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Leicht zu lesen

SCHWERE SPRACHE

Deutsch wird gemeinhin als schwere Sprache bezeichnet – und was ihre Grammatik betrifft, etwa die Möglichkeit, extrem lange Komposita zu bilden, stimmt das vielleicht auch.

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Kennen Sie das auch? Den Ausdruck „Deutsche Sprache – schwere Sprache“? Vielleicht haben Sie in Ihrem Bekanntenkreis ja auch Personen, die Deutsch als Fremdsprache erlernt haben und berichten können, welche Probleme sie dabei anfangs zu bewältigen hatten, etwa mit den schwierigen Deklinationsregeln, bei denen sich nicht nur die Endung, sondern auch der Wortstamm ändern kann, den drei Genera oder den seltsamen zusammengesetzten Substantiven , die scheinbar endlos wachsen können, ohne dass man Bindestriche oder Leerzeichen einfügen müsste.

Im Gegensatz zu der Komplexität der grammatikalischen Struktur unserer Sprache ist aber der Zusammenhang zwischen ihrer orthografischen und phonologischen Struktur, also zwischen der Schrift- und der gesprochenen Form, besonders einfach, weswegen Kinder, die lernen sollen, Englisch zu lesen, dazu deutlich länger brauchen als Gleichaltrige, die Deutsch lesen lernen. Die Ursache hierfür liegt nicht etwa in unterschiedlicher Intelligenz begründet, sondern in der Art und Weise, wie Gehirne lesen lernen.

Hierbei muss der geschriebene Text zunächst gesehen und die visuelle Information analysiert werden: Dies geschieht im visuellen Kortex. Er erkennt die Wörter (als Bilder, nicht inhaltlich!) und zerlegt sie in Silben und Buchstaben. Eine zentrale Leistung beim Lesen ist nun, die Struktur der einzelnen Silben den dazugehörigen Bestandteilen der gesprochenen Sprache zuzuordnen, also in der Silbenstruktur der Schriftsprache die phonologische Struktur der gehörten Sprache zu erkennen.

Dieser Analyseschritt, der als „Graphem-zu-Phonem-Dekodierung“ bezeichnet wird, findet in der temporo-parietalen Region statt, einem Bereich der (linken) Großhirnrinde, der unter anderem das Wernicke-Areal beinhaltet, welches auch als sensorisches Sprachzentrum bezeichnet wird. Er gilt als Grundvoraussetzung für das Erlernen einer normalen Lesekompetenz und ist gestört, wenn dem Leseschüler die so genannte phonologischen Bewusstheit fehlt, also die Erkenntnis, dass Sprache aus einzelnen Segmenten besteht, denen einzelne Phoneme, also Laute der gesprochenen Sprache, zugeordnet werden können.

Tatsächlich ist eine mangelhafte phonologische Bewusstheit bei Schülern der stärkste Prädiktor für eine spätere Leseschwäche bis hin zu Analphabetismus und daher müssen Lesetrainingsprogramme auch genau hier ansetzen, will man diesen Kindern helfen.

Da nun die Beziehung zwischen Graphemen und Phonemen im Deutschen viel einheitlicher ist als im Englischen (man schreibt Deutsch im Wesentlichen so, wie man es spricht), fällt Deutsch-Lernern das Erlernen dieses Zusammenhangs leichter als Englisch lernenden Kindern. Ob dies aber auch der Grund dafür ist, dass Statistiken im deutschsprachigen Raum etwas weniger Analphabeten ausweisen als im englischsprachigen oder ob dies eher Unterschiede in den Bildungssystemen reflektiert, bleibt vorerst unklar – so sehen Sie das sicher auch …

ZUR PERSON

Prof. Dr. Holger Schulze
Hirnforscher
Holger.Schulze@uk-erlangen.de

Prof. Dr. Schulze ist Leiter des Forschungslabors der HNO-Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg
sowie auswärtiges wissenschaftliches Mitglied des Leibniz-Instituts für Neurobiologie in Magdeburg.
Seine Untersuchungen zielen auf ein Verständnis der Neurobiologie des Lernens und Hörens.
www.schulze-holger.de

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 11/13 auf Seite 12.

 


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