012 werden sie nun von Indien übertroffen.

Laut der Studie korrelieren die Verordnungszahlen eng mit der Wirtschaftskraft des jeweiligen Landes. Die Bedürfnisse der LMIC-Länder müssten demnach bei allen Maßnahmen berücksichtigt werden. Sofern jedoch keine globalen Gegenmaßnahmen durchgesetzt, also die Verordnungszahlen gesenkt werden, prognostiziert das Team um Dr. Klein einen weiteren Anstieg. Im Vergleich von 2015 zu 2030 sei eine dreimal höhere Zahl der definierten Tagesdosen möglich.

Farina Haase,
Apothekerin, Volontärin

Quelle: Ärzteblatt

×