© Christa Eder / 123rf.com

Giftpflanzen

TOLLKIRSCHE – TÖDLICH GIFTIG

Die Tollkirsche ist eine stark toxische Pflanze. Bei Kindern kann bereits der Verzehr von drei bis fünf Beeren tödlich enden. Für Erwachsene gelten 10 bis 20 Beeren als letale Dosis.

Seite 1/1 3 Minuten

Seite 1/1 3 Minuten

Atropa belladonna L. ist eine mehrjährige Staude aus der Familie der Nachtschattengewächse , die man bevorzugt auf lichten Waldstellen in Europa und in Kleinasien antrifft. Die bis zu 1,5 Meter hohe reich verzweigte Schattenpflanze besitzt bis zu 20 Zentimeter große, leicht eingerollte, eiförmig-zugespitzte bis breitlanzettförmige Blätter.

Auffälliges Merkmal sind bei den blühenden Zweigspitzen Blattpaare mit Blättern ungleicher Größe, in deren Blattachseln einzelne violett gefärbte, glockenartigen Blüten oder Früchte stehen. Die Früchte sind violettschwarze, glänzende fleischige Beeren, die einer Kirsche ähneln, was sich auch im Namen Tollkirsche widerspiegelt. Der Begriff Toll verweist auf die toxische Eigenschaft der Frucht, die sich mit Toll-, also Wildheit und Tobsucht zeigt.

Toxische Tropanalkaloide Aber nicht nur die appetitlich anmutenden Beeren sind giftig. Auch alle anderen Pflanzenteile enthalten ein Gemisch der Tropanalkaloide L-Hyoscyamin, Atropin und Scopolamin, die als kompetitive Antagonisten des Acetylcholins an den m-Cholinrezeptoren wirken. Durch Verdrängung des Botenstoffes wird der Parasympathikus gehemmt, was an den verschiedenen Organen vor allem mit einer Erschlaffung der glatten Muskulatur einhergeht. Je nach Stärke der Alkaloiddosis werden therapeutische oder giftige Wirkungen erzielt, wobei niedrige Dosen hauptsächlich auf das periphere Nervensystem beschränkt bleiben und hohe Dosen auf das zentrale Nervensystem einwirken.

Vergiftungssymptome Die typischen Symptome einer Vergiftung mit der Tollkirsche sind eine gerötete und heiße Gesichtshaut, Trockenheit der Schleimhäute, Pulsbeschleunigung und Erweiterung der Pupillen. Mit zunehmenden Alkaloiddosen schreitet die Symptomatik fort und es werden psychomotorische Unruhezustände beobachtet, die sich zu Tobsuchtsanfällen steigern und von Sehstörungen, Verwirrtheit, Rededrang und Halluzinationen begleitet werden. Ohne ärztliche Gegenmaßnahmen (z. B. Magenspülung, Gabe von Aktivkohle und Glaubersalz, künstliche Atmung, Physostigmin als Antidot) kann der Tod durch Koma und Atemlähmung eintreten.

»Die frische Pflanze enthält hauptsächlich L-Hyoscyamin, das beim Trocknen in dessen Racemat Atropin übergeht.«

Gift, Zaubermittel und Rauschdroge Die toxische Wirkung der Pflanze ist lange bekannt. Bereits in der Steinzeit wurde die Tollkirsche als Pfeilgift verwendet. Später betäubten oder töteten unsere Vorfahren unliebsame Gegner mit dem Pflanzensaft. Darauf nimmt auch der Gattungsname Atropa Bezug, den Linné der Tollkirsche nach der griechischen Schicksalsgöttin Atropos gab, da sie den Lebensfaden der Menschen durchschneidet.

Gegengift und Heilmittel Therapeutisch macht man sich die parasympatholytischen Effekte auf das periphere Nervensystem zu nutze. Dazu zählen die krampflösenden Eigenschaften bei Spasmen im Magen-Darm-Trakt, am Uterus sowie der Gallen- und Harnblase. Ebenso wird die Sekretionshemmung auf die Speichel- und Schweißdrüsen, ihre antiemetische Wirkung und die Pupillenerweiterung geschätzt.

Allerdings ist die Tollkirsche als Droge (Belladonnablätter sowie ihr Extrakt, Belladonnawurzel) heute nicht mehr gebräuchlich. Vielmehr kommen Fertigarzneimittel mit standardisierten Extrakten, isolierten Reinalkaloiden oder partialsynthetisch abgewandelten Derivaten des Hyoscyamins und Scopolamins zur Anwendung (z. B. Atropinaugentropfen als Mydriatikum, Scopolamin-Pflaster als Antiemetikum, Butylscopolaminpräparate als Spasmolytikum). Zudem ist Atropinsulfat ein wirksames Antidot bei Vergiftungen mit Pflanzenschutzmitteln, deren Giftwirkung auf einer irreversiblen Hemmung der Acetylcholinesterase beruht (z. B. Phosphorsäureester wie E 605).

ZUSATZ-INFORMATIONEN

Bedeutung der Tollkirsche im Mittelalter
Der Artname belladonna kommt aus dem Italienischen und bedeutet schöne Frau. Er spielt auf die frühere Verwendung des Pflanzensaftes zur Vergrößerung der Pupillen an. Frauen tropften sich diesen in ihre Augen, um mit glänzenden Blicken die Männer zu betören. Viele Jahrhunderte lang galt die Pflanze als Zaubermittel, dem magische Kräfte - auch in Liebesdingen - zugeschrieben wurden.

Besondere Beliebtheit erfuhr sie im Mittelalter aufgrund ihrer halluzinogenen Wirkungen als Rauschdroge. Beispielsweise war sie Bestandteil obskurer Hexensalben und -getränke, mit denen die Anwender in Ekstasen versetzt wurden (z. B. erotische Träume, Hexenflug, Tierverwandlungen). Diese fanden in Hexenprozessen Verwendung, um Angeklagte in Wahnzustände zu versetzen, die sie zu einem Geständnis verleiteten

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 06/13 ab Seite 86.

Gode Meyer-Chlond, Apothekerin

×