Husten
STURM IN DEN BRONCHIEN
Seite 1/1 8 Minuten
Husten ein wichtiger Schutzreflex und ein Alarmsignal des Körpers. Er befreit die Bronchien von Staubkörnern, Krankheitserregern, Rußpartikeln und anderen Verunreinigungen. Durch die Kontraktion von Zwerchfell, Zwischenrippen- und anderen an der Atmung beteiligten Muskeln erreicht die ausgestoßene Luft Geschwindigkeiten von bis zu mehreren Hundert Stundenkilometern. Dies ist möglich, weil das Ausatmen gegen die geschlossenen Stimmritzen eingeleitet wird.
Im Brustkorb entwickelt sich daraufhin ein hoher Druck, der sich beim plötzlichen Öffnen der Stimmritzen durch explosionsartigen Husten entlädt. Die Besonderheit des Schutzreflexes besteht darin, dass er sich auch willkürlich hervorrufen oder unterdrücken lässt. Man kann demnach einen mäßig starken Reiz, der zu einem unangemessenen Zeitpunkt auftritt, zumindest über einen gewissen Zeitraum unter Kontrolle halten.
Beratung ist nötig Husten ist meist keine eigenständige Erkrankung, sondern tritt als Symptom bei
verschiedenen Leiden auf. Erst wenn der Husten chronisch ist, ohne dass man eine zugrunde liegende Ursache findet, geht man von einem unabhängigen Krankheitsbild aus. Klagen Kunden in der Apotheke
über Husten, ist es Ihre Aufgabe herauszufinden, ob eine Selbstmedikation möglich ist oder ein Arztbesuch sinnvoll wäre. Häufig suchen Personen mit einem banalen Erkältungshusten Ihren Rat: Die Hustenrezeptoren sind dabei aufgrund eines viralen Angriffs gereizt.
Das zuständige Zentrum im Gehirn veranlasst zunächst einen trockenen Reizhusten, der nach zwei bis drei Tagen in einen schleimigen Auswurf übergeht. Haben die Viren die unteren Atemwege befallen, entzünden sich die Bronchien – man spricht nun von einer akuten Bronchitis. Zunächst stellen die Becherzellen der Bronchialschleimhaut ein Sekret her, welches der Umschließung von Fremdkörpern dient. Durch die Flimmerhärchen wird dieses mitsamt den Viren und abgestorbenen Gewebezellen aus dem Organismus heraus befördert.
Liegt jedoch viel zähflüssiger Schleim vor, ist die Beweglichkeit der Zilien eingeschränkt. Die Bronchialschleimhaut ist geschwollen und gerötet, die Atemwege verstopfen und es entwickelt sich ein schmerzhafter Husten. Nach ein paar Tagen wird der Schleim wieder dünnflüssiger und lockerer, sodass das Sekret leichter ausgestoßen werden kann (produktiver Husten). Die Beschwerden verbleiben etwa eine Woche und enden in einem trockenen Reizhusten.
Aufgrund der unterschiedlichen Krankheitsstadien ist eine phasengerechte Behandlung erforderlich. Abhängig von der Symptomatik sollten Sie Ihren Kunden entweder einen Schleimlöser oder einen Hustenstiller empfehlen. Tritt nach spätestens zehn Tagen noch immer keine Verbesserung ein, liegt unter Umständen eine bakterielle Infektion vor. Da in diesen Fällen die Verschreibung eines Antibiotikums in Betracht kommt, sollten Betroffene unbedingt einen Arzt konsultieren. Von einer chronischen Erkrankung spricht man, wenn die Symptome mehr als acht Wochen bestehen. Als Auslöser kommen wiederkehrende Atemweginfektionen sowie andere Erkrankungen, zum Beispiel Asthma, Herzinsuffizienz oder Reflux in Betracht.
Anatomie Zu den Atmungsorganen gehören die Nase, die Nasennebenhöhlen und die Mundhöhle (obere Atemwege) sowie die Luftröhre, die Bronchien und die Lunge (untere Atemwege). Die Luft strömt beim Einatmen zunächst in die oberen Atemwege. Sie wird in der Nase erwärmt, befeuchtet und gefiltert. Der Kehlkopf befindet sich mitsamt des Kehlkopfdeckels (Epiglottis) am Übergang von den oberen zu den unteren Atemwegen. Von diesem Punkt gehen sowohl Speise- als auch Luftröhre ab.
Der Kehlkopfdeckel dichtet beim Schlucken von Nahrung die Luftröhre ab, sodass der Speisebrei ausschließlich in die Speiseröhre fließt. Die Luft hingegen gelangt durch die Luftröhre in die Bronchien. Diese bilden den Übergang zur Lunge und enden als kleine Verästelungen in den Lungenbläschen
(Alveolen). Sowohl die Luftröhre als auch die Bronchien sind mit Zilien ausgekleidet, welche sich permanent in Richtung Mund bewegen und auf diese Weise Fremdkörper und Sekret ausstoßen. In der
Lunge befinden sich über 300 Millionen Lungenbläschen. Beim Einatmen nehmen sie die Atemluft auf
und liefern den darin enthaltenen Sauerstoff an das Blut, um den Organismus ausreichend zu versorgen. Als Abfallprodukt des Stoffwechsels fällt Kohlendioxid an, das über die Atmung den Körper verlässt.
Wichtige Fragen Ein allgemeines Krankheitsgefühl, eine erschwerte Atmung – Husten sowie eine erhöhte Schleimproduktion gehören zu den Beschwerden einer akuten Atemwegsinfektion. Der Leidensdruck ist hoch: Tagsüber stört der lästige Husten, nachts verhindert er einen erholsamen Schlaf. Betroffene wünschen sich eine rasche und wirkungsvolle Hilfe, welche die Hustenanfälle reduziert, den festsitzenden Schleim löst und die Atmung erleichtert.
Bei der Beratung rund um das richtige Hustenmedikament ist zunächst zu erfragen, wer erkrankt ist, wie alt der Patient ist und ob eine Schwangerschaft vorliegt. Im nächsten Schritt sind die Beschwerden näher zu betrachten: Wie lange besteht der Husten bereits? Ist er trocken oder verschleimt? Äußern sich die Symptome eher nachts oder am Tage?
Das richtige Mittel Nächtlicher Husten deutet meist auf einen trockenen Erkältungshusten hin, während ein Husten mit Auswurf beispielsweise mit einer akuten oder chronischen Bronchitis oder einem Raucherhusten in Zusammenhang steht. Denken Sie auch daran, sich nach Begleitsymptomen wie Fieber, Schnupfen oder Halsschmerzen sowie nach weiteren Krankheiten zu erkundigen. Hat sich im Beratungsgespräch herausgestellt, dass der Kunde zähflüssigen Schleim produziert, den er schwer abhusten kann, können Sie Expektoranzien empfehlen: Sekretolytika aktivieren die Herstellung dünnflüssigen Sekrets.
Sekretomotorika hingegen erhöhen die Schlagfrequenz der Zilien und fördern somit den Abtransport des Auswurfs. Mukolytika beeinflussen die Konsistenz des Schleims, sodass
dieser dünnflüssiger wird. Häufig verfügen Expektoranzien über mehrere Wirkansätze. Auch eine klare Trennung von Hustenstillern und Hustenlösern ist nicht immer möglich.
SYMPTOME
Beim Husten handelt es sich um ein multifaktorielles, komplexes Wirkgeschehen, das mit vielfältigen
Symptomen einhergeht. Dazu zählen:
- Beschwerden beim Husten und beim Einatmen
- Entzündungen der Bronchien
- hartnäckiger Husten
- festsitzender Schleim.
Therapie Bromhexin, Ambroxol, N-Acetylcystein (ACC) sowie Guaifenesin sind chemische Expektoranzien, die das Abhusten erleichtern, indem sie das Sekretvolumen steigern und die Viskosität des Schleims herabsetzen. Ambroxol und Bromhexin regen zusätzlich die Zilienbewegung an. Wichtig ist, dass Sie Betroffene, die ACC und gleichzeitig Penicilline oder Cephalosporine anwenden, darauf hinweisen, dass sie zwischen den Einnahmen einen zeitlichen Abstand von mindestens zwei Stunden einhalten müssen.
Phytotherapeutika Auch pflanzliche Zubereitungen, vor allem saponinhaltige Extrakte (wie Efeublätter, Süßholzwurzel, Primelwurzel oder Spitzwegerichkraut), werden häufig einzeln oder als Kombinationsmittel bei Husten eingesetzt. Sie eignen sich gleichermaßen für Säuglinge, Kinder,
Jugendliche und Erwachsene. Darüber hinaus sind Zubereitungen mit ätherischen Ölen wie Thymian-,
Pfefferminz-, Eukalyptus- oder Kiefernnadelöl sowie deren isolierte Bestandteile gegen Husten wirksam.
Die Präparate stehen als Säfte (auch alkoholfrei), Brausetabletten, Kapseln, Zäpfchen oder Tropfen zur Verfügung. Einige Wirkstoffe dienen der äußerlichen Anwendung und können inhaliert oder als Balsam zum Einreiben verwendet werden. Vorsicht ist allerdings bei Säuglingen und Kleinkindern geboten: Sie reagieren auf ätherische Öle unter Umständen mit lebensgefährlichen Verkrampfungen des Kehlkopfs. Was Ihre Kunden außerdem wissen sollten: Die letzte Einnahme eines Schleimlösers sollte spätestens gegen 16 Uhr erfolgen, damit der nächtliche Schlaf nicht durch das Abhusten
beeinträchtigt wird.
Besonders der Efeuextrakt wurde bislang sehr gut untersucht: Er enthält unter anderem das Saponin alpha-Hederin, welches die Herstellung von Surfactant in den Alveolen steigert und auf diese Weise den zähen Schleim verflüssigt. Außerdem erweitert er die Bronchialmuskulatur und erleichtert dadurch das Abhusten.
Hustenstiller Bei trockenem Reizhusten sind Antitussiva Mittel der Wahl. Sie reduzieren den Husten, unterdrücken den Reflex jedoch nicht vollständig, weil der (in geringer Menge) vorhandene Schleim bei
Bedarf dennoch abgehustet werden muss. Wirkstoffe wie Dextromethorphan oder Pentoxyverin sind verschreibungsfrei erhältlich. Opioide wie Codein, Dihydrocodon oder Noscapin binden an die Opioidrezeptoren im Hustenzentrum und erhöhen die Reizschwelle. Auch Dextromethorphan zählt zu den zentral wirksamen Antitussiva und darf als einziges von ihnen ohne Rezept abgegeben werden.
Bei der Auswahl der Medikamente ist zu beachten, dass Hustenstiller nicht zeitgleich mit Hustenlösern eingenommen werden sollten – die Kombination der Arzneimittel kann im schlimmsten Fall einen Sekretstau verursachen, wodurch Krankheitserreger ein leichtes Spiel hätten. Die Einnahme von Hustenlösern ist demnach tagsüber, die Anwendung der Hustenstiller zur Nacht üblich.
COPD Betroffene von „Chronic Obstructive Pulmonary Disease“ leiden unter verengten Atemwegen
und permanent entzündeten Bronchien. Beim Lungenemphysem sind die Lungenbläschen und die Bronchiolen zusätzlich „überbläht“. Eine COPD entsteht schleichend und geht, wie die Asthma-Erkrankung, mit der sogenannten AHA-Symptomatik (Auswurf, Husten, Atemnot) einher. Sowohl bei Asthma als auch bei COPD bekommen die Patienten aufgrund der verengten Atemwege schlecht Luft.
»Bei der Beratung rund um das richtige Hustenmedikament ist zunächst zu erfragen, wer erkrankt ist, wie alt der Patient ist und ob eine Schwangerschaft vorliegt.«
Behandlung Bei COPD werden Bronchodilatatoren wie Beta-2-Sympathomimetika oder Anticholinergika zur Erweiterung der Atemwege verordnet. In fortgeschrittenen Stadien erhalten Betroffene außerdem Glukokortikoide, um die Entzündung der Schleimhäute zu reduzieren. Die Wirkstoffe befinden sich in Dosieraerosolen oder Pulverinhalatoren. Schleimlösende Präparate fördern zusätzlich das Abhusten von zähem Sekret. Reliever (Erleichterer) sind Bedarfs- oder Notfallmedikamente, die bei Asthma zum Einsatz kommen. Es handelt sich dabei um schnell wirksame Beta-2-Sympathomimetika.
Controller hingegen dienen der Vorbeugung von Anfällen und werden täglich angewendet. Zu dieser Gruppe gehören entzündungshemmende Kortikoide oder Glukokortikoide. Voraussetzung für die optimale Wirksamkeit der unterschiedlichen Substanzen ist die richtige Handhabung der Applikationssysteme. Erklären Sie daher Ihren Kunden den Umgang mit entsprechenden Inhalatoren.
Tipps für die Beratung Es ist wichtig, dass Betroffene viel trinken. Sinnvoll sind Hustentees (z. B. mit Thymian), denn sie verflüssigen den festsitzenden Schleim und verbessern die Symptome. Außerdem
befeuchten warme Dämpfe (am besten Kamillenblüten oder ätherische Öle mit Pfefferminze, Menthol
oder Eukalyptus) die Atemwege und befreien sie vom Sekret. Stört der Husten die Nachtruhe, können Hustenstiller sowie Hausmittel wie Honig vorübergehend Linderung bringen. Raucher sollten zumindest während des Infekts das Qualmen einstellen, denn es begünstigt geradezu den Räusperzwang und den Dauerhusten.
Hinzu kommt, dass die Bronchialschleimhaut durch die Erkältung ohnehin angegriffen ist und die Tabakgifte daher noch leichter in den Organismus eindringen können. Wenn der zum Schluss der Erkältung auftretende Reizhusten einfach nicht nachlassen will, empfehlen
Sie Ihren Kunden am besten Hustenbonbons oder Pastillen. Sie aktivieren den Speichelfluss und
befeuchten die strapazierten Atemwege.
Exkurs: Mukoziliäre Clearance Der Organismus verfügt über ein eigenes System zur Selbstreinigung der
Bronchien. Die Atemwege sind mit einem respiratorischen Epithel ausgekleidet, eine spezielle Zellschicht mit Flimmerhärchen, die von einer dünn- und dickflüssigen Schleimschicht eingeschlossen ist. In der zähen Schicht werden Fremdstoffe und Mikroorganismen, die über die Luft in den Körper gelangen, gefiltert. Die Zilien führen in der dünnflüssigen Schicht Bewegungen in Richtung des Rachens aus und transportieren auf diese Weise das dickflüssige Sekret mitsamt der unerwünschten Partikel ab.
Daraufhin wird der Mukus entweder abgehustet oder verschluckt und von der Magensäure zerstört. Damit der Reinigungsmechanismus gut funktioniert, muss die Zusammensetzung des Schleims aus einem zähen, viskosen Anteil und einer flüssigeren Komponente stimmen. Im Rahmen einer Erkältung schwellen die Schleimhäute allerdings an, wodurch es zunächst zu Atemproblemen kommt. Es entsteht ein unproduktiver, trockener Husten, erst nach wenigen Tagen bildet der Körper einen zähen Auswurf.
Gegen diesen festsitzenden Schleim kommen die Zilien nicht mehr an, sodass der Selbstreinigungsmechanismus gestört ist. Durch eine Überlastung der Mukoziliären Clearance oder durch eine Schädigung der Flimmerhärchen, zum Beispiel durch einen Infekt oder durch Rauchen, entwickelt sich unter Umständen ein schmerzhafter Husten
Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 11/15 ab Seite 58
Martina Görz, PTA und Fachjournalistin (FJS)