Rezeptoren
REZEPTOREN IM NERVENSYSTEM
Seite 1/1 6 Minuten
Sieht man die Abläufe in unserem Nervensystem als übergeordnetes Koordinations- und Steuersystem des Organismus, ergeben sich daraus bereits viele Antworten. Alle unsere geistigen und psychischen Vorgänge sind hier lokalisiert.
Anatomie Anatomisch wird das Nervensystem in einen zentralen Teil, das Zentrale Nervensystem (ZNS), aus Gehirn und Rückenmark und einen peripheren Teil eingeteilt. Unser gesamtes Nervengewebe besteht aus sehr vielen Nerven, wobei zahlreiche Nervenfaserbündel einen Nerv bilden. Die Nervenfaserbündel bestehen wiederum aus gebündelten Nervenfasern. Diese sind von Bindegewebe umgeben. Eine Nervenfaser setzt sich aus mehreren Neuronen, den Nervenzellen, zusammen.
Das Neuron bildet die kleinste funktionelle Einheit im Nervensystem. Im menschlichen Gehirn gibt es circa 13 Milliarden davon. Je besser die Vernetzung zwischen diesen einzelnen Teilen ist, umso effektiver sind logischerweise die Reaktionen und Leistungen. Ein Neuron hat neben dem Zellleib einen langen und einen kurzen Zellfortsatz. Der als Soma bezeichnete Zellleib enthält den Zellkern sowie Mitochondrien. Der Neurit ist der lange Zellfortsatz, der von wenigen Millimetern bis zu über einen Meter lang werden kann; der Dendrit ist der kurze Zellfortsatz.
Physiologie Aufgrund unserer fünf Sinne sehen, hören, riechen, schmecken und tasten sind wir Menschen in der Lage verschiedenartige Reize wahrzunehmen. Dafür besitzen wir in der Peripherie „physiologische Rezeptoren“, sogenannte Sensoren, die in der Lage sind auf die unterschiedlichsten Reizqualitäten zu reagieren. Dies können physikalische, chemische, von der Umwelt ausgelöste oder vom Organismus selbst verursachte Reize sein.
Anatomisch sind Sensoren sehr unterschiedlich aufgebaut. So gibt es zum Beispiel in der Haut Druck-, Schmerz- und Temperatursensoren; in den Gefäßwänden von Arterien übernehmen Pressorezeptoren die Blutdruckmessung, während Chemosensoren für die Messung der Atemgaskonzentration im Blut zuständig sind. Unsere Netzhautsensoren im Auge reagieren auf Lichtreize und die Haarzellen im Innenohr werden durch Schallwellen erregt.
Eine Reizauslösung kann nur durch überschwellige Reize gelingen, denn diese sind ausreichend stark und können die sogenannte Reizschwelle überwinden. Es erfolgt eine unmittelbare Umwandlung in „neurale“ Erregungen, also Aktionspotentiale (AP), die weitergeleitet werden. Um die einzelnen Teile des Nervensystems zu verbinden, stehen Leitungsbahnen zur Verfügung. Eine Informationsverarbeitung findet nun unmittelbar im ZNS statt und es erfolgt eine Reaktion.
Leitungsbahnen Afferente Leitungsbahnen, auch Afferenzen genannt, führen von der Peripherie zum ZNS. Sind es aufsteigende Bahnen von einem Sinnesorgan ausgehend wie Ohr oder Auge, werden sie als sensorisch bezeichnet. Viszerale Bahnen führen von den Eingeweiden nach oben, motorische Afferenzen entspringen quergestreifter Muskulatur. Einige darunter werden zusätzlich auch als sensible Bahnen bezeichnet, da sie Erregungen wie Schmerz oder Druck aus den jeweiligen Regionen ins ZNS leiten. Absteigende, sogenannte efferente Leitungsbahnen oder Efferenzen leiten Informationen vom ZNS zur Peripherie. Motorische Bahnen führen zur quergestreiften Muskulatur, vegetative Efferenzen zur glatten Muskulatur, sekretorische Bahnen zu einer Drüse und viszerale zu den Eingeweiden.
Die Reizleitungsgeschwindigkeit der Nervenfasern erreicht Spitzengeschwindigkeiten von rund 100 Metern pro Sekunde.
Erregungsweiterleitung Die Erregungsweiterleitung wird in zwei Arten, die kontinuierliche und die saltatorische Erregungsweiterleitung unterschieden. Die Neurite von marklosen Fasern besitzen keine Myelinscheiden und können die Erregungen nur langsam weiterleiten. Die evolutionär jüngeren Fasern sind markhaltige Fasern mit einer anatomischen Besonderheit: Die Umhüllung des Neuriten mit Bindegewebszellen, den Myelinscheiden, die in periodischen Abständen von den Ranvier´schen Schnürringen unterbrochen sind. Somit wird dieser isoliert und mechanisch wie elektrisch vor der Umgebung geschützt. Die Erregung wird sehr schnell weitergeleitet. Die elektrische Erregungsweiterleitung ist dabei generell durch Veränderungen in der Ladungsverteilung der Ionen entlang der Membran möglich.
Ruhepotential einer Nervenzelle Ist die Na+-Ionen-Konzentration außen größer als innen und die K+-Ionen-Konzentration innen größer als außen, befindet sich die Nervenzelle im Ruhepotential, ist also nicht erregt. Ihre Membran ist selektiv permeabel (durchlässig) für K+-Ionen, sodass diese ständig von innen nach außen und zurück passieren können. Ihr Ausstrom wird durch Protein-Anionen reguliert. Diese Gegenionen können aufgrund ihrer Größe nicht durch die Membran diffundieren. Außerdem ist die Membran für Na+-Ionen praktisch undurchlässig. Die Nervenzelle ist im Inneren negativ und außerhalb der Membran positiv geladen. Das Ruhepotential wird auch als ein „K+-Ionen-Diffusionspotential“ bezeichnet.
Aktionspotential einer Nervenzelle Ein ausreichend starker Reiz führt zur ersten Phase des Aktionspotentials, der Depolarisation. Durch Öffnung von spannungsabhängigen Na+-Kanälen erfolgt eine schlagartige Permeabilitätsänderung der Nervenzellmembran. Die Na+-Ionen passieren nun ungehindert a a die Membran und strömen in das Innere der Nervenzelle ein. Die Protein-Anionen wiederum bleiben aufgrund ihrer Größe zurück. Der Na+-Ionen-Einstrom erfolgt nicht nur bis zum Ladungsausgleich, sondern geht sogar bis zur Ladungsumkehr. Die Nervenzelle ist jetzt im Inneren positiv und außerhalb der Membran negativ geladen. Das Aktionspotential wird als „Na+-Ionen-Diffusionspotential“ bezeichnet.
Die ursprünglichen Permeabilitätsverhältnisse der Membran werden innerhalb weniger Millisekunden wieder hergestellt. Es folgt nun die zweite Phase, die Repolarisation. Der ursprüngliche Zustand der Ionenverteilung muss wieder hergestellt werden. Dazu befördert die Na+-K+-Pumpe Na+-Ionen aus dem Nervenzellinneren heraus und K+-Ionen im Gegenzug hinein. Hierfür wird Energie benötigt, es handelt sich also um einen aktiven Transport, denn es müssen über den Konzentrationsausgleich hinaus bis zum Erreichen des Ruhepotentials und gegen das Konzentrationsgefälle Na+-Ionen nach außen transportiert werden. In der anschließenden Refraktärphase ist die Nervenzelle refraktär, also nicht erregbar. Ankommende Reize führen nicht zum Auslösen eines weiteren Aktionspotentials.
Synapse Die Verbindungsstelle zwischen zwei Nervenzellen stellt die Synapse dar, sie wird auch Endknöpfchen genannt. In diesem Falle handelt es sich dann um eine interneuronale Synapse. Andere Arten von Synapsen dienen der Informationsübertragung von Neuronen zu Muskelzellen oder Drüsenzellen. An dieser Stelle ist eine sehr schnelle Reizübertragung möglich, sie liegt im Bereich von nur wenigen Millisekunden. Vom Aufbau sind alle Synapsen immer gleich.
Sie besitzen viele Vesikel, das sind mit Neurotransmittern (NT) gefüllte Bläschen. Neurotransmitter sind Überträgerstoffe oder Mediatoren im Nervensystem und damit Agonisten an ihren spezifischen Rezeptoren. Der synaptische Spalt trennt als Zwischenraum die Synapse vom benachbarten Neuron. Die präsynaptische Membran befindet sich auf der Seite der Synapse und die postsynaptische Membran liegt gegenüber auf der Seite des Neurons.
Vorgänge an einer Synapse Über das erste Neuron wird ein elektrischer Reiz mittels eines Aktionspotentials weitergeleitet und führt an der Synapse zur Freisetzung des Neurotransmitters aus den Vesikeln in den synaptischen Spalt. Hier ergeben sich verschiedene Möglichkeiten, was nun mit dem Neurotransmitter passieren kann: Ein großer Teil diffundiert durch den synaptischen Spalt zur postsynaptischen Membran des zweiten Neurons und koppelt an seinem spezifischen Rezeptor an.
Damit löst er die Bildung von Aktionspotentialen aus, deren Weiterleitung über das zweite Neuron erfolgt. Möglich ist auch, dass freigesetzte Neurotransmitter schon unmittelbar im synaptischen Spalt von speziellen Enzymen biotransformiert werden. Dadurch kann der Effekt entweder nicht zustande kommen beziehungsweise abgeschwächt werden. Denkbar ist auch eine Wiederaufnahme, ein sogenannter Reuptake.
Das bedeutet, dass der Neurotransmitter zurück zur präsynaptischen Membran diffundiert und wieder von den Vesikeln aufgenommen wird. Die letzte der vier Möglichkeiten ist, der Neurotransmitter diffundiert zurück zur präsynaptischen Membran und koppelt dort an einen präsynaptischen Autorezeptor. Dies führt meist zu einer Hemmung der weiteren Neurotransmitter-Freisetzung. Man bezeichnet diesen Vorgang als negativen Feedback-Mechanismus.
Pathophysiologie und Therapieansätze Viele psychische Erkrankungen sind auf Störungen im Zusammenspiel der Neuronen und ihrer Neurotransmitter im Gehirn zurückzuführen. Unter anderem versuchen Psychopharmaka das Neurotransmittergleichgewicht wieder herzustellen. Therapieansätze mit zentralwirksamen Arzneistoffen können unterschiedlich sein: Sollen zentralen Rezeptoren zusätzlich angeregt werden, weil die Konzentration des physiologischen Neurotransmitters zu gering ist und deswegen zu wenig postsynaptische Rezeptoren besetzt werden können, wird eine Erhöhung der Konzentration des Neurotransmitters angestrebt.
Zum Beispiel indem dessen enzymatischer Abbau im synaptischen Spalt vermindert oder die Hemmung des Reuptakes gesteigert wird. Weiterhin wäre auch die Gabe eines Agonisten mit Affinität und intrinsic activity möglich. Soll es in der Therapie zur Blockade von zentralen Rezeptoren kommen, da zu viele davon besetzt werden, ist die Gabe eines Antagonisten mit Affinität und keiner intrinsic activity möglich. Eine Steigerung des physiologischen Abbaus oder die Erhöhung des Reuptakes führt auch zu einer Konzentrationssenkung des Neurotransmitters. Erfahren Sie in späteren Artikeln mehr zu den Unterschieden zwischen zum Beispiel adrenergen oder cholinergen Rezeptoren und den dort wirksamen Arzneistoffen.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 04/18 auf Seite 114.
Bärbel Meißner, Apothekerin