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'Heilsbringer oder Edelplacebo?'

NADELSTICHE

Akupunktur ist seit über 3000 Jahren Bestandteil der TCM. Wohl an nur wenigen Behandlungsverfahren scheiden sich die Geister mit derart emotional geführten Disputen.

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Kennen Sie das auch? Sie leiden an einem hartnäckigen, medizinischen Problem, beispielsweise Migräne oder Rheuma, bei dem sich trotz langwieriger schulmedizinischer Behandlung einfach keine Besserung einstellen will, und fragen sich schließlich, ob es keine alternativen Therapiemethoden gäbe, die Ihnen helfen könnten.

Auf der Suche nach solchen Alternativen stoßen Sie dann sicher recht bald auf die Akupunktur, von der ja behauptet wird, dass sie bei vielen Krankheitsbildern Linderung, wenn nicht gar Heilung verschaffen kann, und das bei vergleichsweise geringem Risiko an Nebenwirkungen und Komplikationen.

Akkupunkturtechniken existieren in der Traditionellen Chinesischen Medizin seit über 3000 Jahren, doch in der jüngeren Geschichte wurde selbst von den Chinesen meist die „westliche“ Schulmedizin bevorzugt: Noch in den 1950ern von den Kommunisten als Aberglaube verspottet, wurde die TCM erst unter Mao wieder rehabilitiert, allerdings nicht aus medizinischen Gründen, sondern um sie während der Kulturrevolution zur Stärkung chinesischen Nationaldenkens zu instrumentalisieren.

Im Westen wurde Akupunktur erst 1971 bekannt, nachdem ein Journalist der New York Times anekdotisch von seiner Behandlung postoperativer Schmerzen in Peking berichtet hatte. Seither besteht ein erbitterter Streit zwischen Anhängern und Kritikern der Technik, der oft schon mit teilweise religiösem Eifer betrieben wird, inklusive der damit verbundenen Unmöglichkeit der gegenseitigen Bekehrung. Was aber sind die Fakten?

Einerseits ist es bis heute völlig unklar, welche Wirkmechanismen der Akupunktur zu Grunde liegen könnten. Auch die Meridiane und Akupunkturpunkte, auf denen die Technik operiert, sind Anatomen unbekannt: Bislang wurden keine Strukturen im menschlichen Körper gefunden, die diesen Punkten entsprechen könnten.

Gleichwohl gibt es dennoch physiologisch messbare Effekte der Akupunktur, etwa im limbischen System des Gehirns, die eine Reihe der beobachteten Wirkungen, darunter schmerz- oder angstlösende, erklären könnten. Allerdings beobachtet man solche Wirkungen auch unter Placeboeinfluss.

So genannte Metaanalysen der bestehenden wissenschaftlichen Literatur zum Thema Akupunktur haben mittlerweile fast 4000 Einzelpublikationen ausgewertet und kommen zu dem Schluss, dass die Methode keine messbaren, bestenfalls minimal über Placeboeffekt hinausgehende Wirkungen entfaltet.

Doch da Verfechter und Gegner der Akupunktur sich gegenseitig methodische Schwächen vorwerfen, sind die Befürworter auch weiterhin nicht überzeugt und fordern neue Studien. Doch wie einer der Gegner treffend formulierte: Sollte man die knappen Forschungsressourcen nach fast 4000 Untersuchungen nicht besser in neue Fragestellungen investieren?
Vielleicht fragen Sie sich das ja auch …

ZUR PERSON

Prof. Dr. Holger Schulze
Hirnforscher
Holger.Schulze@uk-erlangen.de

Prof. Dr. Schulze ist Leiter des Forschungslabors der HNO-Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg
sowie auswärtiges wissenschaftliches Mitglied des Leibniz-Instituts für Neurobiologie in Magdeburg.
Seine Untersuchungen zielen auf ein Verständnis der Neurobiologie des Lernens und Hörens.
www.schulze-holger.de

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 09/13 auf Seite 12.

 


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