Ein 3-D-Drucker in der Arzneimittelherstellung ist die Zukunft. SO lautet zumindest die Expertise der Wissenschaftler. © Iryna Imago / iStock / Getty Images Plus

Arzneiformen | Apotheke

TABLETTEN AUS DEM 3-D-DRUCKER?

Kennen Sie eine der Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts? Der 3-D-Drucker zählt auf jeden Fall dazu und könnte – so nach Ansicht vieler Pharmazeuten – in der Tablettenherstellung eingesetzt werden.

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Auf dem Weltapothekerkongress in Abu Dhabi ging es unter anderem um die Apotheke der Zukunft und ihre Arzneiformen. Der 3-D-Drucker wäre da eine adäquate Option, um wieder mehr Tabletten individuell in der Apotheke herstellen zu können. Israelischen Forschern gelang es beispielsweise dieses Jahr ein Miniherz zu drucken, amerikanische Wissenschaftler wiederum stellten Blutgefäße und Luftwege her. Auf solch eine Weise, so ist der Plan der Zukunft, könnten Spenderorgane entstehen. Also warum auch nicht Tabletten?

Es gab bereits 2015 ein erstes Arzneimittel aus dem 3-D-Drucker, dass die US-Arzneimittelbehörde FDA zugelassen hatte, die Levetiracetam-haltige Tablette Spritam® der Firma Aprecia. Es gibt einen ganz klaren Vorteil dieser Herstellungsform: Bei Zugabe von Flüssigkeit zerfällt sie in Sekundenschnelle und die Wirkung tritt schneller ein als bei herkömmlichen Levetiracetam-Tabletten. Spritam® wird mit dem ZipDose-Verfahren gedruckt: Dabei wird die Tablette schichtweise erzeugt, indem immer wieder ein Klebemittel auf eine wirkstoffhaltige Pulverschicht aufgebracht wird. „Das Arzneimittel wird aber in einer Fabrik hergestellt, nicht in der Apotheke“, erklärte Michael Anisfeld, Präsident der Beratungsfirma Globepharm Consulting aus Chicago, USA. Anisfeld gilt als führender Experte im Bereich Good Manufacturing Practice (GMP). Seiner Ansicht nach ist der 3-D-Druck aufgrund seiner vielen zu beachtenden Parameter eher eine Technik für die Pharmaindustrie unter kontrollierten Bedingungen, nicht aber für jede öffentliche Apotheke.

Die Vorteile eines 3-D-Drucks liegen klar auf der Hand. So gibt es die Möglichkeit, Polypillen mit mehreren Wirkstoffen herzustellen, passgenaue Dosierungen und Freisetzungskinetiken umzusetzen und kurze Produktionsläufe einzuhalten. Auf der noch zu klärenden Seite wiederum stehen unter anderem Fragen, die die Qualität und die Produkthaftung betreffen. Bislang gibt es keine international anerkannten regulatorischen Vorgaben, wie Herstellung und Qualitätskontrolle auszusehen haben.

Aber woran liegt das? Zum Beispiel daran, dass es derzeit nicht den einen 3-D-Drucker gibt. Vielmehr sind verschiedene Drucktechniken im Einsatz und auf dem Markt. Die Chemikerin Dr. Mary Kyobula von Astra-Zeneca sieht ebenfalls regulatorische Hürden, ist jedoch von dem Potenzial des 3-D-Druckers in der Apotheke überzeugt. Für sie ist ein solches Verfahren deutlich flexibler als das bisherige Pressen einer Tablette: „Beim 3-D-Druck braucht es nur Minuten, um die Parameter und damit Dosis und Freisetzungskinetik der Tablette zu adjustieren“, so die Chemikerin.  Ein solches Verfahren birgt die Möglichkeit, individuelle Tabletten, beispielsweise für Kinder oder Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion in kurzer Zeit herzustellen, sogar während der Patient noch in der Apotheke wartet.

Andere Pharmazeuten, wie der spanische Krankenhausapotheker Dr. Josep Guiu Segura von der Universität Barcelona sieht zudem Vorteile bei komplexen Therapieregimen, Wirkstoffen mit niedrigem therapeutischem Index oder Orphan Diseases. Aufgrund von kleineren Arzneiformen und durch eine angepasste Dosis könnte die Adhärenz verbessert werden. Zudem bestünde die Option einen QR-Codes auf der obersten Schicht der Tablette anzubringen, um so eine bestimmte Fälschungssicherheit zu gewährleisten. Er ist allerdings davon überzeugt, dass künftig nicht jeder Apotheker zum Technologen wird, sondern vielmehr gemeinsam mit biomedizinischen Ingenieuren im Krankenhaus arbeitet.

Dr. Ahmed Zidan von der FDA sieht ebenfalls eine Chance für Tabletten aus dem 3-D-Drucker – besonders im Bereich niedrig dosierter Wirkstoffe und der personalisierten Arzneimitteltherapie. Dadurch würde die Möglichkeit bestehen, Faktoren wie Alter, Gewicht, Größe, Nierenfunktion, Geschlecht und Ethnie zu berücksichtigen. Die Bereiche Herstellung und Qualitätskontrolle seien jedoch alles andere als banal. Der Wissenschaftler arbeitet als Pharmakologe am Center for Drug Evaluation and Research der FDA und beschäftigt sich dort mit dem 3-D-Druck aus regulatorischer Sicht. „Noch ist unklar, wie wir die Qualität garantieren können“, so seine Einschätzung. „Die Technik steckt noch in den Kinderschuhen. Der 3-D-Druck in der Arzneimittelherstellung wird kommen, nicht in den nächsten fünf Jahren, aber vielleicht in den nächsten zehn bis 15 Jahren.“

Nadine Hofmann,
Leitung Online-Redaktion

Quelle: Pharmazeutische Zeitung

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