Allergie
NUR MIT KOFAKTOREN
Seite 1/1 4 Minuten
Diese Form der allergischen Reaktion ist eine sogenannte Summationsanaphylaxie. Hierbei benötigen Menschen, die gegen eine bestimmte Substanz allergisch sind, noch weitere Auslöser, um Symptome zu entwickeln. So können beispielsweise Patienten mit einer Weizenallergie problemlos einen Teller Weizennudeln verzehren, doch wenn sie einige Zeit danach Sport treiben, treten Beschwerden auf.
Der häufigste Trigger für diese spezielle Allergieform ist die körperliche Betätigung, weswegen man auch von der anstrengungsabhängigen Anaphylaxie spricht. Die Anstrengung führt dazu, dass mehr Magensäure produziert wird, sodass der pH-Wert im Magen sinkt. Hierdurch werden die aufgenommenen Proteine und damit auch die Allergene schneller verstoffwechselt und gelangen rascher ins Blut, wo gegen sie gerichtete Antikörper die allergische Reaktion schlussendlich auslösen.
Bei Betroffenen mit einer ohnehin erhöhten Magensäureproduktion werden die Symptome nach der Aufnahme des Allergens in Verbindung mit einem Trigger somit umso schneller auftreten. Umgekehrt können Magensäureblocker gegen Sodbrennen das Auftreten der Beschwerden zeitlich hinauszögern. Wirklich gefährlich ist jedoch, dass auch eine relativ leichte Anstrengung bereits als Auslöser genügen kann.
So reicht ein Spaziergang oder die Wiederaufnahme von leichten Hausarbeiten nach der Mittagspause bei manchen Betroffenen bereits aus und es kommt zu mitunter schweren Symptomen. Anstrengungsinduzierte Allergien sind noch nicht lange bekannt, dementsprechend steht auch die Forschung noch am Anfang.
Weitere Triggerfaktoren Neben Sport als dem hauptsächlichen Trigger können auch Alkohol, nichtsteroidale Schmerzmittel , Stress oder hormonelle Schwankungen durch Menstruation oder Wechseljahre die allergische Reaktion hervorrufen. Dabei können die Trigger tückischerweise auch von Vorfall zu Vorfall wechseln. Wurde ein Anfall einmal durch Sport ausgelöst, kann er beim nächsten Mal zum Beispiel durch Stress hervorgerufen werden.
Die Symptome reichen von Hautreaktionen wie Flushing, einem Anschwellen der Schleimhaut oder Nesselsucht über Herzrasen und Schwindel bis hin zu lebensgefährlichen Beschwerden wie Atemnot. Im schlimmsten Fall kann es zum anaphylaktischen Schock mit Todesfolge kommen.
Häufigste Form: WDEIA Bei der „wheat dependent exercise induced anaphylaxis“ (WDEIA) sind die Betroffenen gegen Weizen, genauer gesagt das Protein Omega-5-Gliadin allergisch, einen Bestandteil des Klebereiweißes Gluten. Während reine Weizenallergien eher bei Kindern vorkommen, ist die WDEIA auch bei Erwachsenen zu finden. Kreuzallergien treten selten auf, sind jedoch möglich, sodass für WDEIA-Betroffene dann auch Gerste oder Roggen tabu sind. Dann muss der Speiseplan auf andere Getreidearten wie Buchweizen oder Amaranth umgestellt werden.
Genau hinsehen Eine anstrengungsinduzierte Anaphylaxie wird häufig erst spät diagnostiziert, da sie nur in Verbindung mit Kofaktoren auftritt. So erlitt ein Bundesligaspieler einen anaphylaktischen Schock, nachdem er in einer anstrengenden Trainingsphase Soja-Drinks zu sich genommen hatte. Seine eigentlich symptomlose Allergie gegen Soja wurde durch die sportliche Betätigung getriggert.
Vorher hatte er zwar bereits über längere Zeit Allergiebeschwerden gehabt, diese waren jedoch relativ leicht und durch einen Allergietest nicht eindeutig feststellbar. Erst die erhöhte körperliche Anstrengung in Verbindung mit dem Allergen führte schließlich aufgrund der starken, plötzlichen Symptomatik zur Diagnose „anstrengungsinduzierte Anaphylaxie“.
Somit ist häufig Detektivarbeit gefragt, um die Erkrankung zu erkennen. Führt sie etwa zu Magen- Darm-Symptomen, glauben viele Ärzte zunächst an eine Zöliakie. Anders als bei dieser Erkrankung können Betroffene mit anstrengungsabhängiger Anaphylaxie jedoch andere Getreidesorten vertragen. Erst wenn mittels Prick- oder Provokationstest eine Allergie nachgewiesen wurde, die Substanz alleine aber keine Beschwerden auslöst, wird der Verdacht auf eine anstrengungsinduzierte Anaphylaxie erhärtet.
Bei der WDEIA kann ein spezifischer Antikörpertest gegen Omega-5- Gliadine die Verdachtsdiagnose labortechnisch erhärten. Bei anderen anstrengungsinduzierten Allergien kann man unter ärztlicher Kontrolle einen Provokationstest mit anschließender körperlicher Anstrengung durchführen. Kommt es zu einer Reaktion, gilt die Diagnose als gesichert.
Wichtig ist danach, herauszufinden, wann genau und wie häufig die Beschwerden auftreten. Meist kommt es zu Symptomen, wenn eine halbe bis zwei Stunden nach Verzehr des Allergens Sport getrieben wird.
Wieviel des allergenen Stoffes dabei konsumiert wurde, spielt keine wesentliche Rolle, denn auch kleine Mengen können in Verbindung mit den auslösenden Kofaktoren zu Symptomen führen. Infektionen, Medikamente, Alkohol oder Stress können als Kofaktoren sehr viel rascher zu anaphylaktischen Reaktionen führen als Sport. Umso wichtiger ist es, die individuellen Trigger zu kennen, um im Falle eines Falles sofort reagieren zu können.
Tipps für den Notfall Die anstrengungsinduzierte Anaphylaxie ist nach heutigem Kenntnisstand keine Unverträglichkeit, gegen die man im Laufe des Lebens eine Toleranz entwickelt, sondern besteht lebenslänglich. Die Anfälle treten meist jedoch in großen Abständen auf. Wissen die Betroffenen um ihre Triggerfaktoren und richten ihr Leben darauf aus, können sie mit der Allergie meist gut leben. Sind keine Kreuzallergien vorhanden, müssen andere Lebensmittel auch nicht gemieden werden, sodass die Lebensqualität nicht zu sehr unter der Unverträglichkeit leidet.
Da die anstrengungsinduzierte Anaphylaxie im schlimmsten Fall aber mit einem lebensgefährlichen Schock einhergehen kann, müssen Betroffene immer ein Notfall-Set bei sich führen. Dieses enthält neben Kortison einen Adrenalin-Pen, mit dem man sich im Notfall selbst eine Injektion in den Oberschenkel verabreichen kann. Tritt der anaphylaktische Schock zum ersten Mal auf und die Betroffenen wissen noch nichts von ihrer Allergie, müssen Umstehende schnell handeln. Die ersten Anzeichen für einen allergischen Schock sind geschwollene, rote Hautpartien.
Der Betroffene hat Probleme, Luft zu holen, klagt über Kopfschmerzen und ihm wird schwindelig. Manchmal kommt es zu so starker Übelkeit, dass sich der Betroffene heftig übergeben muss. Der Puls rast, was wiederum zu Panikattacken bis hin zur Todesangst führen kann. Der Patient muss dann sofort in die Schocklage gebracht werden, das bedeutet, man lagert die Beine höher als den Kopf. Gleichzeitig sollte der Notarzt alarmiert werden.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 10/16 ab Seite 130.
Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist