Thrombozyten in der Blutbahn
Thrombozyten können mehr als Wunden schließen. © PhonlamaiPhoto / iStock / Getty Images Plus

Phänomen | Autoimmunerkrankungen

SUPERKLEBER ODER BÖSEWICHT: BLUTPLÄTTCHEN KURBELN AUCH ENTZÜNDUNGEN AN

Blutplättchen sind quasi der organische Sekundenkleber für blutende Verletzungen. Jetzt kam heraus, dass sie anscheinend ein geheimnisvolles Doppelleben führen. Wie deutsche und brasilianische Wissenschaftler herausfanden, können sie auch Entzündungsprozesse in unserem Körper erheblich verstärken.

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So recht erklären konnte sich das jahrelang kein Arzt: Bei Malaria-Patienten korrespondierte die Anzahl ihrer Blutplättchen mit ihren Interleukinen IL-1 – je mehr, umso zahlreicher waren die Entzündungsbotenstoffe im Blutplasma. Die Wissenschaftler prüften diesen Effekt mit Mäusen und auch hier zeigte sich: Bei künstlicher Verringerung der Blutplättchen schütteten sie deutlich weniger IL-1 aus.

Doch wie kam das? Lange Zeit schien alles klar: Die einzige Aufgabe von Blutplättchen war, sich an eine Wunde zu heften und diese zuverlässig und schnell zu verschließen. Das funktionierte auch hervorragend. Doch schon bald schöpften die Forscher Verdacht: Die kleinen Zellen von der Größe eines Darmbakteriums könnten auch mit den weißen Blutzellen, den Leukozyten, korrespondieren, so dass diese fleißig Entzündungsbotenstoffe ausschütten. „Möglicherweise trägt dieser Effekt zu dem oft schweren Verlauf sogenannter Autoimmunerkrankungen bei“, erklärt Professor Dr. Bernardo Franklin vom Institut für angeborene Immunität am Universitätsklinikum Bonn. „Das sind Erkrankungen, bei denen die Immunabwehr körpereigenes Gewebe attackiert und zerstört.“

Dazu nahmen die Wissenschaftler einen wichtigen Immun-Mechanismus unter die Lupe: Die Bildung und Aktivierung des Inflammasoms NLRP3. Diese molekulare Maschine ist in der Lage, inaktive Entzündungsbotenstoffe in eine aktive Form umzuwandeln, zum Beispiel das Interleukin IL-1. Taucht das auf, startet der Körper eine starke Entzündungsreaktion. Weil diese so heftig ausfällt, wird die Aktivität der Inflammasome streng reguliert.

Dieser Mechanismus führt dazu, dass der Botenstoff den Verlauf von Autoimmun-Krankheiten deutlich verschlechtert. Ihn zu verstehen und in ihn einzugreifen, könnte den Weg zu neuen Therapien gegen Erkrankungen wie Rheuma und Diabetes ebnen. Professor Franklin wendet sich allerdings gegen die Annahme, Blutplättchen seien einzig und allein Bösewichte: Sie greifen auch auf anderen Wegen in die Immunabwehr ein. Zum Beispiel indem sie verhindern, dass nach einer Infektion eine lebensbedrohliche Sepsis entsteht.

Alexandra Regner,
PTA und Journalistin

Quelle: Deutsches GesundheitsPortal

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