Da ihre Larven fast durchsichtig sind, lassen sich an ihnen bestimmte physiologische Vorgänge gut untersuchen. © kazakovmaksim / iStock / Getty Images Plus

Gehirn | Schlafphasen

SCHLAF GAB ES SCHON VOR DEN LANDWIRBELTIEREN

Anscheinend schliefen Urzeit-Fische vor 450 Millionen Jahren genauso wie wir Menschen jede Nacht. Bei der Untersuchung müder Zebrafische fanden Forscher nicht nur erstmalig klassische Schlafphasen bei einem Fisch, sondern auch neue Erkenntnisse über die evolutionären Wurzeln des Schlafs selbst

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Nicht nur wir Menschen gehen abwechselnd in Tief- und REM-Schlafphase, auch andere Säugetiere, die meisten Vögel, sogar Reptilien zeigen vergleichbare Schlafmuster. Man ging bislang davon aus, dass diese Form des Schlafes ursprünglich von Reptilien stammt und daher evolutionsbedingt an die Landwirbeltierbevölkerung überging. Doch anscheinend ist der Schlaf – so wie wir ihn kennen – sogar noch älter. Erste Beobachtungen vor 100 Jahren deuteten bereits auf einen schlafartigen Zustand bei Fischen hin, doch fehlt den Tieren der klassische Neocortex, von dem ein Elektroenzephalogramm (EEG) abgeleitet werden kann. Dank einer neuen Methode von Louis Leung von der Stanford University und seiner Kollegen gelangen nun Einblicke in die Schlafarchitektur der Fische.

Schlafphasen und Hirnaktivität
Im Tiefschlaf, auch „Slow Wave Sleep“ genannt, verlangsamen Atmung und Herzschlag, die Muskeln entspannen sich und in der Hirnaktivität zeigen sich große langsame, synchrone Wellen. Im Wechsel dazu finden sogenannte REM-Schlafphasen statt. Wie der Name – Rapid Eye Movement – schon verrät, ist diese Phase durch schnelle Augenbewegungen gekennzeichnet, die Muskulatur ist maximal entspannt, Stoffwechsel und Kreislauf sind jedoch aktiver als im Tiefschlaf. Aufgezeichnete Hirnwellen folgen schneller aufeinander und sind von Aktivitätsschüben unterbrochen – wir träumen.

Zebrafischlarven haben den Vorteil, dass sie fast durchsichtig sind – viele physiologische Beobachtungen konnten dadurch schon an den Tieren stattfinden, auch in diesem Fall. In dem man das Wasser des Aquariums ständig in Bewegung hielt, hinderten die Forscher die Tiere am Einschlafen. Anschließend wurden sie in eine viskösere Flüssigkeit umgesetzt, sodass sie ruhig schwammen – dort schliefen die müden Zebrafische ein. Mit Hilfe eines speziellen Mikroskops und Fluoreszenzmarker konnte das Team um Leung den Herzschlag sowie Muskel- und Gehirnaktivität überwachen.

Die Fische fielen zunächst in eine Art Tiefschlaf: der Herzschlag sank und die Muskelspannung nahm ab. „Diese Merkmale zeigen Übereinstimmungen mit denen des Slow Wave Sleeps bei Säugetieren, Vögeln und Reptilien“, sagen die Forscher. Im Anschluss beobachteten sie jedoch eine abweichende Phase. „Die Muskeln zeigten nun einen rapiden, totalen Verlust der Muskelspannung. Zudem wechselte die spontane Augenbewegung zu einem langsamen Rollen, bis sie schließlich ganz aufhörte.“ Auch der Herzschlag sank noch weiter, wurde aber unregelmäßiger, statt synchroner langsamer Hirnwellen breiteten sich ungeordnete Wellen aus – anscheinend träumen auch Fische. „Der einzige echte Unterschied ist das Fehlen der schnellen Augenbewegungen während des REM-Schlafs“, sagt Leungs Kollege Philippe Mourrain. Fische durchleben beim Schlafen demnach auch zwei Phasen, die Forscher tauften sie „Slow Burst Sleep“ (SBS) und „Propagating Wave Sleep“ (PWS). „Das spricht dafür, dass diese gängigen Schlafmuster sich im Wirbeltiergehirn schon vor rund mehr als 450 Millionen Jahren entwickelten“, erklärten Leung und sein Team.

Farina Haase,
Apothekerin/Redaktion

Quelle: www.wissenschaft.de

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