Repetitorium

OSTEOPOROSE – TEIL 3

Jegliche Therapie der Osteoporose muss jahrelang konsequent durchgeführt werden. Hierbei ist die Sicherung der Compliance eine wichtige Aufgabe einer beratenden und patientenbegleitenden Apotheke.

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Hauptsäulen der Osteoporose-Behandlung sind eine knochengesunde Lebensführung, die physikalische Therapie , die Basistherapie mit Vitamin D und Kalzium sowie die medikamentöse Behandlung. Letztere wird abhängig von Geschlecht und Lebensalter empfohlen, grundsätzlich aber, wenn der T-Wert der Knochendichte weniger als –2,0 beträgt, eine systemische Langzeitbehandlung von mehr als drei Monaten mit Glukokorticoiden in Tagesdosen von 7,5 Milligramm Prednison (-äquivalent) erfolgt oder spätestens wenn schon eine Wirbelkörperfraktur vorliegt.

Zur Therapie der Osteoporose stehen eine Vielzahl von Medikamenten zur Verfügung, die aufgrund ihrer Wirkungsmechanismen primär folgende Ziele verfolgen: Optimierung des Knochenumbaus; Steigerung der Knochendichte; Verbesserung der Knochenqualität sowie Reduktion des Frakturrisikos. Entweder wird der osteoklastische Knochenabbau unterdrückt mit Hilfe von Substanzen, welche die Knochenresorption reduzieren oder die osteoblastische Knochenbildung stimuliert. Beide Strategien führen zu einer positiven Knochenbilanz.

Es existieren somit zwei Medikamentengruppen. Antiresorptive Substanzen: Hierzu gehören die Bisphosphonate, der selektive Estrogen-Rezeptor-Modulator (SERM) Raloxifen, Kalzitonin, Kalzium, Vitamin D, Vitamin-D-Metabolite, Statine, Estrogene, Estrogen/Gestagen und Tibolon, Denosumab, Kathepsin K-Inhibitoren. Osteoanabole Substanzen: Parathormon, Teriparatid, Fluoride, Strontium, Anabolika und Testosteron.

Um akute Schmerzen zu beseitigen und bewegungstherapeutische Maßnahmen überhaupt erst zu ermöglichen, kann zusätzlich vorübergehend auch die Gabe von Analgetika (Schmerzmittel wie Nichtsteroidale Antirheumatika – NSAR, Paracetamol, Metamizol, Opiate) angezeigt sein.

Wichtige Antiresorptiva im Überblick Knochenschmerzen können auch schnell und erfolgreich mit Bisphosphonaten behandelt werden. Die Dynamik der Substanzgruppe zeigt sich darin, dass das neueste gegen Osteoporose zugelassene Bisphosphonat Zoledronsäure (seit Oktober 2007 zur Osteoporose-Behandlung postmenopausaler Frauen, seit September 2008 auch für Männer zugelassen) etwa 20 000-mal potenter ist als Etidronat, das Bisphosphonat der ersten Generation.

Bisphosphonate üben zwei Effekte auf den Knochen aus. Durch Anlagerung an die Knochenoberfläche, im Wesentlichen ein physikochemischer Effekt, hemmen sie die Mineralisation der Knochensubstanz. Andererseits hemmen sie als zellulärer Effekt die Osteoklasten und dadurch die Kalziumfreisetzung aus dem Knochen und den Knochenabbau (antiresorptives Prinzip). Zugelassen gegen Osteoporose sind derzeit in Deutschland orale und intravenöse Bisphosphonate. Das stickstofffreie Bisphosphonat Etidronat kann aufgrund der Gefahr von Knochenmineralisationsstörungen nicht kontinuierlich verabreicht werden. Wegen der geringeren Wirkung und auftretenden Gefahren sollten Osteoporose- Patienten nicht mehr neu auf Etidronat eingestellt werden.

Die Aminobisphosphonate (Alendronat, Ibandronat, Risedronat, Zoledronat) zeigen hingegen keinen negativen Einfluss auf den Knochenaufbau. Sie können kontinuierlich verabreicht werden und führen über die gesamte Dauer der Gabe (in der Regel drei bis fünf Jahre) zu einem kontinuierlichen Aufbau der Knochenmasse bei gleichzeitiger Zunahme der Knochenfestigkeit. Die Einnahmevorschriften sind strikt: Die Tabletten müssen am besten morgens nüchtern direkt nach dem Aufstehen mindestens 30 Minuten vor dem ersten Essen und Trinken mit einem Glas kalzium- und magnesiumarmen Mineral- oder Leitungswasser in aufrechter Position eingenommen werden. Die Patienten dürfen sich danach nicht wieder hinlegen.

Da die tägliche Einnahmeprozedur von vielen Patienten als belastend empfunden wird und nachgewiesenermaßen die Compliance leidet, wurden Wochentabletten (Alendronat, Risedronat) sowie Monatstabletten (Ibandronat) entwickelt. Ibandronat kann sogar nur alle drei Monate, Zoledronat einmal jährlich intravenös gegeben werden. Werden die oralen Einnahmevorschriften allerdings genau eingehalten, treten schwerwiegende Nebenwirkungen sehr selten auf. Am ehesten werden noch gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit, Bauchschmerzen, Durchfall genannt – und ganz selten muss die Therapie wegen Hautallergien abgebrochen werden.

Das Risiko der Entwicklung einer schwerwiegenden Kiefernekrose wird nach neueren Untersuchungen als gering eingeschätzt und tritt insbesondere bei Risikopatientengruppen wie immunsupprimierten Tumorpatienten auf. Als Kontraindikation gilt generell Schwangerschaft und Stillzeit, Niereninsuffizienz je nach Schweregrad. Gegenwärtig gelten die stickstoffhaltigen Bisphosphonate als effektivste Medikamentengruppe zur Behandlung aller Formen der Osteoporose.

Hormonersatztherapie Bereits Jahre vor der Menopause führt der zunehmende Estrogenmangel zu einem kontinuierlichen Knochenverlust. Dieser physiologische Vorgang kann durch die zyklusgerechte Gabe von Estrogenen plus Gestagenen bei Frauen mit intakter Gebärmutter sowie zusätzlich – wegen des anabolen Effekts – von Progesteron bei Frauen mit sehr niedriger Knochendichte gebremst werden. Estrogene hemmen die Osteoklasten-Aktivität und stimulieren die Kollagensynthese in den Osteoblasten. Daneben stimulieren sie die Kalzitonin-Ausschüttung, beeinflussen die Parathormon-Sekretion, verbessern zentralnervöse Funktionen und verringern über diesen Mechanismus die Sturzneigung.

Die „Hormonsubstitutionstherapie“ (Hormone Replacement Therapy, HRT) ist viele Jahre lang in großem Ausmaß durchgeführt worden. Die jahrlang durchgeführte, schließlich aber abgebrochene WHI-Megastudie (Women`s Health Initiative Study) konnte zwar aufzeigen, dass die HRT das Risiko von Wirbelkörperbrüchen, Oberschenkelhalsfrakturen und peripheren Brüchen etwa am Oberarm sehr deutlich senkt, gleichzeitig aber auch Koronarerkrankungen, Schlaganfälle, Thromboembolien und insbesondere Brustkrebs stark zunehmen. Insgesamt wurde der HRT in der WHI-Studie eine negative Nutzen-Schaden-Bilanz testiert. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) empfiehlt seit 2003 die HRT deshalb nur noch zur Behandlung ausgeprägter Wechseljahresbeschwerden. Dabei soll die Behandlung so kurz und so niedrig dosiert wie möglich erfolgen.

Für eine jahrelange HRT zur Vorbeugung und Behandlung einer Osteoporose hält das BfArM das Nutzen-Risiko-Verhältnis für ungünstig. Wenn eine Frau sich für eine – zeitlich begrenzte – HRT entscheidet, gilt es, mit dem Osteoporosebehandelnden Arzt und in Zusammenspiel mit dem Gynäkologen das persönliche Risikoprofil (Familienanamnese, Brustkrebsuntersuchung, Mammographie) herauszuarbeiten und genau zu kontrollieren. HRT sind im Gegensatz zu den Bisphosphonaten nur während der direkten Einnahme effektiv, nach dem Absetzen sinkt die Knochendichte schnell wieder.

Raloxifen Selektive Estrogenrezeptor-Modulatoren (SERMs) sind neu entwickelte Substanzen, die selbst keine Hormone mehr sind, aber noch einige Estrogenwirkungen besitzen – möglichst ohne dessen Nebenwirkungen. Raloxifen wurde aus dem gegen Brustkrebs eingesetzten Tamoxifen entwickelt. Auf Knochen und Fettstoffwechsel wirkt die Substanz estrogen, auf Brustgewebe und Gebärmutter hingegen antiestrogen. Auf zellulärer Ebene wird die Aktivität der Osteoklasten gedrosselt, wobei insbesondere die Verhinderung von Wirbelkörperfrakturen, weniger die von hüftnahen und anderen peripheren Knochen nachgewiesen wurde.

Die orale Gabe von 60 Milligramm pro Tag dient zur Behandlung und Prävention der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen. Zusätzlich positiv: Das Risiko an Brustkrebs zu erkranken, wird unter Raloxifen-Therapie um 76 Prozent gesenkt. Dagegen ist als vergleichsweise häufige Nebenwirkung allerdings eine Verstärkung klimakterischer Beschwerden (Hitzewallungen) sowie von thromboembolischen Ereignissen auszumachen.

Denosumab Im Juli 2010 kam in Deutschland dieser monoklonale Antikörper zur Osteoporosebehandlung postmenopausaler Frauen auf den Markt. Ebenso ist der neue Antikörper bei Männern mit Prostatakarzinom zugelassen, wenn diese eine gegen Androgene gerichtete Hormontherapie erhalten und dadurch ein erhöhtes Knochenbruchrisiko aufweisen. Die Substanz blockiert das auf den knochenabbauenden Osteoklasten sitzende „Knochenprotein“ RANKL (receptor activator of nuclear factor kappa B ligand), wodurch das Startsignal für den Knochenabbau deaktiviert ist. Denosumab wird nur zweimal jährlich in einer Dosis von 60 Milligramm subkutan gespritzt und im Allgemeinen gut vertragen. Voraussetzung für die Anwendung: Die Patienten müssen ausreichend mit Kalzium/Vitamin D versorgt sein.

Wichtige Antiresorptiva im Überblick Das lange nicht therapeutisch verwendete Parathormon (PTH), ein Polypeptid von 84 Aminosäuren, wurde 2006 für postmenopausale Osteoporose-Patientinnen mit hohem Frakturrisiko zugelassen. Es wird einmal täglich in der niedrigen Dosierung von 100 Mikrogramm subkutan injiziert.

Teriparatid ist ein gentechnologisch hergestelltes, aus den Aminosäuren 1-34 bestehendes Parathormon-Fragment, das die gleiche Wirkung wie Parathormon selbst besitzt, aber außer zur Behandlung von Frauen mit postmenopausaler Osteoporose auch bei Männern zur Therapie einer primären oder hypogonadalen Osteoporose mit hohem Frakturrisiko eingesetzt wird. Mittels eines Pens werden täglich einmal 20 Mikrogramm subkutan für maximal 18 Monate gespritzt – wegen eines potentiellen Osteosarkomrisikos.

PTH wirkt unterschiedlich bei kontinuierlicher (physiologischer) und pulsativer (pharmakologischer) Verabreichung auf die Knochenzellen. Physiologisch stimuliert PTH die Kalzium- und Phosphatresorption aus dem Knochen sowie die Calcitriol-Bildung in der Niere, wobei die knochenabbauende Wirkung mit Aktivierung der Osteoklasten, gesteigerter Knochenresorption und daraus folgend erhöhtem Blut-Kalzium-Spiegel dominiert. Bei intermittierender Gabe – wie dies als Arzneimittel geschieht – überwiegt hingegen die knochenaufbauende Wirkung mit Stimulation und Proliferation der Osteoblasten, was zu einer Knochenneubildung auf allen Knochenoberflächen führt.

Übelkeit, Kopf- und Gliederschmerzen, Schwindel sind die auffälligsten Nebenwirkungen. Bei einer Hyperkalzämie, schwerer Niereninsuffizienz, Erkrankungen wie primärem Hyperparathyreoidismus oder Morbus Paget sowie vorausgegangener Skelettbestrahlung sind die beiden Substanzen kontraindiziert.

Strontium-Ranelat Im Oktober 2004 kam mit Strontiumranelat eine Substanz zur Behandlung postmenopausaler Osteoporose auf den Markt, das Hüft- und Wirbelkörperfrakturen deutlich reduziert – mit Hilfe eines dualen Wirkansatzes: es steigert den Knochenaufbau (osteoanabol) durch Vermehrung der Präosteoblasten sowie Steigerung der Kollagensynthese und hemmt gleichzeitig die Knochenresorption (antiresorptiv) durch Verminderung der Osteoklastendifferenzierung und deren Resorptionsaktivität.

Die orale Bioverfügbarkeit nüchtern liegt bei etwa 25 Prozent, bei gleichzeitiger Nahrungsaufnahme ist sie noch deutlich niedriger. Die Einnahmedosis von zwei Gramm Granulat auf - gelöst in Wasser soll deshalb einmal täglich abends vor dem Schlafengehen mindestens zwei Stunden nach dem Essen erfolgen. Die häufigsten Nebenwirkungen waren zu Behandlungsbeginn Übelkeit, Diarrhöe, Kopfschmerzen und Hautreaktionen, seltener thromboembolische Komplikationen. Für Frauen mit schwerer Niereninsuffizienz wird das Präparat nicht empfohlen. Während der Therapie mit Antibiotika, insbesondere Gyrase-Hemmern und Tetrazyklinen, muss wegen Komplexbildung die Einnahme ausgesetzt werden.

Die kostengünstigen Fluoride, die zwar eine messbare Zunahme der Knochenmasse, aber keine signifikante Reduktion des Frakturrisikos bewirken und nur eine geringe therapeutische Breite aufweisen, sowie das Peptidhormon Kalzitonin (Anwendung intravenös oder als Nasenspray) werden nach heutiger Datenlage in der Osteoporosetherapie eher nicht mehr empfohlen. Theoretisch verspricht eine parallele Kombination aus antiresorptiv und osteoanabol wirkenden Substanzen Synergieeffekte. Praktisch konnten Studien dies aber nicht bestätigen. Positiv wirkt sich allerdings nach einer osteoanabolen Therapie eine antiresorptive Nachbehandlung aus, um die neue gewonnene Knochensubstanz so lange wie möglich zu erhalten.

Internet-Service Osteoporosemittel Eine ausführliche Tabelle der gängigen Osteoporosemittel samt Dosierung, unerwünschter Arzneimittelwirkungen, Kontraindikationen gemäß DVO-Leitlinie 2009 kann hier heruntergeladen werden.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 03/11 ab Seite 48.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin

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