Welch ein Name!
DIE FRUCHT DER SCHÖNEN FRAU
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Die oben genannten sind die Symptome einer Tollkirschenvergiftung. Amerikanische Medizinstudenten müssen diesen Spruch lernen, natürlich auf Englisch – „mad as a hatter“, also „verrücktes“, sinnentleertes Sprechen ist ein untrügliches Zeichen für ein Naschen von der verbotenen Frucht. Sie ist im reifen Zustand schwarzblau, glänzt zum Anbeißen lecker, schmeckt wohl gar nicht so schlecht und sieht der Blaubeere ein kleines bisschen ähnlich.
Aber die Wirkung ist dann doch eine andere, ihre volkstümlichen Namen „Teufelskirsche“, „Wutbeere“, „Dollwurz“, „Schwindelkirsche“, „Irrbeere“, „Taumelstrauch“ sprechen für sich. Ihr Gift, das ist eine Mischung aus Atropin, L-Hyoscyamin und Scopolamin. Die Damen am Hofe des Sonnenkönigs träufelten sich den tollen Saft in ihre Augen, waren danach zwar halbblind, hatten aber schöne große Pupillen – daher der lateinische Name „Atropa belladonna“ – die „schöne Frau“.
Große Augen Heute benutzt der Augenarzt das Atropin nicht um der Schönheit seiner Patientinnen willen, sondern damit er den Augenhintergrund besser erkennt. Autofahren sollte man danach besser nicht, denn die Pupille verliert für Stunden die Fähigkeit, sich wieder zusammenzuziehen! Die Pflanze blüht zwischen Juni und August an Waldrändern oder in Lichtungen von Laubund Mischwäldern und ist eine rund ein Meter hohe Staude mit Blättern. Sie liebt kalkige Böden.
Unsere heimischen Singvögel fressen sie gern, aber das soll nichts heißen! Für Menschen sind sie trotzdem furchtbar giftig. Als es die wissenschaftlich ernstzunehmende Chemie noch nicht gab und damit kein breites Wissen über Alkaloide, raffte sie ganze Familien dahin, besonders auf Kinder übte die schwarze Beere damals wie heute einen schier unwiderstehlichen Reiz aus: Schon vier Beeren bedeuten für sie den Tod.
Die Tollkirsch-Narkose Man verwendete Extrakte aus der Tollkirsche früher relativ unbekümmert: Es gab Teile davon in Wein und Saft und man wendete ihn gern bei verschiedenen Schmerzzuständen an. Mittelalterliche Ärzte brauten ein Narkosemittel aus Tollkirsche, Schierling, Alraune, Bilsenkraut, Opium und anderen Kräutern, das den Patienten garantiert in einen todesähnlichen Zustand versetzte .
Eines der unrühmlichsten Kapitel in der Geschichte der Tollkirsche besteht in der „Hexensalbe“, deren Hauptwirkstoff sie darstellte. Durch Einreiben in die Haut gelangten die Wirkstoffe ins Blut und die Opfer der Inquisition begannen zu halluzinieren: Sie gestanden unter dem Druck der Folter alles, was ihnen vorgeworfen wurde.
Eine Vergiftung durchläuft folgende Stadien: Mundtrockenheit, Schluckbeschwerden, Durst, rasende Kopfschmerzen, Schwindel, Herzrasen. Schreien und Wahnvorstellungen, unnatürlich geweitete Pupillen. Unbehandelt führt die Vergiftung zum Tod durch zentrale Atemlähmung. Das Gegengift heißt Physostigmin.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 06/15 auf Seite 46.
Alexandra Regner, PTA und Journalistin