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Juckreizstillende Inhaltsstoffe

NICHT KRATZEN – PFLEGEN!

Die Haut juckt, spannt und kribbelt – da ist guter Rat teuer. Denn Juckreiz kann viele Ursachen haben. Doch egal ob es sich um eine Allergie, ein Ekzem oder eine chronische Erkrankung handelt, ein paar Dinge können Sie immer empfehlen.

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Pruritus, also Juckreiz, ist eine eigenständige Sinneswahrnehmung, die den dringlichen Wunsch auslöst, sich zu kratzen. Der Sinn hinter akutem Juckreiz: Die geistige Aufmerksamkeit soll auf Gefahren für die Haut gelenkt werden, zum Beispiel auf einen Insektenstich, einen Pflanzenstachel oder Gift. Wenn auch lästig, besitzt die Empfindung also Warncharakter. Von chronischem Juckreiz spricht man wiederum, wenn er länger als sechs Wochen anhält – und das hat absolut keinen Nutzen. Darunter leidet aber mehr als jeder zehnte Deutsche. In diesem Fall sollte von Kratzen abgeraten werden, auch wenn es schwerfällt. Denn die Juck-Kratz-Spirale verschlimmert das Krankheitsbild meist nur noch. Im schlimmsten Fall führt die permanente Verletzung der Haut zur Bildung rötlich-brauner, juckender Knoten, sogenannter Noduli.

Dermatologen sprechen dann von einem Prurigo nodularis. In jedem Fall sollte chronischer Juckreiz untersucht werden. Denn er kann sowohl Symptom einer Autoimmunerkrankung als auch eine unerwünschte Wirkung einer Arzneimitteltherapie, ein Warnzeichen für eine ernsthafte Organschädigung oder auch psychosomatischer Genese sein. Im besten Fall steht in der Apotheke ein Kunde mit einer umfassenden, konkreten Empfehlung vom Dermatologen vor Ihnen – in vielen Fällen aber auch nicht. Empfehlen Sie am besten direkt ein Komplettpaket aus Akut- und Basispflege. Denn unabhängig von der Ursache kommt der Pflege trockener Haut mit einer rückfettenden Basistherapie enorme Bedeutung zu.

Juckreiz, der kleine Bruder von Schmerz Egal ob am ganzen Körper oder nur an einigen Hautstellen, Juckreiz kann so quälend sein, dass er zu einer vergleichbaren Reduktion der Lebensqualität führt wie chronischer Schmerz. Daher steht im Vordergrund, die unangenehme Sinneswahrnehmung zu mildern. Zu den Mitteln der Wahl zählen die topisch anwendbaren H1-Antihistaminika Dimetinden, Tripelennamin und Bamipin. Sie blockieren den H1-Histaminrezeptor und reduzieren so die Gefäßdurchlässigkeit, die mit Juckreiz in Verbindung gebracht wird. Um systemische Wirkungen zu vermeiden, sollten die Gele oder Cremogele nur auf intakten, kleinen Hautarealen eingesetzt werden.

In schweren Fällen oder einer Beteiligung des ganzen Körpers kann auch eine orale Therapie mit Antihistaminika der folgenden Generationen wie Cetirizin oder Loratadin erwogen werden. Sind entzündliche und/oder allergische Hautreaktionen Grund für den Juckreiz, können lokale Glucocorticoide eingesetzt werden, in der Selbstmedikation wäre das Hydrocortison von 0,25 bis 0,5 Prozent. Die Mengen, die dabei in den Blutkreislauf aufgenommen werden, sind vernachlässigbar, solange die Topika nicht großflächig – auf mehr als zehn Prozent der Körperoberfläche – aufgetragen werden.

Auch Sprays, Cremes und Lotionen mit Harnstoff (Urea) oder dem Lokalanästhetikum Polidocanol (Macrogollaurylether) können Juckreizspitzen lindern. Die Wirkstoffe sind mittlerweile in vielen medizinischen Kosmetika enthalten. Empfehlen Sie Urea in einer Konzentration von fünf bis zehn Prozent bei Erwachsenen und Polidocanol von 0,5 Prozent in Ölbädern bis zu zehn Prozent in lipophilen Cremes. Schwere Formen erfordern ebenso schwere Geschütze, der Arzt kann dann systemische Glucocorticoide, Immunsuppressiva wie Cyclosporin A, trizyklische Antidepressiva, Gabapentin oder eine Alpha-Interferon-Therapie verordnen.

Beratungstipps bei Juckreiz

+ Möglichst nicht kratzen. Wenn doch, dann mit der flachen Hand, eventuell mit einer übergezogenen Socke. Auflagen mit kühlen Waschlappen können ebenfalls Linderung verschaffen, genauso wie sanfte Druckausübung auf die Haut.
+ Verhaltenstherapien wie autogenes Training oder progressive Muskelentspannung helfen beim Entspannen.
+ Bei nächtlichen Juckattacken kurz unter die kühle Dusche stellen.
+ Weiche, leichte Kleidung aus Baumwolle bevorzugen.
+ Irritierende Substanzen meiden, zum Beispiel Externa mit Kamille, Teebaumöl oder alkoholhaltige Desinfektionsmittel.
+ Hautstressfaktoren (häufiges Waschen, überhitzte Räume, Alkohol, scharfe Gewürze, große Mengen an Heißgetränken, Anspannung und Stress) reduzieren.

Alternativen sind gefragt Dass Corticosteroiden mit großer Skepsis begegnet wird, überrascht keinen Apothekenmitarbeiter. Gerade in der dauerhaften Therapie fragen viele nach „natürlichen Alternativen“. Nässenden, juckenden Ekzemen kann man beispielsweise mit Gerbstoffen zu Leibe rücken: Umschläge oder Topika aus Eichenrinde oder Hamamelis wirken adstringierend und verringern die Exsudation. Auch Zinkoxidschüttelmixtur hat sich zu diesem Zweck etabliert, wirkt austrocknend, kühlend und entzündungshemmend. Bei Ekzemen und Juckreiz können Zubereitungen mit Ballonrebenkraut (Cardiospermi herba) helfen: Prostaglandine und Leukotriene werden unterdrückt, Entzündungs- und Allergieerscheinungen abgemildert. Die Ähnlichkeit zum Schmerzgeschehen führte dazu, dass auch Klassiker der lokalen Schmerztherapie bei Juckreiz – vor allem allergischer Herkunft, aber auch bei Psoriasis – ausprobiert wurden.

Erfolg zeigten dabei 0,006 bis 0,05 prozentige Capsaicin-Zubereitungen, sie führen zu einer Modulierung des Neuropeptids Substanz P, das sich an offene Nervenfasern der Haut anlagert und sowohl zum Schmerz- als auch zum Juckreizgeschehen beiträgt. Aromatische Verbindungen können ebenfalls beruhigend und juckreizlindernd wirken, äußerlich angewendete Zubereitungen können zu diesem Zweck Pfefferminz- und Thymianöl sowie Kampfer enthalten. Und nicht zu vergessen: Der Naturstoff Ectoin, der unter anderem von halophilen Bakterien produziert wird. Der genaue Wirkmechanismus ist zwar nicht bekannt, der Stoff hat sich aber in vielen Externa zur Anwendung auf gereizten Haut- und Schleimhäuten etabliert. Ebenso wie Zubereitungen mit Borretsch- und Nachtkerzenöl oder Echinacaea-​ Wurzelextrakt.

In der Forschung Im Kompetenzzentrum für chronischen Pruritus in Münster wird eifrig an möglichen Therapieoptionen für schweren oder therapieresistenten Juckreiz geforscht. Ein Kandidat ist der Neurokininrezeptor-Antagonist Aprepitant, der bei chemotherapieassoziiertem Erbrechen und Übelkeit angewendet wird. Der Wirkstoff blockiert aber auch den Botenstoff Substanz P. Auf ähnlichem Weg fand man einen Hinweis auf eine potenzielle Anwendung von Opioidrezeptorantagonisten, denn Opioide können als unerwünschte Begleiterscheinung Juckreiz auslösen. Warum sollte der gegenteilige Mechanismus dann nicht gegen das Symptom einsetzbar sein? µ-Opioid-Rezeptorantagonisten, wie Naltrexon aus der Suchttherapie, oder kappa-Opioid-Rezeptoragonisten kommen bereits off-​label zum Einsatz.

Den Artikel finden Sie auch in der Sonderausgabe Apothekenkosmetik der PTA IN DER APOTHEKE ab Seite 38.

Farina Haase, Apothekerin/Redaktion

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