Repetitorium
KORONARE HERZKRANKHEIT – TEIL 1
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Im Herz fehlt Sauerstoff. Auf diesen einfachen Nenner könnte man die Koronare Herzkrankheit, manchmal auch gerne als ischämische Herzkrankheit bezeichnet, bringen – tödlicher Ausgang häufig inbegriffen. In den Industrienationen sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen – allen voran die koronare Herzkrankheit (KHK) – noch immer die häufigsten Todesursachen im Erwachsenenalter.
Definition Bei der koronaren Herzkrankheit (KHK; ICD- 10-Code: I20 – I25 Ischämische Herzkrankheiten) kommt es zu einer Sauerstoff-Minderversorgung des Herzmuskels aufgrund einer Verengung der Herzkranzgefäße. Das sind die Blutgefäße, die das Herz mit sauerstoffreichem Blut und Energie liefernden Nährstoffen versorgen. Der Herzmuskel wird weniger durchblutet, es entsteht ein Missverhältnis zwischen Angebot und tatsächlichem Sauerstoffbedarf. Als kontinuierlich arbeitendes Organ, das keine Sauerstoffschuld eingehen kann, reagiert der Herzmuskel sehr empfindlich auf einen Sauerstoffmangel.
Häufigste Ursache dafür ist eine Atherosklerose (Arteriosklerose, Arterienverkalkung, „Gefäßverkalkung“) der das Herz versorgenden Gefäße, wobei meist primär die größeren Koronararterienäste davon betroffen sind. Hierbei bedingen Ablagerungen in und nicht etwa an den Gefäßwänden eine Versteifung, eine zunehmende Minderung des Gefäßquerschnitts bis zur letzlich vollständigen Verstopfung, teils auch durch zusätzliche Thrombenbildung.
Die Manifestation der Arteriosklerose an den Herzkranzgefäßen (Koronarsklerose) wird in der Nationalen Versorgungsleitlinie Chronische KHK der Bundesärztekammer, Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KV) sowie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) tatsächlich definitionsgemäß als die einzige, da sicherlich wichtigste KHK-Ursache genannt.
Bei einer weiter gefaßten Definition kämen für eine KHK (auch nicht-chronische Varianten) aber auch noch andere Ursachen zum Tragen: So können Gefäßkrämpfe (Spasmen) beispielsweise eine Durchblutungsstörung bedingen oder eine krankhafte Funktionsstörung der kleinen Blutgefäße (mikrovaskuläre Funktionsstörung). Vegetative Fehlsteuerungen, Herzinsuffizienz sowie erhöhter Sauerstoffbedarf aufgrund gesteigerter Herzleistung, beispielsweise bedingt durch Bluthochdruck oder einen Herzklappenfehler, umgekehrt ein zu niedriger Sauerstoffgehalt des Blutes, etwa infolge von Anämien, Methämoglobinämie oder einer Kohlenmonoxidvergiftung können weitere Ursachen sein.
Bei der KHK – wie sie üblicherweise verstanden wird – handelt es sich jedoch um eine chronische Erkrankung, die peu à peu fortschreitet, und zwar über Jahre bis Jahrzehnte.
Manifeste Symptome und Folgen Bemerkbar macht sich die Erkrankung durchaus unterschiedlich, es existieren also verschiedene klinische Ausprägungsformen. Vor allem wenn das Herz durch körperliche oder seelische Belastungen mehr Sauerstoff benötigt, kommt es häufig zunächst zu einem vorübergehenden Angina pectoris-Anfall (stabile Angina pectoris). Hauptsymptome hier: Brustenge, belastungsabhängige Beschwerden/Schmerzen. Luftnot, Schweißausbrüche und Übelkeit.
Oft kommt ein Gefühl der Lebensbedrohung hinzu. In manchen KHK-Fällen sind die mit Brustenge verbundenen plötzlich auftretenden Schmerzen, die bis in Hals, Unterkiefer, Zähne, meist in die linke Schulter und Arme ausstrahlen können, allerdings gering oder bleiben ganz aus (beschwerdefreie, asymptomatische Angina pectoris-Form). Besonders bei Menschen, die an Diabetes leiden, kann es passieren, dass die KHK keine bemerkbaren Beschwerden verursacht. Ähnliches gilt, wenn schon eine erfolgreiche revaskulisierende Therapie (Ballondilatation, Stentimplantation, Bypass-Operation) erfolgte sowie für einen symptomlosen Zustand nach Myokardinfarkt.
Deutlich lebensbedrohliche Formen der KHK werden gerne unter dem Begriff Akutes Koronarsyndrom zusammengefasst. Dieses schließt die instabile Angina pectoris (jede neu auftretende Angina pectoris, deutliche Wechsel in Häufigkeit und Schwere der Symptome, Auftreten der Beschwerden/ Schmerzen auch schon in Ruhe, meist schon Untergang von Herzmuskelgewebe) und den Myokardinfarkt (regionaler Untergang von Herzmuskelgewebe aufgrund Verschluss einer Herzkranzarterie), die durch die KHK bedingte Herzinsuffizienz (Herzmuskelschwäche), Herzrhythmusstörungen (Arrhythmien) und den plötzlichen Herztod mit ein.
Als Ursache für die unterschiedlich stark ausgeprägten Symptome bei der instabilen Angina pectoris werden in ihrer Größe wechselnde thrombotische Auflagerungen auf atherosklerotischen Plaques, Plaqueruptur mit Thrombusbildung sowie Koronarspasmen angenommen. Kommt es zu einer instabilen Angina pectoris, die nicht durch Ruhe oder sofort wirksame Medikamentengabe (Nitroglycerin-Präparate) abklingt oder gar zu deren seltenen Sonderform, der Prinzmetal-Angina (Koronarspasmus, Schmerzen treten auch in Ruhe auf, beispielsweise im Schlaf), letztlich womöglich gar zum Herzinfarkt, ist dies unmittelbar lebensbedrohlich und es gilt umgehend einen Notarzt zu rufen.
Zu merken gilt jedoch: Eine Angina pectoris gilt als Haupt- Leitsymptom. Die stabile Angina pectoris ist führendes Symptom der chronischen KHK. Hauptauslöser sind körperliche Belastung („Belastungsangina“), psychische Erregung, Kälte oder ausgiebige Mahlzeiten. Die stabile Angina pectoris wird nach einer international üblichen CCS-Klassifikation (Klassifikation der Canadian Cardiovascular Society) in verschiedene Schweregrade eingeteilt, was in der Therapie der chronischen KHK (siehe Repetitoriumsteil 2 und 3) eine Rolle spielt.
SCHWEREGRADE DER ANGINA PECTORIS:
Klasse 1 (CCS 1): Keine Angina pectoris bei Alltagsbelastung (Laufen, Treppensteigen), jedoch bei plötzlicher oder längerer physischer Belastung
Klasse 2 (CCS 2): Angina pectoris bei stärkerer Anstrengung (schnelles Laufen, Bergaufgehen, Treppensteigen nach dem Essen, bei Kälte, Wind oder psychischer Belastung)
Klasse 3 (CCS 3): Angina pectoris bei leichter körperlicher Belastung (normales Gehen, Ankleiden)
Klasse 4 (CCS 4): Ruhebeschwerden oder Beschwerden bei geringster körperlicher Belastung
KHK-Risikofaktoren Ob und wann sich bei einem Menschen eine KHK entwickelt, lässt sich schwer prognostizieren. Aber je höher sein Risikoprofil für Herz-Kreislauferkrankungen ist, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit auf eine KHK. Zu den bekannten Risikofaktoren zählen:
- Ungünstige Blutfette: hohes LDL-Cholesterin, erhöhte Triglyceride, erhöhtes Lipoprotein
- Arterielle Hypertonie (Bluthochdruck)
- Thrombophilie (Thromboseneigung)
- Rauchen
- Diabetes mellitus
- Erbliche Faktoren (schon aufgetretene KHK bei erstgradigen Angehörigen, also Eltern oder Geschwister)
- Adipositas (Fettleibigkeit, insbesondere abdominal – also Bauchfett -, Übergewicht)
- Ungesunde Ernährung (viel Fett; viel rotes, fettes Fleisch, wenig Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Ballaststoffe)
- Bewegungsmangel
- Psychosozialer Stress
- Männliches Geschlecht und Alter. Bei Frauen wird allerdings mit den Wechseljahren ein erhöhtes Erkrankungsrisiko festgestellt. Zahlreiche Studien geben Hinweise darauf, dass das Hormon Estrogen zuvor eine Arzt Schutzfunktion ausübt.
- Schlafapnoe (starkes Schnarchen mit zeitweisem Aussetzen der Atmung)
- Hyperurikämie (erhöhter Harnsäuregehalt im Blut, etwa bei einer Gicht).
Mittlerweile durchgeführte Langzeit-Studien belegen, dass Rauchen, Hypercholesterolämie und Hypertonie die drei wichtigsten Risikofaktoren für die Entstehung einer KHK sind. Interessant ist, dass laut Untersuchungen Rauchen die Sterblichkeit (Mortalität) deutlich stärker erhöht als etwa ein Diabetes mellitus. Ungenügende körperliche Bewegung, hektische Lebensweise und anhaltende psychische Frustrationen können eine koronare Herzkrankheit deutlich begünstigen.
Niedrige Sozialschicht, mangelnde soziale Unterstützung, Stress in Beruf und Familie, Depressivität, Angst, posttraumatische Belastungsstörungen, Schizophrenie oder eine bipolare Störung können die Entwicklung und den Verlauf einer KHK sowie die Lebensqualität der Betroffenen deutlich negativ beeinflussen. Insgesamt kommt es durch all die Risikofaktoren in verschiedenen Organen zu Funktionseinschränkungen, die sich natürlich nicht nur als KHK mit Angina pectoris, in weiterer Folge als Myokardinfarkt oder plötzlicher Herztod auswirken können. Auch periphere arterielle Durchblutungsstörungen, Hirndurchblutungsstörungen mit Schlaganfall, Nierenschwäche oder gar Nierenversagen können als Folge der genannten Risiken resultieren.
Vorkommen und Verbreitung Epidemiologische Daten können die Häufigkeit, die Verteilung und den Verlauf eines Erkrankungsbildes innerhalb der Bevölkerung feststellen. Fest steht: mit zunehmendem Alter steigt die Häufigkeit der Volkskrankheit KHK stark an. Während vor allem im jüngeren Alter eine deutlich höhere KHK-Sterblichkeit der Männer gegenüber den Frauen besteht, kommt es in höheren Altersgruppen zu einer Angleichung. Etwa 30 Prozent aller Männer und 15 Prozent aller Frauen erkranken im Laufe ihres Lebens an einer KHK.
Erkannt leiden in Deutschland etwa eine Millionen Menschen daran. In Deutschland und ebenso in den USA und den meisten westeuropäischen Ländern sinken seit Beginn der 1980er Jahre – der besseren Versorgungslage, frühzeitiger Erkennung und Behandlung sei dank – jedoch die Anzahl der Todesfälle. Dennoch stellt die Erkrankung weiterhin eine der häufigsten Todesursachen dar. Und aufgrund der demographischen Entwicklung mit Zunahme des Anteils älterer Menschen bei steigender Lebenserwartung ist zu erwarten, dass die KHK-Erkrankungs- Zahlen in Zukunft eher wieder zunehmen.
Diagnostik bei (Verdacht auf) KHK Um einer KHK vorzubeugen oder sie frühzeitig zu erkennen (wichtig, um Spätschäden wie eine Herzinsuffizienz zu vermeiden), sollte Kunden geraten werden sich regelmäßig ärztlicherseits durchchecken zu lassen – beispielsweise beim Check-up, der gesetzlich Versicherten ab 35 Jahre alle zwei Jahre kostenfrei zusteht.
Insbesondere bei Apotheken-Kunden, die ein erhöhten Risiko für Herz- und Kreislauf-Erkrankungen aufweisen, was an Rezepten mit Blutdruckmedikamenten, erhöhten Blutfettwerten, Diabetes mellitus, aber auch an Übergewicht oder Zigarettenrauchen unschwer erkannt werden kann, sollte dies als Hinweis ab und an mit auf den Weg gegeben werden.
Dem Arzt stehen zur Feststellung beziehungsweise zum Ausschluss einer chronischen koronaren Herzkrankheit zahlreiche Untersuchungsmethoden zur Verfügung: Neben der obligatorischen Anamnese (Befragung des Betroffenen: leidet dieser unter pektangiösen Beschwerden, ist dies hochverdächtig für das Vorliegen einer KHK, Risikofaktoren-Abklärung) ist eine körperliche Untersuchung inklusive einer Blutuntersuchung, Messung des Blutdrucks, EKG (Basis: Ruhe-, spezieller: Belastungs-, Langzeit- EKG) zur Abklärung möglich. Kardiologen können im Bedarfsfall auch ganz spezielle Herzuntersuchungen durchführen: Echokardiografie (Ultraschall-Untersuchung des Herzens), womöglich auch eine Stress(Belastungs)-Echokardiografie (körperliche Belastung via Laufband oder Ergometer; pharmakologische Belastung mittels Katecholaminen – Dobutamin – oder Vasodilatatoren – Adenosin).
Auch eine Dopplersonografie der Gefäße, meist der Halsschlagadern, kann vorgenommen werden. Noch spezieller ist die nuklearmedizinische Perfusionsdiagnostik, etwa die Myokard-Perfusions-Single-Photonen-Emissionstomographie (SPECT) als Standardverfahren zur Darstellung der myokardialen Durchblutungssituation, die Myokard-Perfusions- Positronen-Emissions-Tomographie (PET) zur kardialen Durchflussmessung mit noch höherer räumlicher Auflösung oder MRT-Verfahren wie die Stress-Perfusions-Magnet-Resonanz- Tomographie (MRT), das in etwa 30 Minuten eine umfassende Beurteilung des Herzens ermöglichen kann, das Dobutamin-Stress-MRT oder die MR-Koronarangiographie.
Auch die kardiale Mehrschicht-Spiral-Computertomographie (MSCT) hat sich seit mehr als zehn Jahren in der Diagnostik der KHK etabliert. Hiermit können gut koronare Verkalkungen (CT-Calcium-Scoring) oder auch Koronarstenosen (CT-Koronarangiographie) entdeckt sowie quantifiziert werden. Allerdings sind Stress-Perfusions-MRT, Dobutamin-Stress-MRT oder CTAngiographie gegenwärtig keine GKV-Leistung. Und wenn einer akuter Myokardinfarkt (Herzinfarkt) bereits eingetreten ist? Hier ist schnelles Handeln, beispielsweise ein Notarztruf, unumgänglich und wesentlich für die Prognose. EKG aber auch biochemische Marker sind wichtige Hilfsmittel für die schnelle Diagnosestellung.
Das Enzym Kreatinkinase (CL) und das Isoenzym MB werden als Marker für die Zellnekrose (Zelluntergang) herangezogen. Zudem sind auch die myofibrillären Proteine wie Troponin T und Troponin I wichtig für die Bewertung eines Herzinfarktes.
Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin und Fachjournalistin