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Heilpflanzen

SCHÖLLKRAUT

Die Alchemisten des Mittelalters schätzten das Schöllkraut und versuchten aus seinem gelben Saft Gold herzustellen. Heute wird die Heilpflanze oftmals als Unkraut verkannt und ist nur selten in Gebrauch.

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Chelidonium majus L. wächst als typische Ruderalpflanze in der Nähe menschlicher Behausungen an Mauern, Wegrändern und auf Schuttplätzen. Je nach Standort wird sie 30 Zentimeter bis über einen Meter hoch. Aus einem dicken Wurzelstock treiben ein oder mehrere runde leicht behaarte, verzweigte Stängel. Die gefiederten Blätter sind unterseits blaugrün und erinnern mit ihrem buchtigen oder gekerbten Blattrand an Eichenblätter. Zwischen April und Oktober erscheinen unermüdlich gold-gelbe Blüten, die charakteristischerweise nur vier Blütenblätter besitzen, angeordnet in endständigen Dolden.

Vielerlei Namensdeutungen Auf die lange Blütezeit soll der Gattungsname Chelidonium zurückzuführen sein. Er stammt von chelidon = Schwalbe und soll zum Ausdruck bringen, dass die Pflanze zur Zeit des Eintreffens der Schwalben zu blühen beginnt und bei ihrem Wegzug verblüht. Der deutsche Name Schöllkraut ist vermutlich dem griechisch-lateinischen Chelidonium entlehnt.

Eine andere Erklärung führt den heutigen Namen Schöllkraut auf die mittelalterliche Bezeichnung Schelkrut zurück, welche die früher gebräuchliche Verwendung der Pflanze als Schälkraut bei Warzen aufnimmt. Noch heute dient der Milchsaft in der Volksmedizin zu deren Entfernung, worauf sich das gängige Synonym Warzenkraut bezieht. Der Artname majus (latein.) = groß ist zur Unterscheidung des Schöllkrauts vom kleineren Scharbockskraut beigefügt, das man früher als Chelidonium minus bezeichnet hat.

Gelber Milchsaft Neben dem Bau der Blüten ist das auffälligste Merkmal des Schöllkrauts der in allen Pflanzenteilen vorhandene Milchsaft, der beim Abzupfen der Blätter oder Abbrechen des Stängels aus der verletzten Stelle austritt. Beides ist kennzeichnend für die Vertreter der Familie der Mohngewächse (Papaveraceae). Im Gegensatz zum weißen Milchsaft anderer Papaveraceen ist der des Schöllkrauts orange-gelb.

Dieses auffällig gefärbte Sekret hatte es bereits den Heilkundigen der Antike angetan. Dioskurides und Plinius schrieben ihm große Heilkräfte zu. So wurde es beispielsweise zur Heilung von Augenerkrankungen, Hautausschlägen oder Gelbsucht eingesetzt. Später wurden diese Anwendungsgebiete in die mittelalterlichen Kräuterbücher übernommen und mit weiteren Indikationen (z. B. gegen Wechselfieber, bei Zahnschmerzen) ergänzt.

Spasmolytisch wirksame Alkaloiddroge Noch heute bestimmen die im Milchsaft enthaltenen Wirkstoffe den medizinischen Gebrauch der Pflanze, wobei sich das gegenwärtige Anwendungsgebiet gemäß der Aufbereitungsmonographie der Kommission E auf krampfartige Beschwerden im Bereich der Gallenwege und des Magen-Darm-Traktes beschränkt. Die spasmolytische Wirkung beruht auf circa 30 Alkaloiden, die auf drei verschiedene Heterocyclentypen zurückzuführen sind: Benzophenanthridrintyp wie Chelidonin, Protoberberintyp wie Coptisin und Berberin sowie Protopintyp wie Protopin.

LECKERES AMEISENBROT
Aus den Blüten entwickeln sich bis zu fünf Zentimeter lange, schotenförmige Kapselfrüchte mit kleinen schwarzen Samen. An diesen sitzen gelblich-weiße, ölhaltige Anhängsel (Elaiosomen), die gerne von Ameisen gefressen werden und der Verbreitung der Pflanze dienen. Die Tiere schleppen die Delikatesse entlang der Ameisenstraße in ihren Bau. Nachdem sie den weichen Ölkörper verzehrt haben, transportieren sie die übrig gebliebenen Samen wieder hinaus und lassen sie in unmittelbarer Nähe liegen, wo sie zu keimen beginnen. Über ameisenfressende Vögel können die Samen weiter getragen werden, wodurch das Schöllkraut auch entferntere Standorte erobert.

Die Alkaloide wirken ähnlich wie Papaverin krampflösend mit direktem Angriff an der glatten Muskulatur des oberen Verdauungstraktes. In der modernen Phytotherapie wird Schöllkraut daher vor allem bei dyspeptischen Oberbauchbeschwerden verwendet.

Nur noch selten im Gebrauch Schöllkrautextrakte sind heute allerdings nur noch selten in Fertigarzneimitteln zu finden. Nachdem im Jahre 2002 der Verdacht auf lebertoxische Nebenwirkungen aufkam, wurde vom BfArM ein Stufenplanverfahren eingeleitet, das 2008 mit einer Zulassungseinschränkung für schöllkrauthaltige Arzneimittel endete. Seitdem dürfen nur noch Präparate mit einer Gesamtalkaloidtagesdosis (berechnet als Chelidonin) von höchstens 2,5 Milligramm zum Einsatz kommen.

Zudem sind bei längerer Einnahme (mehr als vier Wochen) die Leberlaborwerte zu überprüfen und stets Kontraindikationen (z. B. bestehende Lebererkrankungen, Schwangerschaft und Stillzeit, Kinder unter zwölf Jahren) zu beachten. Ferner sind selbst hergestellte Teeaufgüsse nicht gebräuchlich. Da das Alkaloidgemisch der Droge stark variiert, wird von einer Teezubereitung abgeraten.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 06/14 ab Seite 32.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

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