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Diabetes Subtypen

NICHT EINFACH NUR TYP 2

Diabetes-Subtypen werden zwar vergleichsweise selten diagnostiziert, dennoch sind sie klinisch relevant: Betroffene tragen ein anderes Risiko für Folgeerkrankungen oder Prognose des Diabetes. Vor kurzem wurde daher eine neue Klassifizierung vorgeschlagen.

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Am besten bekannt und am häufigsten benannt sind Diabetes vom Typ 1 und 2 und der Schwangerschaftsdiabetes. Vor allem im Erwachsenenalter diagnostizierter Diabetes mellitus wird schnell dem Typ 2 zugeordnet. Das liegt vor allem daran, dass es zu wenige klinische Kriterien gibt, an denen man eine Identifizierung möglicher Subtypen erkennen könnte. Eine schwedische Forschergruppe hat sich daher dieser Problematik angenommen und verschiedene Merkmal-Cluster geschaffen, nach denen es möglich sein könnte, in Zukunft leichter unterschiedliche Subtypen zu unterscheiden. Letztlich soll das vor allem der gezielten und maßgeschneiderten Behandlung der Betroffenen dienen.

Merkmale zur Diagnostik Um einen Diabetes mellitus zu diagnostizieren, ziehen Mediziner verschiedene Parameter heran. Sie untersuchen beispielsweise das Blut beziehungsweise lassen den Langzeitblutzucker HbA1C bestimmen, weisen ihre Patienten an, regelmäßig selbst den Blutzucker zu bestimmen und ein Ernährungstagebuch zu führen. Ist der Betroffene nicht mehr im Jugendalter und/oder hat einen hohen Body-Mass-Index (BMI), ist die Diagnose rasch gestellt. Doch warum profitieren einige Patienten nicht von der Gold-Standard-Therapie, verschlechtern sich gar oder leiden schneller unter Folgeerkrankungen wie Polyneuropathie, Augenerkrankungen oder Wundheilungsstörungen?

Es müssen also andere Kriterien her, um eine bessere Einstufung des Patienten durchführen zu können. Diese Kriterien musste sich auch die schwedisch-deutsche Forschergruppe überlegen, bevor sie mit der Analyse der 15 000 Patientendaten anfing. Sie identifizierten daraufhin sechs Variablen: das Alter bei der Diagnose-Stellung, den BMI, den HbA1c-Wert, die Betazell-Funktion, die Insulinsekretion, die Insulinresistenz und die Existenz von Autoantikörpern gegen das Enzym Glutamatdecarboxylase (GADA). Bei der Clusterung wurden also vor allem der metabolische Zustand des Patienten beurteilt und in Relation zu Alter und Immunfunktion gesetzt. Dadurch konnten sie in ihrer Forschungsarbeit fünf Subtypen identifizieren, für die sie auch direkt Handlungsempfehlungen für die Therapie empfahlen.

Direkt mit Insulin einsteigen Es überrascht, dass zwei der Subtypen der Kategorie „severe Insulin-deficient Diabetes“ (SIDD) zugeordnet werden. Betroffene brauchen demnach direkt eine Insulin-Therapie und sollten nicht erst mit oralen Antidiabetika einsteigen – ihr Zustand könnte sich rasch zuspitzen. Dazu gehört der schwere Autoimmundiabetes (SAID), meist handelt es sich um den bereits bekannten LADA-​Diabetes. LADA bedeutet „latent autoimmune diabetes in adults“ und beschreibt das Auftreten von Autoantikörpern, wie sie auch bei Typ- 1-Diabetes üblich sind, aber im Erwachsenenalter.

Betroffene sind meist älter als 35 Jahre und bekommen in vielen Fällen zunächst die Diagnose Typ-2-Diabetes, da sie häufig auch Hinweise auf ein metabolisches Syndrom zeigen, weil zum Beispiel Fettstoffwechselstörungen oder ein erhöhter Blutdruck vorliegen. Im Verlauf ähnelt die Erkrankung immer mehr einem Typ-1-Diabetes und es können Autoantikörper gegen GADA nachgewiesen werden. Der weitere Subtyp zeigt einen schweren Insulinmangel (SIDD), es sind aber keine Autoantikörper nachweisbar, Betroffene sind eher jung und schlank. Diese Gruppe muss mit einem erhöhten Risiko für Retinopathien rechnen, hier wären noch engmaschigere augenärztliche Kontrollen empfehlenswert. Auch Neuropathien treten bei diesem Typ deutlich häufiger auf als in anderen Sub-Klassen.

Vorsicht Komplikationen Die weiteren Subtypen profitieren zwar von einer oral gestützten Therapie, dennoch ist die Unterscheidung hier insbesondere wegen der unterschiedlichen Risiken für Folgeerkrankungen relevant. So leiden „Severe Insulin-resistant Diabetes“ (SIRD)- Diabetiker, also mit schwerer Insulinresistenz deutlich häufiger unter einer Nephropathie, also einer Schädigung der Niere (Risiko bei 11 bis 17 Prozent). Neben engmaschigen Kontrollen der Nierenfunktion sollten diese Patienten nach Empfehlung der Forschungsgruppe direkt einen SGLT2- und ACE-Hemmer erhalten.

Beide Arzneistoffe zeigen nierenschützende Eigenschaften. Auch das Risiko eine nichtalkoholische Fettleber zu entwickeln und damit ein höheres Risiko für eine Leberfibrose liegt bei diesem Subtyp vor. Daneben wurde noch der milde altersbedingte Diabetes (MARD, Moderate age-​related Diabetes) und der milde adipositasbedingte Diabetes (MOD, Moderate Obesity Diabetes) zur Klassifizierung vorgeschlagen. Insgesamt zeigen diese Typen geringere Stoffwechselstörungen als die vorherigen, wenn auch MOD-Patienten meist stark übergewichtig sind. Hier steht vor allem eine Veränderung des Lebensstils im Vordergrund, wie es auch als Basisempfehlung der generellen Typ-2-Therapie üblich ist.

Keine Krankheitsstadien Die alleinige Betrachtung der Stoffwechselparameter kann nicht zur Argumentation verschiedener Subtypen herangezogen werden. Es könnte sich auch um unterschiedliche Krankheitsstadien gehandelt haben. Doch nach Angaben der Forscher konnten sie bei jedem der Sub-Typen unterschiedliche genetische Merkmale feststellen, sodass eine Fehlinterpretation ausgeschlossen werden kann. Sollte sich das Klassifizierungssystem der Forschungsgruppe etablieren, würde man dem Ziel einer individuellen, maßgeschneiderten Therapie näherkommen. Denn bei der Studienauswertung kam auch heraus, dass viele der Patienten nicht angemessen therapiert wurden, viele der SIDD-Betroffenen auch bei Manifestation des Diabetes kein Insulin erhielten.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 10/19 ab Seite 82.

Farina Haase, Apothekerin/Redaktion

Und außerdem?

Neben der Diskussion um eine genauere Auftrennung der Typ-2-Diagnostik existieren natürlich noch andere, seltene Diabetes-Typen, die grob unter Typ 3 zusammengefasst werden, in der Leitlinie finden sie sich unter „Andere spezifische Diabetes-Typen“. Unterteilt nach ihrem jeweiligen Entstehungsgrund sind das: Typ 3a, auch MODY (maturity onset diabetes of the young), Erwachsenendiabetes, der bereits im Kindes- oder Jugendalter auftreten kann aufgrund von Gendefekten in den Betazellen, Typ 3b durch Gendefekte in der Insulinwirkung, Typ 3c nach Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse, Typ 3d mit gestörter Hormonproduktion, Typ 3e bis 3h durch Schädigung infolge von Infektionen, Medikamenten, Chemikalien oder Viren oder auch durch eine Autoimmunerkrankung.

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