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Was ist eigentlich …

… EIN TINNITUS?

Pfeifen, Brummen, Klopfen, Summen – und nur der Betroffene selbst nimmt es wahr: Die Ohrgeräusche des Tinnitus entstehen nicht durch akustische Signale, sondern oft erst im Gehirn.

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Der Tinnitus aurium (lateinisch „Klingeln der Ohren“) ist ein Phantomgeräusch, auch Ohrensausen genannt. Unsere Ohren dienen dazu, Schallwellen aufzufangen, in ein Nervensignal umzuwandeln und an das Gehirn zu leiten. Beim Tinnitus verarbeitet das Gehirn akustische Informationen, ohne dass das Ohr Schall ausgesetzt war. Bei den Geräuschen kann es sich um Knacken, Rauschen, Zischen, Pfeifen oder Brummen handeln, die jedoch nicht wie natürliche Umgebungsgeräusche klingen. Nimmt jemand zwar eingebildete, aber realistische Umgebungsgeräusche wie Wasserrauschen oder Bellen wahr, spricht man von einem Akoasma – dieses geht oft mit epileptischen oder psychischen Beschwerden einher. Tritt der Tinnitus schubweise und gemeinsam mit Hörverlust und Schwindel auf, handelt es sich meist um eine Erkrankung des Innenohrs, Morbus Menière.

Fakten im ÜberblickMehr als ein Viertel der Bewohner von Industrieländern erleben in ihrem Leben einen Tinnitus. In Deutschland haben 15 Prozent der über 65-Jährigen sogar dauerhaft Ohrensausen. Selten handelt es sich dabei um einen sogenannten objektiven Tinnitus, bei dem Vorgänge im Körper, meist im Innenohr, tatsächlich ein Geräusch verursachen. In den meisten Fällen ist der Tinnitus subjektiv, es gibt keine Schallquelle.

Dies ließ sich auch in Studien nachweisen: Probanden, denen der Hörnerv durchtrennt wurde (zum Beispiel wegen eines Tumors), können keinen Schall mehr vom Ohr ans Gehirn leiten. Dennoch sind die entsprechenden Hirnregionen aktiv, der Tinnitus bleibt bestehen. Tinnitus beruht also auf fehlgesteuerter Nervenaktivität in bestimmten Hirnarealen, er ist eine Phantomwahrnehmung. Als Auslöser kommen Traumen in Frage, toxische Substanzen, Tumoren, Schwerhörigkeit, eine hohe Lärmbelastung, Tauchunfälle, ein Hörsturz oder ein mit Ohrenschmalz verstopfter Gehörgang. Ohrgeräusche, die bis zu drei Monate anhalten, gelten als akut, länger andauernde Beschwerden als chronisch.

Diagnose und TherapieAufgrund der vielen verschiedenen Ursachen ist eine Abklärung von anhaltenden Ohrgeräuschen durch den Arzt sinnvoll. Er untersucht Ohren und Hirn mit bildgebenden Verfahren, ermittelt die Tonhöhe des Tinnitus, ob er sich mit bestimmten Tonfrequenzen überdecken lässt und wie lange das Geräusch nach der Überdeckung verschwunden bleibt. Bei der Tinnitus-Retraining-Therapie behandeln Hals-Nasen-Ohren-Arzt, Hörgeräteakustiker und Psychologe interdisziplinär und gemeinsam mit dem Betroffenen. Er lernt, das Ohrensausen gezielt aus seinem Bewusstsein herauszufiltern und zu verdrängen.

Eine Therapie kann neben akustischer Stimulation und Verhaltensübungen auch Arzneimittel umfassen, allerdings beruht die Auswahl auf Erfahrungswerten, placebokontrollierte Studien kamen bislang zu keiner eindeutigen Empfehlung. Vitamin E, Magnesium, Glucocorticoide und das Lokalanästhetikum Procain kommen beim akuten Tinnitus zum Einsatz. Zur Durchblutungssteigerung greifen Ärzte auf Pentoxifyllin zurück, auch Ginkgoblätter-Extrakte mit 120 Milligramm einmal täglich eignen sich gut.

Sie können diese auch in der Selbstmedikation empfehlen, achten Sie jedoch darauf, dass der Kunde keine Blutgerinnungsstörungen hat oder bereits Antikoagulanzien einnimmt. Der Wirkungseintritt kann bis zu zwölf Wochen dauern. Bei chronischem Tinnitus werden Substanzen verschrieben, die den Neurotransmitterhaushalt beeinflussen wie Flupirtin oder Memantin. Auch an die Behandlung von Begleiterscheinungen wie Schlafstörungen, Angstzuständen oder Depressionen sollte man bei schwerwiegender Beeinträchtigung denken.

WIE SCHLIMM IST ES?

Die Schweregradunterteilung nach Biesinger kennt vier Stufen:
+ Trotz der Ohrgeräusche besteht kein Leidensdruck.
+ Der Tinnitus belastet den Betroffenen in Stresssituationen, im Alltag leidet er jedoch nicht darunter.
+ Die Lebensqualität und Leistungsfähigkeit sind eingeschränkt, es kann zu körperlichen, emotionalen und kognitiven Störungen kommen. Der Betroffene ist jedoch noch arbeitsfähig.
+ Der Tinnitus beeinträchtigt den Betroffenen schwer, privat wie auch beruflich. Oft kommt es zur Arbeitsunfähigkeit, auch Suizid ist durch die Belastung möglich.

ZusatztippsDie meisten Kunden sind dankbar für Ihren Rat, wenn es um die lästigen Ohrgeräusche geht. Empfehlen Sie eine Ohrmassage: Der Kunde legt Zeige- und Mittelfinger direkt vor oder hinter das Ohr und führt mit leichtem Druck kreisende Bewegungen aus – so verbessert er die Durchblutung. Besonders deutlich tritt der Tinnitus in stiller Umgebung auf. Ihr Kunde kann sich mit Musik davon ablenken. Und wie so oft gilt auch hier: Stress vermeiden! Bei einigen Formen wird das Ohrensausen von einem Druckgefühl im Innenohr begleitet. Dagegen hilft das Valsalva-Manöver zum Druckausgleich (nur bei intaktem Trommelfell!): Man atmet aus, während man die Nase zuhält und den Mund schließt.

Die Atemmuskulatur wird angespannt, der Bauch gleichzeitig entspannt. Dadurch wölbt sich das Trommelfell nach außen und die Druckverhältnisse zwischen Nasen-Rachen-Raum und Innenohr werden über die Eustachische Röhre angeglichen. Anschließend soll man gähnen oder kauen – hierbei kommt es zu Knackgeräuschen im Ohr. Nimmt der Tinnitus seinem Betroffenen die Lebensfreude, ist eine psychologische Betreuung sinnvoll. In Selbsthilfegruppen kann man sich über seine Erfahrungen austauschen und beratschlagen, Kontakte vermittelt zum Beispiel die Deutsche Tinnitus-Liga e.V. Haben Sie ein offenes Ohr für das Ohr Ihrer Kunden!

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 08/2020 ab Seite 54.

Gesa Van Hecke, PTA/Redaktionsvolontärin

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