Berühmte Apotheker
PHARMAZEUTISCHER ANALYTIKER
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Die pharmazeutische Laufbahn wurde ihm quasi in die Wiege gelegt: Am 4. November 1806 erblickte Carl Friedrich Mohr als Sohn Carl Paulin Mohrs, Besitzer der Mohren-Apotheke am Jesuitenplatz in der Altstadt von Koblenz, das Licht der Welt. Da vor ihm schon fünf Geschwister verstorben waren, soll seine Mutter ihn besonders behütet, erzogen und gepflegt haben – bei jeglicher Kränklichkeit. Als Schüler lernte er viel, sodass er bereits mit 17 Jahren das Abitur ablegen konnte. Obwohl Mohr auch Werke von Homer, Virgil oder Horaz mit Begeisterung gelesen haben soll, galt seine Vorliebe dennoch den Naturwissenschaften. Und so studierte er in Bonn drei Semester Botanik, Chemie und Mineralogie, er- lernte in der vätlichen Offizin ab 1825 die praktische Pharmazie.
Nach seiner Lehrzeit arbeitete er zunächst in Apotheken in Kreuzach und Heidelberg (Heidelberger Hofapotheke bei Ferdinand Christian Joseph Hencking, 1784 bis 1834) und immatrikulierte sich dort auch für das Pharmazie-Studium. Er hörte begeistert Vorlesungen bei Professor Leopold Gmelin (1788 bis 1853). Ab 1831 setzte Friedrich Mohr seine Studien an der Berliner Universität fort, um an Vorlesungen von Professor Rose (Chemie) teilzunehmen, verließ jedoch nach einem Semester schon wieder die Stadt aufgrund der dort grassierenden Cholera. So schloss er sein Studium in Bonn ab, legte die pharmazeutische Prüfung in Koblenz ab, promovierte 1832 schließlich bei seinem Doktorvater Gmelin in Heidelberg mit der Note „summa cum laude“. 1833 zurückgekehrt nach Koblenz betrieb er in der väterlichen Apotheke nebenher chemische und naturwissenschaftliche Studien.
Außerdem heiratete er noch 1833 Johanna Jacobina Walburga Adolphina Derlichs (1813 bis 1892), mit der er in glücklicher Ehe lebte und fünf Kinder bekam. An der Koblenzer Universität hielt er geistreiche, weitbeachtete Vorlesungen in Chemie. Zudem veranstaltete er vielbesuchte Vorträge, in denen er che- mische und physikalische Experimente vorführte. Ab 1835 kam er durch den „Coblenzer Gewerbe-Verein“ mit gewerblicher Praxis stärker in Berührung, wurde deren Vorsitzender, betonte die Wichtigkeit des Gewerbes und förderte diese zum gemeinnützigen Wohl der Stadt Koblenz.
Lebensmittelpunkt Koblenz Am 15. Dezember 1841 trat Dr. Friedrich Mohr, als „Apotheker 1. Klasse approbiert und vereidet“ (Amtsblatt der Preußischen Regierung zu Koblenz: für das Jahr 1841), nach dem Tod seines Vaters (königlicher Medizinal-Assessor) die Nachfolge in der Koblenzer Mohren-Apotheke an. Der Beruf des Offizinapothekers machte ihm jedoch weniger Freude, häufig kam es zu Streitigkeiten mit Apothekerkollegen. Recht bald sehnte er sich wieder nach der rein wissenschaftlichen Forschung. Nachdem 1844 der erste Versuch, sich an der Universität Bonn zu habilitieren, misslang, weil er dort nicht promoviert hatte, lehnte er drei Jahre später, inzwischen war er auch Medizinalassessor beim Rheinischen Medizinalkollegium, eine Chemiker- Stelle an dem neu errichteten physiologischen Institut in Bonn ab. Stattdessen wurde er in etwa 16 Jahren praktischer Tätigkeit zu einem der gelehrtesten Apotheker Deutschlands.
Vielseitiger Wissenschaftler Einerseits war Mohr findiger Tüftler und Techniker, praktischer Entwickler von Laboratoriumstechnik: Quetschhahnbürette, Extraktionsapparat nach Friedrich Mohr, ein Dampfinfundierapparat, Mühlen, die Mohrsche Presse sind nur einige von ihm neu entwickelte Geräte. Zusätzlich war er aber auch ein gewissenhafter, ausgewiesener Wissenschaftler. Als seine größten wissenschaftlichen Leistungen können die Entwicklung der Maßanalyse (Bestimmung von Chlorid nach Mohr, Mohrsche Waage, Mohrsches Salz) angesehen werden. Und er schrieb ein Dutzend Bücher, darunter ein „Lehrbuch der pharmaceutischen Technik“ sowie ein „Lehrbuch der Titriermethode“.
Damit schrieb er Werke für ein damals noch gar nicht definiertes, abgegrenztes pharmazeutisches Fachgebiet, die Maßanalyse sowie Pharmazeutische Technologie beziehungsweise Galenik. Kaum ein Gerät versuchte er nicht weiterzuentwickeln, führte definierte Urtitersubstanzen und einheitliche Maßsysteme ein. Und es gelang ihm dabei selbst komplizierte Apparaturen anhand von Abbildungen in ei- ner einfachen, prägnanten Sprache zu beschreiben. Hinzu kamen schon früh Kommentare zur preußischen Pharmakopöe. Auch übersetzte er die „Pharmacopoea Germanica“ und erstellte zu ihr einen eigenen Kommentar. Seine Werke wurden recht schnell immer wieder neu aufgelegt und gehörten bald in jedes Apothekers Hand. Ne- ben seiner naturwissenschaftlichen Umtriebigkeit beschäftigte er sich auf seinem gewünschten Altersruhesitz, einem Landgut bei Metternich (an der Mosel, heute Koblenz-Metternich) außerdem mit Problemen der Landwirtschaft und des Weinbaus.
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Auf Umwegen nach Bonn Politisch war Mohr von 1842 bis zu seinem Wegzug nach Bonn ehren- amtlich im Stadrat der Gemeindevertretung in Koblenz tätig. Er wurde 1849 sogar von seinen Mitbürgern als Abgeordneter nach Berlin gesandt. Ab 1853 gehörte er zum Kuratorium zur Gründung und Verwaltung der Königlichen Provinzal- Gewerbeschule – dem späteren Städtischen Realgymnasium und heutigem Eichendorff-Gymnasium, was noch ein Denkmal vor dem Haupteingang der Schule wiederspiegelt. In zahlreichen pharmazeutischen Gesellschaften – auch weltweit – wurde Mohr Ehrenmitglied. 1857 trat er – nach dem Verkauf seiner Apotheke – als Gesellschafter in die chemische Fabrik seines Schwiegersohnes, des Apothekers „Friedrich Nienhaus & Comp“ ein, bei deren Liquidation (1864) er große Teile seines Vermögens verlor.
Mohr ging 58-jährig nach Berlin, habilitierte dort am 23. Juli. Da seiner Frau Berlin nicht gefiel, habilitierte er sich noch am 10. Dezember 1864 nach Bonn um. Am 1. Oktober 1867 ernannte man ihn schließlich zum Extraordinarius für Pharmazie – im schon fortgerückten Alter von 61 Jahren – und übergab ihm gleichzeitig den Pharmazeutischen Apparat zur Verwaltung, dem er bis zu seinem Tode (Lungenentzündung) am 28. September 1879 auch vorstand. 1873 verlor er aufgrund eines Laborunfalls sogar noch ein Auge. Getragen von dem Grundsatz „Das Erkennen der Natur ist die erhabenste Aufgabe des menschlichen Geistes“ war Mohr insgesamt außerordentlich vielseitig interessiert und aktiv, was allerlei Anekdoten zufolge bei den Vertretern benachbarter Disziplinen nicht immer auf Gegenliebe stieß und ihm mancherlei kollegiale Konflikte eintrug.
Einer seiner besten Freunde war allerdings der Chemiker Justus von Liebig (1803 bis 1873), mit dem er sich – seit jungen Jahren – in regem Briefaustausch befand. Auf seinem Grab auf dem Alten Friedhof in Bonn steht allerdings unter seinem Namen nichts von „Begründer der Titrationsmethode“ sonder stattdessen der pikante Zusatz „Erster Entdecker des Gesetzes von der Erhaltung der Kraft 1837“. Gewürdigt wird damit, dass Mohr auch physikalisch sehr rege war und schon seine erste Publikation 1937 diese bahnbrechende physikalische Erkenntnis enthielt, die heute alle mit dem Arzt Julius Robert Mayer (1814 bis 1878) sowie Hermann von Helmholtz (Energieerhaltungssatz) in Verbindung bringen.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 06/17 ab Seite 98.
Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin und Fachjournalistin