Zecken
KLEIN & GEMEIN
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Sobald es draußen wärmer wird, werden die Minivampire wieder aktiv. Doch beim Blutsaugen können uns Zecken auch mit Krankheiten wie Frühsommer-Meningoenzephalitis und Lyme-Borreliose infizieren. Wie aber kommen Zecken auf den Körper?
Sie bewerkstelligen das, indem sie sich an Gräsern oder Büschen anheften und sich von Tieren oder Menschen abstreifen lassen. Dabei reagieren sie entweder auf Erschütterungen, Wärme oder den Geruch von Buttersäure, die sich im Schweiß befindet. Haben sie einen geeigneten Platz am Körper gefunden, stechen sie zu, wobei sie über ihren Stechrüssel Krankheitserreger in die Blutbahn des Wirts übertragen können. FSME und Borreliose sind die häufigsten durch Zecken übertragenen Infektionskrankheiten, doch es gibt weitere, seltenere Erkrankungen.
Frühsommer-Meningoenzephalitis Sie wird durch das gleichnamige Virus übertragen, das sich im Speichel infizierter Zecken befindet. Das Virus greift das zentrale Nervensystem an, was im schlimmsten Fall tödlich enden kann. Nur bei einem von drei Infizierten zeigen sich jedoch klare Symptome: Etwa zwei Tage bis drei Wochen nach der Infektion verspüren die Betroffenen Kopf- und Gliederschmerzen, die nach einigen Tagen abklingen.
Manche entwickeln danach eine Hirnhautentzündung mit hohem Fieber, steifem Nacken und starken Kopfschmerzen. In seltenen Fällen entzündet sich sogar das ganze Gehirn. Auch neurologische Ausfälle, Sprach- und Gleichgewichtsstörungen sowie Lähmungen können Symptome, aber auch Spätfolgen einer FSME sein. Bisher nahm man an, dass etwa jeder Zehnte solche Spätfolgen davonträgt.
Eine Studie der Neurologischen Klinik der Universität Pforzheim bei Patienten mit schwerer FSME hat nun aber gezeigt, dass diese Zahlen nach oben korrigiert werden müssen: Nach zehn Jahren litten immer noch 50 Prozent der Betroffenen unter schweren Folgeschäden, 30 Prozent waren an der Krankheit gestorben und nur 20 Prozent hatten sich völlig erholt. Die Chance, in einem FSME-Risikogebiet nach dem Stich einer Zecke zu erkranken, liegt bei 1:150.
Das Robert Koch-Institut gibt jedes Jahr eine aktualisierte Karte der Risikogebiete heraus, wobei Jahr für Jahr mehr dazukommen. Hingegen war die Zahl der Infektionen bisher stabil oder sogar rückläufig (2010: bundesweit 260 Fälle). Die neuen Zahlen des Robert Koch-Instituts für 2011 zeigen jedoch einen deutlichen Infektionsanstieg auf 409 Fälle. FSME ist nicht therapierbar, man kann ihr aber mit der Impfung wirksam vorbeugen. Die Erkrankung ist meldepflichtig.
Lyme-Borreliose Im Gegensatz zur FSME gibt es hierfür keine Impfung. Sie wird durch Bakterien übertragen, Borrelien, die sich im Darm der Zecke befinden. Die Borreliose hat viele, auch individuell unterschiedliche Symptome, was ihre Diagnose sehr schwierig macht. Auffällig ist die Wanderröte, ein Ring, der sich einige Tage oder Wochen später um die Einstichstelle bilden kann, der aber nicht auftreten muss. Frühe Symptome sind Müdigkeit, Fieber und Kopfschmerzen, später können Gesichtslähmungen, Bewusstseinsstörungen, Hirnhautentzündung und starke Schmerzen am ganzen Körper auftreten.
Chronische Verläufe zeigen sich meist in Gelenkschmerzen und sehr dünner Haut (Pergamenthaut). Borreliose ist im Anfangsstadium mit Antibiotika wie Doxycyclin oder Amoxicillin relativ gut zu behandeln. Mit zunehmender Krankheitsdauer wird die Therapie schwieriger, was bedeuten kann, dass Antibiotika über mehrere Wochen intravenös verabreicht werden müssen. Mit Borrelien infizierte Zecken kommen in ganz Deutschland vor. Für Borreliose besteht keine Meldepflicht; die Fallzahlen steigen seit Jahren kontinuierlich an.
Zecken sind Überlebenskünstler Bestimmte Zeckenarten können Ehrlichiose, Fleckfieber oder Krim-Kongo-Fieber übertragen. Diese Krankheiten kommen zwar vorwiegend im Mittelmeerraum beziehungsweise in Afrika und Asien vor, jedoch werden die Zecken, die sie übertragen, durch die Zunahme von Fernreisen immer häufiger auch hier zu Lande eingeschleppt. Sie reisen im Gepäck mit, und da Zecken wahre Überlebenskünstler sind, können sie sich hier gut vermehren.
RICHTIG ENTFERNEN!
Die Zecke mit einer Pinzette direkt am Kopf nahe der Einstichstelle packen und gerade nach oben herausziehen. Ein Herausdrehen wird nicht empfohlen, weil dabei der Kopf abreißen und in der Haut verbleiben kann.
Denn Zecken bringt so schnell nichts um, wie ein „Härtetest” des Zeckenspezialisten Dr. Hans Dautel zeigte. Sie überlebten einen 40°C-Waschgang, einen Monat unter Wasser im Aquarium, das Eisfach des Kühlschranks bei minus 13°C und sogar radioaktive Bestrahlung. Tödlich waren für sie lediglich 40-prozentiger Alkohol und Chlorreiniger – aber erst, nachdem sie einige Zeit in den Flüssigkeiten verblieben waren. Offenbar gibt es Zecken also nicht umsonst bereits seit 350 Millionen Jahren.
Wie schütze ich mich? Da man Zecken nicht ausrotten kann, muss man ihrem Stich vorbeugen. Daher sollte man sich vor einem Aufenthalt in Risikogebieten auf jeden Fall gegen FSME impfen lassen. Generell gilt bei Spaziergängen in Wald und Feld: Möglichst auf den Wegen bleiben, ansonsten lange Hosenbeine und Ärmel tragen und die Hosenbeine am besten in die Schuhe stecken oder unten zubinden.
Nach dem Aufenthalt im Freien zuhause gründlich den ganzen Körper absuchen! Hat eine Zecke zugestochen, ist es wichtig, sie so schnell wie möglich zu entfernen. Die FSME-Viren werden zwar direkt beim Stich übertragen, je länger die Zecke jedoch am Körper verbleibt, desto mehr Viren können in die Blutbahn gelangen und umso höher ist das Infektionsrisiko.
Bei der Borreliose müssen die Erreger zuerst den Weg vom Darm der Zecke zum Rüssel und von dort über die Einstichstelle in die Blutbahn des Menschen finden. Das kann einige Stunden dauern. Daher kann ein schnelles Entfernen eine Borreliose-Ansteckung verhindern. Wichtig ist, die Zecke beim Herausziehen nicht zu quetschen, da man dadurch die Erreger förmlich in den Menschen „injiziert”. Auch darf man die Zecke nicht mit Öl beträufeln oder die Einstichstelle mit Klebstoff „verschließen”, in der Hoffnung, dass der Blutsauger dadurch abstirbt und abfällt.
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 03/12 ab Seite 50.
Dr. Holger Stumpf, Medizinjournalist