Rentnerpaar © Wavebreakmedia / iStock / Getty Images
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Gesundheit

WIE ALT WERDEN WIR?

Warum leben manche Menschen 120 und andere nur 70 Jahre lang? Ob Gene, Ernährung, Umwelt oder sozialer Status – es sind die unterschiedlichsten Faktoren, welche die Basis für die Lebensdauer ausmachen.

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Ein jeder weiß um die Begrenzung seines Lebens und die meisten möchten möglichst alt werden. Das trifft sich gut, denn zwischen 1950 und 2017 hat die Lebenserwartung um fast 50 Prozent zugenommen. Aufgrund der guten medizinischen Versorgung, des technologischen Fortschritts, der gesünderen Ernährung sowie der substanziellen Verbesserung der Lebensbedingungen leben die Menschen heute deutlich länger als ihre Vorfahren. Derzeit haben Neugeborene in der Schweiz eine durchschnittliche Lebenserwartung von 83,89 Jahren, in Griechenland sind es immerhin 81 Jahre – und in Deutschland? Hierzulande lebt man, im Vergleich zu allen anderen 22 westeuropäischen Ländern, mit lediglich 80,6 Lebensjahren am kürzesten.

Pavel Grigoriev, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Demografische Forschung in Rostock, vermutet, dass dies am ungesunden Lebensstil der Deutschen liegt. Die Ernährung sei ungesünder als anderswo (kalorienreich, fettig), zudem seien Übergewicht, Bewegungsmangel, Tabak- und Alkoholkonsum lebensverkürzende Probleme. Im Jahr 2017 waren Hypertonie, Hyperglykämie, Rauchen und Übergewicht die Todesursachen von fast 29 Millionen Menschen weltweit. In einer 29 Jahre andauernden Studie haben Wissenschaftler Faktoren identifiziert, die einen Einfluss auf die Lebenserwartung haben. Personen, die möglichst alt werden möchten, sollten nicht rauchen – so viel ist klar. Dass Frauen und Männer, die sich gesund fühlen, in der Regel länger leben, ist ebenfalls nichts Neues. Überraschend ist jedoch, dass auch die Denkgeschwindigkeit eine Rolle spielt: Nimmt diese nur langsam ab, scheint die Lebenserwartung höher zu sein.

Relevanz falsch eingeschätzt Forscher der University of Queensland befragten Teilnehmer ihrer Studie, was sie als bedeutsam für ihre Gesundheit und somit für ihre Lebenserwartung einschätzten. Die ersten drei Plätze erhielten die Items „nicht rauchen“, „nicht übergewichtig sein“ sowie „körperlich aktiv sein“. Allerdings zeigten die Wissenschaftler, dass es wichtigere Einflüsse gibt, die von den Probanden unterschätzt wurden: Laut einer Metaanalyse sind „Unterstützung durch andere“ gefolgt von „Eingebundensein in die Gemeinschaft“ ausschlaggebender als die von den Versuchspersonen genannten Aspekte. Soziale Kontakte stärken das Wohlbefinden und sind für die Psyche und die Lebensqualität entscheidend, Einsamkeit hingegen belastet die seelische und körperliche Gesundheit stark. Der Organismus reagiert auf Vereinsamung mit einer vermehrten Ausschüttung des Stresshormons Cortisol.

Der Hypothalamus setzt den sogenannten Corticotropin-Releasing-Factor (CRF) frei, der im weiteren Verlauf zur Hypophyse gelangt. Dort stimuliert er die Sekretion des adenocorticotropen Hormons (ACTH), das wiederum in der Nebennierenrinde die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol veranlasst. Die körpereigene Substanz aktiviert katabole Stoffwechselvorgänge und stellt dem Körper auf diese Weise in ausreichender Menge Energie zur Verfügung. Bei permanenter Aktivierung steigen der Blutdruck und der Blutzuckerspiegel an, zusätzlich ist die Immunabwehr beeinträchtigt, sodass Betroffene anfälliger für Infektionskrankheiten werden. Langzeitfolgen von Stress sind unter anderem Magengeschwüre, Osteoporose sowie Depressionen. Nichts ist folglich gesünder als eine Stressvermeidung durch die aktive Teilnahme an der sozialen Gemeinschaft.

Die höchste Lebenserwartung haben die Menschen in Monaco, die geringste im afrikanischen Tschad.

Klug, reich und alt Zwischen dem sozialen Status und der Lebenserwartung besteht ebenfalls ein Zusammenhang. Bei armen versus reichen Frauen liegt der Unterschied in der Lebenserwartung zwischen vier und sechs Jahren, während wohlhabende Männer sogar bis zu acht Jahre länger leben als wirtschaftlich schwächere Personen. Der Einfluss des sozioökonomischen Status auf die Gesundheit macht sich bereits in der Kindheit bemerkbar und nimmt im Laufe des Lebens zu. Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht oder Bewegungsmangel kommen Studien zufolge bei Personen mit einem niedrigen sozialen Status überproportional häufig vor und wirken sich entsprechend negativ auf die Gesundheit sowie auf die Lebenserwartung aus. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin berichtet über einen starken statistischen Zusammenhang zwischen Lebensdauer und Bildung, den nahezu alle zu diesem Thema durchgeführten Untersuchungen belegen. Personen mit einer höheren Bildung weisen einen gesünderen Lebensstil und folglich eine bessere Gesundheit auf.

Gene & Lebensdauer Die Langlebigkeit hängt nicht nur von der Umwelt und der Lebensweise ab, sondern auch von den Genen: Forscher um Peter Joshi vom Usher Institute an der Universität Edinburgh haben in einer genomweiten Assoziationsstudie Genvarianten gefunden, welche die Lebenserwartung beeinflussen. Die Wissenschaftler schätzen, dass etwa ein Viertel der Lebensdauer durch die Gene bestimmt wird. Allerdings haben Risikofaktoren wie Rauchen, Bluthochdruck oder Übergewicht eine größere Bedeutung. Forscher um Graham Ruby von Calico Life Sciences in San Francisco werteten mit Hilfe des Ahnenforschungsportals Ancestry Daten von rund 400 Millionen Personen und ihren Verwandtschaftsverhältnissen aus dem 19. und 20. Jahrhundert aus. Sie kamen anhand ihrer Stammbaumanalysen zu dem überraschenden Ergebnis, dass die Gene wahrscheinlich nicht mehr als sieben Prozent ausmachen.

Tipps für die Beratung Generell wirkt sich ein gesunder Lebensstil (ausgewogene Ernährung, ausreichend Bewegung, Verzicht auf das Rauchen, Alkohol in Maßen) positiv auf die Lebenserwartung aus. PTA und Apotheker können Raucher bei einem anstehenden Rauchstopp unterstützen, Übergewichtige zur Gewichtsreduktion beraten oder Interessierte über eine gesunde Ernährung aufklären. Kunden, die über Einsamkeit klagen, sollten sich unbedingt einer sozialen Gruppe anschließen, mit der sie sich identifizieren können.

Es ist ratsam, diese nach den eigenen Interessen auszuwählen (zum Beispiel Kunst, Kultur, Sport) und sie im Hinblick auf die Bedürfnisbefriedigung zu bewerten („Fühlt man sich integriert und aufgehoben? Erhält man im Bedarfsfall ausreichend Unterstützung?“). Die gewohnte soziale Gemeinschaft kann während persönlicher Krisen eine wertvolle Hilfe für Betroffene sein. Liegen allerdings physische oder psychische Erkrankungen vor, ist eine professionelle Behandlung durch Ärzte und/oder Psychologen erforderlich.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 06/19 ab Seite 88.

Martina Görz, PTA, M.Sc. Psychologie und Fachjournalistin

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