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»Horror oder Lieblingsfach?«

KOPFRECHNEN KÖNNEN RECHNET SICH!

Wie unterscheiden sich die Gehirne von guten und schlechten Matheschülern und welche Bedeutung hat die Mathekompetenz insgesamt?

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Kennen Sie das auch? Endlose, teilweise äußerst emotional geführte Diskussionen über das Fach Mathematik? Für die einen ist es verhasstes Angstfach, das nach Schulabschluss möglichst vollständig gemieden wird. Andere hingegen, immerhin rund ein Drittel der deutschen Schüler, lieben es – wegen der Logik und gerechten Benotbarkeit. Lösungen sind hier eben immer entweder richtig oder falsch.

Während die individuellen Meinungen zur Mathematik also weit auseinandergehen, besteht keinerlei Zweifel über den generellen Nutzen des Faches für das eigene Leben wie für die Gesellschaft insgesamt: Tatsächlich ist die Mathekompetenz bereits bei Schuleintritt der beste Indikator für den späteren Schulerfolg, vor lese- oder sozialer Kompetenz.

Mathematische Fähigkeiten des einzelnen korrelieren überdies positiv mit späterem beruflichem Erfolg. Auf gesellschaftlicher Ebene finden sich gar Korrelationen zwischen Mathekompetenz und Bruttoinlandsprodukt sowie wirtschaftlicher Konkurrenzfähigkeit eines Staates. Wie also können wir noch mehr Schüler für die Mathematik begeistern und zu ihr befähigen, für ihr eigenes Wohl und das der Gesellschaft insgesamt?

Mathematik beginnt mit der Entwicklung eines abstrakten Zahlenbegriffs und einfachen Additions- und Subtraktionsaufgaben einstelliger Zahlen im Vor- und Grundschulalter. Solche Aufgaben werden von Kindern dabei zunächst prozedural gelöst – also etwa durch Finger abzählen oder Zerlegen der Aufgabe in Teilaufgaben. Der wesentliche Entwicklungsschritt beim Rechnen vollzieht sich, wenn diese Lösungsstrategien gedächtnisbasierten Techniken weichen, wenn Lösungen zu bestimmten Rechenaufgaben also erinnert statt jedes Mal neu errechnet werden müssen.

Das erkennt man auch an den entsprechenden Hirnaktivierungen: Während die prozeduralen Strategien Bereiche des rechten intraparietalen Sulcus aktivieren, sind bei den gedächtnisbasierten Rechenstrategien Bereiche des linken Parietallappens, die zwischen diesem Sulcus und dem sensorischen Sprachzentrum liegen, involviert. Diese Aktivierungen korrelieren dann auch bei Oberschülern noch mit den Matheleistungen: Schwache Schüler aktivieren beim Rechnen eher den rechten intraparietalen Sulcus, leistungsstarke den linken Parietallappen.

Diese Befunde legen nahe, dass die Grundlagen für mathematisches Verständnis bereits früh gelegt werden – und es darauf ankommt, dass die Entwicklung weg von den prozeduralen hin zu den gedächtnisbasierten Lösungsstrategien auch tatsächlich vollzogen wird. Hierbei werden möglicherweise neurobiologische Grundlagen gelegt, die später dem Erwachsenen in vielen Problemlösungsfeldern von Nutzen sein können, auch jenseits der Mathematik – daher ist die Bedeutung früher Förderung mathematischer Fähigkeiten kaum zu unterschätzen. Denn früh übt sich, wer ein Meister werden will – das kennen Sie sicher auch …

ZUR PERSON

Prof. Dr. Holger Schulze
Hirnforscher
Holger.Schulze@uk-erlangen.de

Prof. Dr. Schulze ist Leiter des Forschungslabors der HNO-Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg
sowie auswärtiges wissenschaftliches Mitglied des Leibniz-Instituts für Neurobiologie in Magdeburg.
Seine Untersuchungen zielen auf ein Verständnis der Neurobiologie des Lernens und Hörens.
www.schulze-holger.de

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 03/13 auf Seite 12.

 


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