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Repetitorium

MAGENBESCHWERDEN – TEIL 2

Wo liegen die Grenzen der Selbstmedikation? Welche Behandlungsmöglichkeiten existieren bei Sodbrennen, GERD, Gastritis, Ulkus & Co.? Das ist Thema dieses Repetitoriums. Oberbauchbeschwerden sind – wie in Teil 1 erläutert – häufig quälend, aber unspezifisch.

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Was in der Schilderung des Betroffenen zunächst harmlos klingt, kann, muss aber nicht ernstere Folgeerkrankungen nach sich ziehen. Ganz abgesehen davon, dass jegliches pharmazeutische Personal keine Diagnose stellen darf, werden selbst Ärzte eine wirklich zuverlässige diagnostische Zuordnung ausschließlich anhand der geschilderten Symptomatik kaum schaffen. Dem steht gegenüber, dass in den meisten Fällen die Behandlung säurebedingter Beschwerden sehr gut durch Selbstmedikation möglich ist.

Der typische Sodbrenn-Patient ist über 40 Jahre alt, oft übergewichtig und klagt über gelegentlich auftretende Beschwerden, meist Druckgefühl und Brennen hinter dem Brustbein sowie saures Aufstoßen. Die Probleme verstärken sich beim Bücken, flachen Liegen und nach üppigen Mahlzeiten. Häufig stellen sich die Beschwerden nach Ernährungsfehlern ein, etwa nach übermäßigem Genuss von Nikotin, Alkohol oder auch zu viel fettem oder süßem Essen. Typischer Sodbrenn-Patient ist aber auch die Schwangere, insbesondere im dritten Trimenon, da die vergrößerte Gebärmutter auf den Magen drückt und das vermehrt gebildete Hormon Progesteron den Schließmuskel zusätzlich erschlaffen lässt.

Grenzen der Selbstmedikation Treten Symptome auf, die in Art und Stärke eher untypisch für Sodbrennen sind, sollte dem Betroffenen umgehend der Arztbesuch nahegelegt werden. Hierzu gehören:

  • anhaltende Appetitlosigkeit,
  • deutlicher Gewichtsverlust ,
  • Schluckbeschwerden,
  • Übelkeit, Erbrechen,
  • gastrointestinale Blutungen, etwa Blut im Stuhl, Erbrechen von Blut,
  • Fieber, ausgeprägtes Krankheitsgefühl,
  • starke, anhaltende Magenschmerzen, die mit dem Finger lokalisierbar sind, aber auch
  • fortdauernde Beschwerden trotz SM-Therapie.

Möglichst bald sollten Kunden einen Arzt aufsuchen, die schon

  • chronisch unter der Refluxsymptomatik leiden,
  • häufiger als dreimal wöchentlich Beschwerden zeigen,
  • Tumore des Gastrointestinaltraktes in der Familie haben/hatten,
  • Magenschmerzen womöglich als Nebenwirkung von Arzneimitteln, etwa nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) oder Glucocorticoiden aufweisen, oder
  • an weiteren schwereren Erkrankungen wie Koronare Herzkrankheit (KHK), Gallenwegs-Erkrankungen, Diabetes mellitus, Asthma bronchiale leiden.

Erste Abhilfe: Lebensgewohnheiten ändern In der Apotheke empfiehlt es sich zu erfragen, ob die Beschwerden (Sodbrennen) beziehungsweise die Erkrankung durch das Verhalten des Betroffenen ausgelöst sein könnte. Im Gegenzug kann eine Änderung solcher Lebensgewohnheiten zur Besserung der Beschwerden beitragen. Relevante Tipps sind beispielsweise:

  • Nahrungsmittel, welche die Magensäureproduktion anregen, insbesondere Süßigkeiten, Kaffee, Alkohol, fette Speisen, aber auch scharfe Gewürze, Zitrusfrüchte oder Zwiebeln sollten gemieden werden.
  • Kleinere, eiweißreiche, fettarme Mahlzeiten über den Tag verteilt sind sinnvoll.
  • Essen immer in aufrechter Position einnehmen.
  • Bis zwei, drei Stunden nach einer Mahlzeit nicht hinlegen, das gilt auch abends vor dem Schlafengehen.
  • Es hilft, Übergewicht zu reduzieren und für ausreichend Bewegung zu sorgen.
  • Gerade bei nächtlichen Beschwerden ist eine Hochlagerung des Oberkörpers während der Nachtruhe um mindestens zehn Zentimeter empfehlenswert.

GERD-Management Die Diagnose GERD wird – zusätzlich beziehungsweise auch unabhängig vom Vorliegen klinischer Symptome – ärztlicherseits auf Grund des technischen Refluxnachweises (pH-Metrie, Impedanz) oder des Nachweises von Refluxfolgen (Endoskopie, Histologie, Elektronenmikroskopie, Ösophagus-Manometrie) gestellt. Eine Routineendoskopie wird heute bei Beschwerden ohne Vorliegen von Alarmsymptomen (etwa gastrointestinale Blutung, zunehmender ungewollter Gewichtsverlust, Erbrechen, Schluckbeschwerden, Eisenmangelanämie, Ulkusvorgeschichte, Einnahme nichtsteroidaler Antirheumatika) jedoch nicht mehr durchgeführt.

»Gerade bei nächtlichen Beschwerden ist eine Hochlagerung des Oberkörpers während der Nachtruhe um mindestens zehn Zentimeter empfehlenswert.«

Stattdessen wird sehr häufig als Diagnose- und gleichzeitiger Therapieweg ein vierwöchiger hochdosierter Versuch mit einem Protonenpumpenhemmer empfohlen. Bessert sich die Symptomatik, spricht dies für die Refluxkrankheit. Obwohl GERD nicht mit einer Helicobacter-pylori-Infektion assoziiert ist, wird zur Abgrenzung von einer Gastritis Typ B gerne auf den Erreger getestet und bei entsprechend positivem Befund eine Eradikationstherapie eingeleitet.

Treten die Beschwerden erneut auf, ist eine Langzeitbehandlung indiziert. Dabei wird der Protonenpumpenhemmer allmählich auf die niedrigste effektive Dosis reduziert (Step-down-Strategie). Trotz der hohen Wirksamkeit und Sicherheit der Protonenpumpeninhibitoren auch in der Langzeitbehandlung stellt das fehlende Ansprechen einiger Patienten ein Problem dar. Ein Wechsel des Präparates oder Erhöhung der Dosis auf etwa zweimal tägliche Dosierung kann in diesen Fällen zu einer Verbesserung führen.

Treten die Beschwerden vorwiegend nachts auf, hat sich die zusätzliche Einnahme eines H2-Blockers vor dem Schlafengehen bewährt. Ansonsten gilt: Antazida oder H2-Rezeptorantagonisten können im Einzelfall bei Patienten mit NERD (nichterosive GERD-Form) eingesetzt werden, sind insgesamt PPI hinsichtlich der Wirksamkeit aber unterlegen. Manche GERD-Patienten bevorzugen Gastroprokinetika wie Metoclopramid (MCP) und Domperidon. Beide Stoffe sind verschreibungspflichtig, beschleunigen zwar die Magenentleerung, helfen jedoch nachgewiesenermaßen nur bedingt gegen die Beschwerden der gastroösophagealen Refluxkrankheit.

Eine Antireflux-Operation ist nur bei strengster Indikationsstellung erwägenswert, allerdings nicht unbedingt von Erfolg gekrönt. Interessant ist, dass es eine enge Korrelation von GERD zu Atemwegserkrankungen, Asthma und Schnarchen gibt. Ebenso ist die gastroösophageale Refluxkrankheit eng mit nächtlicher Schlafstörung, Benzodiazepin-Abusus, Müdigkeit am Tage und Bluthochdruck vergesellschaftet.

CHECKLISTE FÜR DAS BERATUNGSGESPRÄCH
Symptom Sodbrennen: Ist eine funktionelle Dyspepsie (Reizmagen, „nervöser“ Magen) oder ein Reflux die „Ursache“? Sind die Beschwerden auf einen Säureüberschuss zurückzuführen oder sind sie eher motilitätsbedingt? Dann haben die Betroffenen nicht zu viel Säure, sondern eher Säure am falschen Ort, so das Kompetenzteam Magen, bestehend aus führenden Gastroenterologen. Die richtige Fragestellung hilft, dies herauszufinden.

Reflux
+ Treten die Beschwerden vor allem nachts auf? Wachen Sie deshalb auf?
+ Leiden Sie gegenwärtig unter einer sehr großen Arbeitsbelastung?
+ Kommt es häufig zu Aufstoßen und Schmerzen im Thoraxbereich?
+ Merken Sie, dass Bohnenkaffee oder Speisen mit „schlechtem“, kaltem Fett nicht gut tun?

Funktionelle Dyspepsie
+ Treten die Beschwerden vor allem in Zusammenhang mit Mahlzeiten auf?
+ Haben Sie seelischen Stress?
+ Sind Sie häufig schon nach dem zweiten Bissen satt? Fühlen Sie sich aufgebläht?
+ Brauchen Sie eine spezielle Diät, um Beschwerden zu vermeiden?

Nach Quelle: Kompetenzteam Magen

Besonders aufgepasst werden muss, da eine Reihe von Medikamenten GERD verursachen oder die Symptomatik verstärken können: Hierzu gehören insbesondere Kalzium-Antagonisten, Nitropräparate, Theophyllin und Aminophyllin (diese verstärken auch ein Reflux-bedingtes Asthma), Anticholinergika, beta-adrenerge Agonisten, Benzodiazepine, pfefferminzhaltige Präparate und Estrogenpräparate, insbesondere bei postmenopausaler Hormontherapie.

Im Gegensatz zu den genannten Medikamenten, die durch die Beeinflussung der Motilität eine Refluxösophagitis induzieren können, verursachen andere eine Motilitäts-unabhängige, toxische Ösophagitis, die direkt lokal (NSAR, Bisphosphonate, Doxycylin, Eisensulfat, Ascorbinsäure) oder systemisch ausgelöst werden kann (Zytostatika).

Kann im Gespräch in der Apotheke geklärt werden, dass die Beschwerden eher mild sind, erst seit Kurzem bestehen und einem der typischen Auslöser zuzuordnen sind, ist auch hier eine Selbstbehandlung vertretbar. Daher hat der Gesetzgeber mittlerweile einige Protonenpumpen-Inhibitoren für diese Indikation für einen Zeitraum von 14 Tagen in bestimmter Dosierung auch für die Selbstmedikation freigegeben. Hat der Betroffene allerdings häufiger als dreimal wöchentlich dyspeptische Beschwerden, sollte ihm neben der Einnahme der PPI auf jeden Fall zum Arztbesuch geraten werden.

Gastritis-Management Diagnostiziert wird eine Gastritis häufig anamnestisch aufgrund der geschilderten Symptome und erkannten Auslöser, abgesichert durch eine Magenspiegelung (Gastroskopie), eventuell begleitet von histologisch untersuchten kleinen entnommenen Gewebeproben. Auch eine Blutuntersuchung kann zur Diagnosestellung hilfreich sein. Eine akute Gastritis heilt in der Regel nach Beseitigung der auslösenden Noxe von selbst ab. Je nach Schweregrad können Antazida, H2-Antagonisten oder bei schlimmeren Beschwerden Protonenpumpenhemmer sinnvoll sein.

Bei einer durch Schmerzmittel hervorgerufenen Gastritis sind neben dem Absetzen des Analgetikums, NSAR – die Protonenpumpeninhibitoren Mittel der ersten Wahl. Für die Selbstmedikation bieten sich Phytopharmaka an, da sie viele Gastritis-Betroffene als wohltuend und heilsam empfinden.

Folgende Pflanzen helfen:

  • motilitätsfördernd wirken beispielsweise bittere Schleifenblume (Iberis amara), Kalmuswurzelstock (Calami rhizoma), Angelikawurzel (Angelicae radix)
  • sekretionssteigernd wirken Bitterdrogen, zum Beispiel Enzianwurzel (Gentianae radix),
  • krampflösend (spasmolytisch) wirken etwa Fenchel (Foeniculum vulgare), Kümmel (Carvi fructus), Süßholzwurzel (Liquiritiae radix), Schöllkraut (Chelidonium herba)
  • antiphlogistisch wirken beispielsweise ebenfalls die Süßholzwurzel sowie echte Kamillenblüten (Matricariae flos).

Fertige Teemischungen, aber auch flüssiger Kamillen-Extrakt oder entsprechende Pflanzen-Auszugs-Kombinationen sind im Handel erhältlich. Bei leichten Magenschleimhautentzündungen können außerdem Lein- und Flohsamenschleim zum Schutz eingesetzt werden. Bei den chronischen Gastritis-Formen heilt der Typ C (C = chemisch induziert) ebenfalls schnell ab, wenn die auslösenden Noxen eliminiert sind. Für den Typ A (A = autoimmun induziert) existiert keine ursächliche Behandlung.

Da die verminderte Aufnahme von Vitamin B12 eine perniziöse Anämie begünstigt, wird bei nachgewiesenem Vitamin- B12-Mangel dieses durch intramuskuläre Injektionen substituiert. Eine orale Aufnahme ist nicht mehr gegeben, da die Magenzellen oft kaum noch Intrinsic Factor produzieren und deshalb keine Vitamin-B12-Resorption mehr aus dem Dünndarm erfolgt. Außerdem sind jährliche Kontrolluntersuchungen wegen der Möglichkeit des Entstehens eines Magenkarzinoms sinnvoll.

Im Falle der am häufigsten vorkommenden Typ B-Gastritis (B = bakteriell induziert), meist ausgelöst durch die Besiedelung mit Helicobacter pylori, wird dieser nach Erreger-Nachweis durch Atem-, Blut-, Stuhltest oder Anfärbung in der Biopsie (Gewebeprobe) mittels Eradikations-Therapie (Kombinationstherapie PPI und mehrere Antibiotika) eliminiert.

ZUSATZINFORMATIONEN
Magengeschwür-Management
Die Diagnose „Ulkus“ muss der Arzt (Gastroenterologe) stellen. Sowohl zur Diagnose eines Magengeschwürs als auch zu seiner Abheilungskontrolle ist immer eine Magenspiegelung erforderlich, da etwa acht Prozent aller Magengeschwüre bösartig verlaufen können. Selbst eine Gewebeuntersuchung (Biopsie) bietet keine vollständige Sicherheit vor einem Magenkrebs, da beispielsweise eine Probenentnahme durchaus aus einem noch nicht bösartig veränderten Magengeschwürsanteil erfolgt sein kann.

Da Helicobacter pylori-Besiedelung bei der Ulkusentstehung (siehe Repetitoriumsteil 1) eine wesentliche Rolle spielt, wird auch hier mittels Atem-, Blut-, Stuhltest oder Anfärbung in der Biopsie (Gewebeprobe) ein Erreger-Nachweis durchgeführt. Ist kein Helicobacter pylori nachweisbar und nimmt der Patient auch keine Ulkus-begünstigenden Medikamente (NSAR, Cortisonpräparate) ein, hat der Arzt gegebenenfalls abzuklären, ob ein Zollinger-Ellison-Syndrom (Ursache: Übersekretion des Gewebshormons Gastrin) oder eine Nebenschilddrüsen-Überfunktion vorliegen.

Therapie der ersten Wahl ist die Ursachenbekämpfung, also Helicobacter-Eradikation und bei den zehn bis 15 Prozent der Betroffenen, bei denen die regelmäßige NSAR- und/oder Cortison-Einnahme verantwortlich ist, das Absetzen /Umstellen auf andere Medikation indiziert. Nur bei unbekannter Ulkusursache wird symptomatisch vorgegangen mittels Senkung der Protonenkonzentration und Schutz der Schleimhaut durch Intensivierung der Schleimproduktion. Auch hier stehen wieder Protonenpumpen-Inhibitoren als Mittel der ersten Wahl, sehr viel seltener angewandt heutzutage H2-Blocker und gegebenenfalls Antazida als Arzneistoffe zur Verfügung. Ein Ulkus ist allerdings keinesfalls ein Fall für die Selbstmedikation. Häufig oder stark blutende Ulzera müssen sogar operiert werden.

Im dritten Repetitoriumsteil stehen die Arzneistoffprofile der in der Selbstmedikation anwendbaren chemisch synthetisierten Wirkstoffgruppen auf dem Programm.

Hier kommen Sie zu Teil 1.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 05/15 ab Seite 76.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin

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