Um suchtkranke ältere Menschen in Altenheimen gut betreuen zu können, ist ausreichendes Personal notwendig. © AlexRaths / iStock / Getty Images Plus

Altenpflege | Suchtprobleme

SUCHTPROBLEME WERDEN IN DER ALTENPFLEGE VERNACHLÄSSIGT

Etwa 30 Millionen Packungen Schlaf- und Beruhigungsmittel werden jährlich in Deutschland verkauft und Millionen Menschen in Deutschland sind abhängig von den Mitteln. Auch Alkohol zählt dazu. Vernachlässigt werden hierbei vor allem Betroffene in Altenheimen, wie nun Experten kritisieren.

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„Heime müssen ein Problembewusstsein entwickeln“, erklärte der Bonner Pflegeforscher und Geriater Dr. Dirk K. Wolter. Das gelte auch in Bezug auf Schlaf- und Beruhigungsmittel. „Es geht um Aufklärungskonzepte, ein Warnsystem und eine intensive Zusammenarbeit mit Hausärzten», so der Pflegeforscher. „Ich bin schon der Meinung, dass in den Heimen Menschen mit alkoholbezogenen Störungen stärker in den Blick genommen werden müssen», stimmte die Mannheimer Gerontologin und Psychologin Professor Dr. Martina Schäufele ihrem Kollegen zu.

Studien von Schäubele und ihrem Kollegen Professor Dr. Siegfried Weyerer zufolge gibt es große Unterschiede innerhalb der Altenheime, was den Anteil alkoholkranker Menschen betrifft. In manchen Einrichtungen sind gar keine Alkoholiker zu finden und in manchen Heimen liegt der Anteil bei bis zu 30 Prozent.

Pflegeexperte Andreas Kutschke ist der Ansicht, dass dieses Thema deutlich stärker in der Altenpflege thematisiert werden müsste. Während der Ausbildung wird dieser Punkt überhaupt nicht behandelt. Kritik übt er auch darin, dass in seinen Augen zu häufig das Thema Verbesserungen für Demenzkranke im Fokus steht: „Wir haben aber auch Probleme mit anderen Gruppierungen: depressive Senioren, alkoholkranke Senioren, von Beruhigungsmitteln abhängige Senioren.“

Genau bei diesem Problem wirft der Pflegeschutzbund BIVA das personelle Dauerdilemma in der Altenpflege in den Ring: „Um alkoholkranke Heimbewohner gut betreuen zu können, braucht es genügend Personal. Auf einer chronisch unterbesetzten Station darf nicht schlimmstenfalls sogar die ermüdende Wirkung von Alkohol billigend in Kauf genommen werden, damit die Bewohner nachts durchschlafen.“

Wenn die Experten davon sprechen, dass die Thematik Sucht vernachlässigt wird, geht es nicht darum, Alkohol grundsätzlich aus Altenheimen zu verbannen. „Alkohol komplett auszuschließen ist eher unüblich», erklärt ein Sprecher des Pflegeschutzbundes BIVA. Natürlich können die Bewohner mal das ein oder andere Bier oder ein Glas Wein trinken. Auch bei besonderen Anlässen gibt es in Pflegeheimen Alkohol zum Anstoßen. Ein expliziter Ausschluss innerhalb des Heimgeländes kann aber von den jeweiligen Einrichtungen nicht ausgeschlossen werden. Es ist allerdings notwendig, diesen Punkt innerhalb eines Vertrages oder der Hausordnung festzuhalten. Wurde dies nicht explizit vorgenommen, gilt in allen Einrichtungen das grundsätzliche Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, auf Selbstbestimmung und somit auch auf selbstschädigendes Verhalten. Es ist dann nicht möglich, das Trinken zu verweigern, solange Dritte nicht beeinträchtigt werden.

Nadine Hofmann,
Leitung Online-Redaktion

Quelle: Pharmazeutische Zeitung

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