Tatort Apotheke
STICKSTOFFDONATOREN UND SILDENAFIL
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Ein Kunde, um die 60 Jahre alt, betritt die Apotheke, er legt der PTA einen Zettel über ein potenzförderndes homöopathisches Mittel vor. In der Kundenkartei existiert kein Eintrag. Rasch holt die PTA das Präparat und legt es diskret vor den Patienten auf den HV-Tisch.
Da gerade kein anderer Kunde in der Apotheke ist, fragt sie mutig und mit etwas gesenkter Stimme, ob er diese Tabletten zum ersten Mal kaufe und über die Einnahme Bescheid wisse. Etwas unsicher verneint der Kunde und sagt, er wolle das Mittel einmal ausprobieren, aber er wüsste auch gerne, ob denn sonst Sildenafil besser sei.
Zunächst erkundigt sich die PTA, ob der er noch andere Medikamente einnimmt und irgendwelche Vorerkrankungen hat. Der Kunde berichtet von seiner Diabetes-Erkrankung. Außerdem nehme er einige Tabletten für das Herz ein. Auf dem mitgebrachten Medikationsplan sieht die PTA auch Molsidomin-Tabletten. Sie führt einen Interaktionscheck mit Sildenafil durch und erhält im Computer die Warnmeldung: Schwerwiegende Folgen, wahrscheinlich kontraindiziert.
Pharmakologischer Hintergrund Sildenafil zählt zur Gruppe der Phosphodiesterase-5-Hemmer. Ursprünglich wurden diese Wirkstoffe wegen ihrer gefäßerweiternden Wirkung für die Therapie der Angina pectoris entwickelt. Heute werden sie insbesondere bei der erektilen Dysfunktion und gegen die pulmonale Hypertonie eingesetzt. Phosphodiesterasen sind Enzyme, die für den Abbau der Botenstoffe cGMP und cAMP verantwortlich sind. Auf Stimulation von Stickstoffmonoxid hin wird cGMP gebildet, welches zu einer Erschlaffung der glatten Muskulatur der Gefäße und damit zu einer Erweiterung führt.
Wirkstoffe wie Sildenafil verlängern die vasodilatierende Wirkung des cGMP und verbessern die Durchblutung und Erektionsfähigkeit des Penis. Bei der Kombination mit NO-Donatoren wie zum Beispiel Molsidomin zur Behandlung der koronaren Herzkrankheit kann der Blutdruck durch die starke gefäßerweiternde Wirkung extrem abfallen. Ohnmachtsanfälle sind möglich.
Reflexartig stimuliert dann der Sympathikus die Herzfunktion und kann so zu lebensbedrohlichen Effekten führen. Patienten die NO-Donatoren einnehmen – dazu zählen Glyceroltrinitrat, Isosorbidmono-/-dinitrat und Molsidomin – sollten keine Phosphodiesterase-5-Hemmer ohne ärztliche Überwachung bekommen. Übrigens betrifft diese Wechselwirkung alle Darreichungsformen und Indikationen der beiden Wirkstoffgruppen – also auch nitrathaltige Salben, die bei der Behandlung von Analfissuren zum Einsatz kommen.
Zurück zum Fall Die PTA erläutert dem Kunden, dass die Beschwerden zum Beispiel mit der Diabetes-Erkrankung im Zusammenhang stehen könnten. Das homöopathische Mittel könne er problemlos ausprobieren, doch generell sei es sinnvoll, die Ursache der Probleme ärztlich abklären zu lassen.
Die PTA erklärt ihm, dass er am besten Rücksprache mit einem Facharzt oder dem Hausarzt nehmen sollte. Wenn er dazu einen Medikationsplan mitnehme, auf dem alle eingenommenen Medikamente aufführt sind, könne der Arzt die bestehenden Vorerkrankungen und die Dauermedikation bei der Auswahl einer Therapie beachten.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 07/15 auf Seite 27.
Dr. Katja Renner, Apothekerin