Neue Bewertung | Uneinheitlichkeit
MILCH - GESUND ODER GESUNDHEITSSCHÄDLICH?
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„Milch macht müde Männer munter“ – dieser Werbespruch erscheint heute aus einer fernen Galaxie. Ist die Milch doch immer mehr in Verruf geraten. In Bas Kasts Bestseller „Der Ernährungskompass“ bezeichnet der Autor die Milch als „ein Ultra-Wachstumsgetränk in einer Lebensphase, in der wir praktisch nicht mehr wachsen. Wachstumsfaktoren im Überfluss treiben den Alterungsprozess des Körpers voran.“
Unbestritten ist jedoch, dass Milch in ihrer Gesamtzusammensetzung ein nahezu vollwertiges Lebensmittel ist. Sie hat beispielsweise jede Menge Calcium zu bieten, weshalb ihr als Prophylaktikum von Knochenbrüchen oder Osteoporose ein Nutzen attestiert wird. Doch selbst hier spreche die Gesamtevidenz eher gegen diesen Schluss, berichtet ein Team um Dr. Walter Willett von der Harvard University in Boston. Wenn man also die Fakten zugrunde legt, schützt Milch keineswegs vor Knochenbrüchen – die Länder mit dem höchsten Milchkonsum weisen nämlich paradoxerweise tendenziell die höchsten Raten an Hüftfrakturen auf. Diese Korrelation ist aber nicht zwingend kausal, sie könnte durch Faktoren wie den Vitamin-D-Status und die ethnische Zugehörigkeit verzerrt sein. Schwierigkeiten gibt es auch beim Umkehrschluss; Ein niedriger Milchkonsum ist keineswegs mit hohen Raten an Hüftfrakturen assoziiert. Kein eindeutiger Zusammenhang besteht zwischen den Gesamtmilchkonsum und der Gewichtskontrolle oder dem Risiko von Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen; egal ist auch, ob Voll- oder Magermilch konsumiert werden.
Nur Joghurt oder andere fermentierte Milchprodukte könnten hier eine Ausnahme bilden – denn frisch fermentierte Milchprodukte als eine Quelle für Probiotika schützen wohl in der modernen westlichen Ernährung vor Fettleibigkeit, weil sie sich günstig auf das Darmmikrobiom auswirken.
Wahrscheinlich ist die Bewertung von Milch so umstritten, weil die Zuordnung der Studien einen gewissen Spielraum zulässt. Da ist zum Beispiel das Risiko an Prostata-, Endometrium- und Brustkrebs zu erkranken: Der Verzehr großer Mengen an Milchprodukten erhöht es. Eventuell liegt das daran, dass eine hoher Milchkonsum mit erhöhten Plasmakonzentrationen des Insulin-like-Growth-Factors I (IGF-I) korreliert. Aber: Das Risiko für Darmkrebs nimmt wiederum ab, was mit dem Calcium-Gehalt der Milch in Verbindung stehen könnte. Die Autoren der Studien mahnen allerdings zur Vorsicht, da fast alle prospektiven Studien an Personen mittleren oder höheren Alters durchgeführt wurden, wohingegen viele Krebsrisikofaktoren in der Kindheit oder im frühen Erwachsenenalter ihre höchste Relevanz entfalten.
Um die Verwobenheiten inmitten der Studien komplett zu machen: Die gesundheitlichen Auswirkungen des Milchkonsums hängen auch noch stark mit den generellen Ernährungsgewohnheiten des Einzelnen zusammen. In vielen Fällen schneiden Milchprodukte gegenüber einem Verzehr von rotem Fleisch oder zuckergesüßten Getränken gut ab – werden sie jedoch auf Kosten von pflanzlichen Proteinquellen wie zum Beispiel Nüssen konsumiert, hat das wiederum negative Auswirkungen. Fazit: Die Lage bleibt unübersichtlich.
Alexandra Regner,
PTA und Journalistin
Quellen:
Bas Kast: Der Ernährungskompass. Das Fazit aller wissenschaftlichen Studien zum Thema Ernährung.
Pharmazeutische Zeitung