Wer ist dicker - die ländliche Bevölkerung oder Städter? Eine neue Studie geht den Antworten auf den Grund. © Christoph SIphotography / iStock / Getty Images Plus

Meta-Analyse | Umkehrung

STADT ODER LAND: WELCHE BEWOHNER SIND DICKER?

Dass die Menschen immer dicker werden, ist ja bekannt: Weltweit hat die Zahl der Übergewichtigen im Laufe der Jahrzehnte stetig zugenommen. Bisher glaubte man, dies beträfe hauptsächlich die Stadtbewohner. Eine neue Studie räumt nun mit diesem Irrglauben auf.

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Gerade die Bewohner ländlicher Regionen haben in den vergangenen drei Jahrzehnten erheblich an Gewicht zugelegt. Zu diesem Ergebnis kam ein internationales Wissenschaftlerteam vom Imperial College in London. Es führte eine umfangreiche Meta-Analyse durch und wollte wissen: Wie hat sich der Body Mass Index (BMI) weltweit im Zeitraum von 1985 bis 2017 verändert? Dazu werteten die Forscher insgesamt 2009 Studien mit BMI-Daten von mehr als 112 Millionen Erwachsenen aus 200 Ländern aus. Global gesehen ist der BMI in den letzten 30 Jahren im Schnitt um zwei Einheiten bei Frauen und um 2,2 Einheiten bei Männern gestiegen: Das entspricht einer durchschnittlichen Gewichtszunahme jedes Menschen von fünf bis sechs Kilogramm.

Überraschend an den Ergebnissen: Entgegen der gängigen Annahme ist dieser Anstieg nicht nur durch Entwicklungen im städtischen Bereich zu erklären – im Gegenteil. Mehr als 55 Prozent des globalen BMI-Anstieges geht auf ländliche Populationen zurück. Der Trend, dass bisher Stadtbewohner dicker waren als Landbewohner, scheint sich also umzukehren. Die Auswertungen enthüllten außerdem: In allen Industrienationen mit hohem Einkommen ist der durchschnittliche BMI auf dem Land schon jetzt höher als in der Stadt. Majid Ezzati, ein an der Studie beteiligter Wissenschaftler, erklärt das so: „Diskussionen über die öffentliche Gesundheit betonen meist die negativen Aspekte des Stadtlebens. Doch tatsächlich bieten Städte viele Möglichkeiten, sich gesund und vielfältig zu ernähren und sportlich aktiv zu sein. Solche Dinge sind auf dem Land schwieriger.“ Zudem verfügten Menschen auf dem Land häufig über ein geringeres Einkommen und weniger Zugang zu Bildung – besonders gut zu beobachten sei dies in Tschechien, deren weibliche Landbewohner einen um rund eine Einheit höheren BMI als weibliche Städter haben.

Die ländlichen Regionen in Staaten mit niedrigem oder mittlerem Einkommen haben die Städter in Sachen Fettleibigkeit zwar noch nicht überholt, sind aber auf dem besten Weg dorthin. Menschen fahren vermehrt mit dem Auto, arbeiten weniger körperlich. „Wenn der Wohlstand steigt, verändert sich die Herausforderung für die ländliche Bevölkerung: von überhaupt genug zu essen zu bekommen hin dazu, sich qualitativ hochwertige Nahrung leisten zu können.

Dass Übergewicht hauptsächlich ein Stadtproblem ist, ist also ein Mythos. Die Wissenschaftler nennen dies eine fundamentale Erkenntnis, denn bisher liegt der Fokus bei der Bekämpfung von Übergewicht hauptsächlich auf der Stadt. Man brauche also dringend Ansätze, um den Menschen auf dem Land physischen und finanziellen Zugang zu gesunden Nahrungsmitteln zu verschaffen. Besonders in armen Nationen werde die Unterernährung sonst durch Mangelernährung durch den exzessiven Konsum minderwertiger Kalorien ersetzt.

Alexandra Regner,
PTA und Journalistin

Quelle: www.wissenschaft.de  

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