Insektenschutz
MIT DER WÄRME KOMMT DIE PLAGE
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Ein lauer Sommerabend bei Kerzenschein, man lässt das Schlafzimmerfenster offen, damit kühle Luft hereinkommen kann – und ärgert sich kurze Zeit später darüber. Nämlich dann, wenn das leise, nervtötende Summen beginnt: Mücken auf der Jagd nach einer Blutmahlzeit. Unsere schlafwarmen, verschwitzten Körper sind von den Tieren schnell ausgemacht, denn sie werden von Wärme und unserem Körpergeruch angezogen.
Nur die Weibchen stechen, sie brauchen nach der Befruchtung Proteine, damit ihre Eier ausreifen können. Dieses holen sie sich aus dem Blut ihrer Wirte. Dabei nutzen sie einen kombinierten Stech-Saugrüssel: Über den einen injizieren sie ihren Speichel, der gefäßerweiternd, schmerzstillend und blutgerinnungshemmend wirkt. Über den anderen saugen sie das Blut aus dem Körper ihrer Wirte. Den Stich merken wir aufgrund der schmerzstillenden Stoffe nicht, die mückeneigenen Proteine im Speichel lösen jedoch eine allergische Reaktion aus. Unser Körper produziert Histamin, in der Folge kommt es an der Einstichstelle zu Rötung, Schwellung und Juckreiz.
Was tun gegen Mückenstiche? Wer dem anschließenden Juckreiz nachgibt und sich kratzt, verteilt lediglich den Mückenspeichel weiter unter der Haut. Besser ist es, einen möglichst heißen Waschlappen auf die Stichstelle zu legen, denn die allergenen Stoffe denaturieren bei etwa 40 °C und werden so zerstört.
Dieses Prinzip liegt auch den „Stichheilern“ zugrunde, die man käuflich erwerben kann. Die etwa handtellergroßen Geräte werden punktuell auf 50 °C erhitzt und dann kurz auf die Einstichstelle gedrückt. Kühlende Gels und Salben helfen später ebenfalls, besonders, wenn sie darüber hinaus noch antiallergen wirken.
Achtung Hummeln!
Viele Menschen sind der Meinung, Hummeln könnten nicht stechen. Das ist nicht richtig. Allerdings stechen, wie auch bei Bienen, Wespen und Hornissen, nur die weiblichen Exemplare. Hummeln zeigen jedoch, bevor sie stechen, eine ganze Reihe von „Drohgebärden“. Zuerst hebt das Insekt sein mittleres Beinpaar Richtung Angreifer. Reagiert der darauf noch nicht, legt sich die Hummel auf den Rücken und streckt dem Feind den Stachel entgegen. Eine auf dem Rücken liegende Hummel ist also nicht unbedingt tot – sie kann auch gerade anzeigen, dass sie gleich stechen wird.
Am besten ist es jedoch, die kleinen Plagegeister gar nicht erst an sich heran zu lassen. Dabei helfen engmaschige Insektenvorhänge vor Fenstern oder Balkontüren, die Mücken draußen halten und trotzdem Luft ins Zimmer lassen. Da die Tiere sich über den Geruch orientieren, werden häufig ätherische Öle zur Abwehr eingesetzt. Diese wirken aber nur kurz, wie in Studien nachgewiesen wurde. Außerdem können empfindliche Menschen mit den Düften besonders im Schlafzimmer Probleme haben.
Gerade bei Kindern sind ätherische Öle nicht zu empfehlen, da sie darauf sehr sensibel reagieren. Ein Einatmen kann bei kleinen Kindern sogar zu Atemnot bis hin zum Herzstillstand führen. Moskitonetze sind für kleine Kinder ebenfalls nicht geeignet, da Fälle bekannt sind, in denen Kinder sich in den Netzen verfingen und erstickten. Um kleine Kinder vor Stichen zu schützen, empfiehlt sich das Insektennetz vor dem Fenster. Ist das Schlafzimmer kühler als der Rest der Wohnung, hilft das ebenfalls, denn Mücken bewegen sich nicht gerne vom Warmen ins Kalte.
Repellents zur Mückenabwehr Häufig werden sie eingesetzt, um sich gegen Mücken zur Wehr zu setzen. Die meisten Produkte enthalten synthetische Wirkstoffe.
DEET : Wirkt über mehrere Stunden, kann bei empfindlichen Menschen jedoch Allergien auslösen und steht in Verdacht, nervenschädigend zu sein. Für Schwangere, Stillende, Allergiker und Kinder unter zwei Jahren wird DEET nicht empfohlen.
Icaridin: Wirkt ebenfalls über mehrere Stunden, keine Einschränkung für Schwangere und Stillende, jedoch nicht für Kinder unter zwei Jahren empfohlen. Icaridin sollte nicht auf gereizte Haut, zum Beispiel bei einem Sonnenbrand, aufgetragen werden.
IR3535 (Ethylbutylacetylaminopropionat, EBAAP): Diesen Wirkstoff gibt es seit über 20 Jahren. Angeblich hat er keine Nebenwirkungen und kann auch schon bei Säuglingen ab zwei Monaten bedenkenlos eingesetzt werden. Allerdings liegen kaum gesicherte Daten über Nebenwirkungen vor, obwohl das Produkt schon so lange auf dem Markt ist. Hautärzte empfehlen zudem eine Anwendung bei Kindern frühestens ab einem Jahr.
Eine natürliche Alternative ist PMD (Para-Menthan-3,8-Diol, Citriodiol). Es wird aus dem Öl einer Eukalyptusart, Eucalyptus maculata citriodon, gewonnen. Es ist der einzige natürliche Inhaltsstoff, der nach Anwendungsstudien eine Wirksamkeit von einigen Stunden zeigte. Er wird mittlerweile bereits synthetisch hergestellt, das natürliche Citriodiol weist jedoch eine längere Wirkdauer auf. Für kleine Kinder und Allergiker wiederum ist dieser Stoff nicht geeignet.
Mücken aus aller Herren Länder Die Globalisierung verändert auch unsere Tierwelt und bringt uns manchmal sehr gefährliche Exemplare. Mücken, die Malaria, Chikungunya- oder das gefürchtete West-Nil-Fieber auslösen können, finden sich mittlerweile auch schon in unseren Breitengraden. Andere gefährliche Erreger wie zum Beispiel HIV können Mücken nicht übertragen, da ihr Verdauungssystem die Viren eliminiert.
Von Bienchen und Blümchen Tagsüber machen uns ab dem Frühjahr bis in den Herbst hinein Bienen, Hummeln, Hornissen und Wespen zu schaffen. Vor allen Dingen Letztere scheinen immer aggressiver zu werden, ihre Stiche sind gefährlich. Wespen & Co. sind bei schönem Wetter unablässig unterwegs. Für sie ist nicht nur die malerisch gedeckte Kaffeetafel eine willkommene Abwechslung auf dem Speiseplan, sondern auch das Fleisch für den Grillabend.
Ziehen sich die Feiern bis in die Dunkelheit, kann man die stechenden Insekten nicht einmal mehr sehen. Daher gilt für Feste im Freien: Lebensmittel und Getränke immer abdecken! Dosengetränke sollte man von einer Feier ganz verbannen, denn durch die schmale Öffnung krabbeln zum Beispiel Wespen in das Getränk hinein und werden im schlimmsten Fall mit dem nächsten Schluck aufgenommen.
Allergiker müssen besonders vorsichtig sein
Menschen, die an Asthma oder Kontaktallergien leiden, haben es häufig schwer, ein geeignetes Repellent zu finden. Denn neben den Stoffen, die Mücken vertreiben sollen, sind in einem solchen Produkt auch noch Alkohol und Duftstoffe enthalten. Selbst als „sensitiv“ gekennzeichnete Produkte kommen nicht immer ohne Konservierungs-, Duft- oder Farbstoffe aus.
Auch Sitzgelegenheiten sollte man immer erst noch einmal genau anschauen, bevor man sich auf ihnen niederlässt. Eine Biene oder Wespe, die gerade einen Krümel vom Sitzbezug „naschen“ will, wird sich mit einem schmerzhaften Stich wehren, wenn man sich auf ihr niederlässt.
Erste Hilfe bei Insektenstichen Ist man gestochen worden, hilft sofortiges Kühlen, zum Beispiel mit Eiswürfeln. Danach kann man kühlende und antiallergene Gels oder Salben benutzen, damit Schmerz und Schwellung abnehmen. Panik bei mehreren Stichen ist bei ansonsten gesunden, erwachsenen Personen unbegründet.
Damit das Gift einer Biene, Wespe oder Hornisse einen Menschen töten kann, müssten schon Hunderte von Tieren gleichzeitig zustechen. Gefährlich sind jedoch alle Stiche in der Mundhöhle oder im Rachen, denn bereits ein Stich kann eine so starke Schwellung hervorrufen, dass Erstickungsgefahr droht. In diesem Fall heißt es sofort: Kühlen, beruhigen, ab ins Krankenhaus oder Notarzt anrufen!
Tödliche Gefahr Insektengiftallergiker reagieren bereits auf eine geringe Menge mit starken Symptomen. Im schlimmsten Fall kann ein lebensbedrohlicher anaphylaktischer Schock eintreten. Insektengiftallergien können ein Leben lang zu jeder Zeit auftreten. Wer sichergehen will, kann sich beim Arzt testen lassen.
Es gibt unterschiedliche Insektengiftallergiker. Einige sind gegen Mellitin allergisch, sie müssen bei Bienen aufpassen. Andere wiederum reagieren auf Phospholipase B, die man im Giftcocktail von Wespen findet. Wer auf Phosopholipase A überschießende Reaktionen zeigt, muss generell vorsichtig sein, denn diesen Stoff produzieren alle: Bienen, Wespen, Hornissen und Hummeln. Gemischte Allergien sind ebenfalls möglich.
Allergiker sollten überall ihr Notfallset mitführen, das im Ernstfall ihr Leben retten kann. Darin befindet sich ein Antihistaminikum, dass gegen die Allergene wirkt, Kortison, um die Schwellung zurückzudrängen, und eine Adrenalinspritze, die bei einem lebensbedrohlichen Schock Atem- und Herztätigkeit normalisieren soll. Eine Vertrauensperson sollte mit dem Notfallset ebenfalls umgehen können, denn in manchen Fällen sind Betroffene nach einem Stich nicht mehr in der Lage, es zu benutzen.
Bei Spaziergängen schnell abgestreiftZecken sind ebenfalls Plagegeister, die uns mit steigenden Temperaturen zusetzen. Meist finden sich die Spinnentiere an Gräsern oder Büschen. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung „springen“ sie ihre Wirte nicht an, sondern lassen sich von ihnen abstreifen. Dazu nutzen sie den Geruch ihres Wirtstieres, denn sehen können die kleinen Blutsauger nichts. An der Haut saugen sie sich mithilfe ihres Stechrüssels fest.
Die Blutmahlzeit selbst funktioniert ähnlich wie bei Mücken: Die Zecken injizieren mit ihrem Speichel schmerzstillende und gerinnungshemmende Stoffe, damit sie in Ruhe Blut saugen können. Zecken tragen sehr viele unterschiedliche Krankheitserreger in sich, von der bekannten Lyme-Borreliose über die Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME) bis hin zu exotischeren Krankheiten wie Ehrlichiose oder Babesiose.
Lyme-Borreliose Sie ist immer noch eine mysteriöse Krankheit. In ihrer akuten Form ähnelt sie einem grippalen Infekt. Die Wanderröte um die Einstichstelle herum tritt nicht in jedem Fall auf, sodass viele Infektionen unbemerkt vorübergehen. Die Borrelien verbleiben jedoch im Körper und können später, zum Teil erst nach Jahren, schwere Symptome auslösen. Diese wiederum sind so unspezifisch und reichen unter anderem von Gliederschmerzen über neurologische Störungen bis hin zu depressiven Verstimmungen, dass die Borreliose häufig erst sehr spät, wenn überhaupt, diagnostiziert wird.
Während sich eine akute Borreliose durch eine Antibiotikakur relativ gut therapieren lässt, ist eine chronische kaum noch in den Griff zu bekommen. In einigen deutschen Ländern gibt es mittlerweile eine Meldepflicht, eine Impfung befindet sich in der Entwicklung.
Impfen möglich Anders bei der zweiten großen Zeckenkrankheit, die FSME, der man vorbeugen kann. Das Robert Koch-Institut bringt jedes Jahr eine Karte der gefährdeten Gebiete heraus, die bisher 140 Kreise umfasst (Stand Mai 2012). Am stärksten betroffen ist dabei immer noch Süddeutschland mit 122 Kreisen (Bayern: 79, Baden-Württemberg: 43).
Auch Kinder in Risikogebieten sollten gegen FSME geimpft werden.
Da es für die FSME keine ursächliche Therapie gibt und man nur die einzelnen Symptome therapieren kann, empfiehlt sich eine Impfung für alle, die in gefährdeten Gebieten Urlaub machen, sowie Personen, die sich überdurchschnittlich viel in der Natur bewegen. Die Immunisierung besteht aus drei Impfungen. Vier Wochen nach der ersten erfolgt die zweite, neun bis zwölf Monate danach die dritte Impfung. Der Schutz hält etwa fünf Jahre an und sollte dann aufgefrischt werden.
Wer den Schutz schneller braucht, zum Beispiel, weil er sich in absehbarer Zeit in einem der Risikogebiete aufhält, kann auch eine Schnellimpfung durchführen, in der die drei Dosen innerhalb von drei Wochen gegeben werden. Für einen Langzeitschutz empfiehlt sich dann aber eine Auffrischung nach einem Jahr.
Umsichtig sein, vorbeugen Borrelien finden sich im Darm der Zecke. Bis diese Erreger in die Stichwunde gelangen, können einige Stunden vergehen. Die FSME-Erreger hingegen sitzen im Speichel der Zecke und können direkt beim Stich in den Blutkreislauf des Menschen gelangen. Es ist also wichtig, Zecken so schnell wie möglich nach einem Stich zu entfernen. Dabei darf man sie auf gar keinen Fall quetschen, sondern mit einer Pinzette gerade nach oben herausziehen.
»Der Schutz einer FSME-Impfung hält etwa fünf Jahre an.«
Danach sollte man die Einstichstelle einige Wochen lang beobachten. Zeigt sich die auffällige Wanderröte, sollte man sofort zum Arzt gehen. Auch bei unspezifischen Symptomen wie beispielsweise denen einer Sommergrippe ist es ratsam, einen Arzt aufzusuchen. Noch besser ist es natürlich, einem Zeckenstich gar nicht erst ausgesetzt zu sein. Das erreicht man am ehesten, indem man bei Spaziergängen lange Kleidung trägt und auf den Wegen bleibt.
Nach dem Aufenthalt in der Natur sollte man sich und seine Kleidung genau untersuchen. Zecken sterben erst bei einer Temperatur von mindestens 60 °C ab, also sollte Kleidung mindestens so heiß gewaschen werden. Die üblichen Repellents, die auch gegen Zecken wirken sollen, sind nicht besonders zuverlässig. Die meisten wirken gar nicht oder nur wenige Minuten lang.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 06/13 ab Seite 14.
Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist