Spritze © aivolie / 123rf.com
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Repetitorium

IMPFUNGEN – TEIL 1

Zum Schutz vor Infektionen gehören Impfungen zu den wichtigsten und wirksamsten präventiven Maßnahmen, die in der Medizin zur Verfügung stehen. Sie sind auch einer ihrer größten Erfolge. Dieses Repetitorium vermittelt wichtige Grundlagen.

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Sie haben ihren Schrecken weitgehend verloren: Bedrohten Infektionskrankheiten wie die Pocken, Diphtherie oder Kinderlähmung noch vor 50 Jahren die Gesundheit der Bundesbürger, waren zahlreiche Todesfälle oder Behinderungen die Folge, so sind diese Erkrankungen heute entweder ganz oder zumindest weitgehend ausgerottet. Impfungen zum Schutz vor Infektionskrankheiten gehören damit zu den größten Erfolgen der Medizin. Sie sind aber aufgrund dieses Erfolges bei vielen Menschen in Vergessenheit geraten. Auch scheinen die „Pro- und Contra“-Impfungsdiskussionen in den Medien immer mehr zuzunehmen.

Erst die potenzielle Gefahr, dass Terroristen den seit 1980 ausgerotteten Pockenvirus wieder künstlich verbreiten könnten, Berichte über von der Bundesregierung angeordnete Massenankäufe von Impfstoff, um im Bedarfsfall die Bevölkerung schnell durchimpfen zu können und eine gesundheitliche Katastrophe zu verhindern oder Berichte über zunehmende Maserninfektionen mit Komplikationen in den Medien, sensibilisieren so manchen wieder stärker für das Thema.

Impfschutz bröckelt Hier zu Lande existiert keine Impfpflicht. Was einerseits als Positivum gewertet wird, zeigt anderseits aber auch ein gefährliches Bild: Mehr als 20 Millionen Bürger in Deutschland halten „die ganze Impferei“ für übertrieben. Jeder Siebte ist sogar prinzipiell dagegen. Die Experten der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut in Berlin stellen fest, dass bei den Grundimmunisierungen im Kleinkindalter nur noch etwa 80 Prozent aller Kinder beispielsweise die erste Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) bekommen.

Nur rund 25 Prozent erhalten auch die zweite Spritze, die bis zum 23. Lebensmonat gegeben werden soll. Dabei ist nur, wenn alle zwei bis vier Grundimpfungen gegeben werden, wirklich ein ausreichender Schutz und eine lebenslange Immunität gewährleistet. Ein ähnlich schwaches Bild ergibt sich bei den Erwachsenen: Auffrischimpfungen sind etwa alle zehn Jahre gegen Diphtherie und Tetanus erforderlich.

Doch nur 43 Prozent der Bundesbürger, so das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid, wurden in den vergangenen zehn Jahren gegen Tetanus geimpft. Eine Diphterieimpfung haben nach eigenen Angaben gut 57 Prozent nicht erhalten. Aufgrund dieser Nachlässigkeit klaffen beim Schutz vor Tetanus, Diphtherie, aber auch bei Kinderlähmung und Masern bereits wieder gewaltige Impflücken.

Die Gefahr: Alte Seuchen kehren zurück Vor 100 Jahren starben jährlich in Deutschland noch etwa 65 000 Kinder und Jugendliche an Pertussis (Keuchhusten) oder Diphtherie. Im Winter 1918/19 raffte eine weltweite Influenza (Grippepandemie) rund 20 Millionen Menschen hinweg. Und 1961 traten in Deutschland noch rund 5000 Fälle von spinaler Poliomyelitis (Kinderlähmung) auf. Durch die Impfmüdigkeit und den stark zunehmenden Reiseverkehr kehren diese Seuchen verstärkt zurück, andere, neue Seuchen kommen hinzu. Insbesondere aus Russland und den baltischen Ländern wird die Diphtherie wieder stärker bei uns eingeschleppt.

»Durch Impfmüdigkeit und den stark zunehmenden Reiseverkehr kehren alte Seuchen verstärkt zurück, andere, neue Seuchen kommen hinzu.«

An Keuchhusten erkranken heutzutage jährlich hier zu Lande immer noch rund 10 000 Menschen. Bei erkrankten Erwachsenen ist die Infektion oft nicht so charakteristisch, Eltern können aber kaum vermeiden, den Erreger mit Namen Bordetella pertussis an ihren Säugling zu übertragen. Der meist wochenlang anhaltende anfallsartige quälende Husten ist noch das Harmloseste. Bei rund einem Viertel der Babys kommt es zu gefährlichen Komplikationen mit Lungenentzündung oder Atempausen, die zu bleibenden Hirnschäden führen können.

Und aufgrund der Nachlässigkeiten beim Tetanusschutz stirbt trotz modernster Behandlungsmethoden auch heutzutage noch jeder dritte Infizierte an Wundstarrkrampf. Zahlen und Fakten, die wachrütteln sollten. Einen ausreichenden Impfschutz in der Bevölkerung zu sichern, stellt faktisch auch eine Verantwortung des Einzelnen gegenüber der Gesellschaft dar.

Das deutsche Impfsystem Jeder Erwachsene kann für sich und Eltern können für ihre minderjährigen Kinder entscheiden, gegen welche Infektionskrankheiten sie sich und ihre Kinder durch eine Impfung schützen. Hilfe und Sicherheit bei dieser Entscheidung bieten die unterschiedlichen Einrichtungen des Impfsystems. Dieses ist in Deutschland klar geregelt. Im Infektionsschutzgesetz (IfSG) sind die Grundlagen für Impfungen aufgeführt. Das Gesetz hat zum Ziel, die Bevölkerung vor übertragbaren Krankheiten zu schützen.

Die Ständige Impfkommission (STIKO) ist ein Gremium aus Experten und Expertinnen, die Empfehlungen für Impfungen und Impftermine erarbeiten und herausgeben. Ärzte und Ärztinnen richten sich in der Regel nach den aktuellen Empfehlungen der STIKO, die hier zu Lande medizinischer Standard sind. Die ehrenamtlich tätigen Mitglieder der STIKO werden gemeinsam vom Bundesgesundheitsministerium und den obersten Landesgesundheitsbehörden berufen.

Das Robert Koch-Institut (RKI) hat die Aufgabe, medizinische Maßnahmen zu entwickeln, um die Verbreitung von Infektionskrankheiten zu verhindern. Dazu gehören auch statistische Untersuchungen über die Ausbreitung von Infektionskrankheiten, die Erforschung der Ursachen, Diagnosen und die Vorbeugung. Die Aufgaben des RKI sind in § 4 des Infektionsschutzgesetzes festgeschrieben. Die Ständige Impfkommission hat übrigens am RKI ihren Sitz. Ferner gibt es auch noch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), das Institut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel.

Die staatliche Zulassung und Überwachung von Impfstoffen sowie die Erfassung von Impfkomplikationen liegt bei diesem Institut. Impfungen werden in der Bundesrepublik fast alle von niedergelassenen Ärzten und Ärztinnen durchgeführt. Der Öffentliche Gesundheitsdienst, das heißt, die Gesundheitsämter, sowie Betriebsärzte und -ärztinnen führen etwa 10 bis 15 Prozent der Impfungen durch. Wichtig ist immer die umfassende Aufklärung von Patienten über die einzelne Impfung. Dazu gehören der Nutzen der Impfung, Informationen über die Erkrankung, mögliche Nebenwirkungen der Impfung, aber auch Hinweise zu weiteren Terminen.

Die von der STIKO empfohlenen Impfungen werden übrigens von den gesetzlichen Krankenkassen (GKV) bezahlt. Grundlage ist hier die Schutzimpfungsrichtlinie. Reiseimpfungen werden von einigen Krankenkassen auf freiwilliger Basis erstattet. Impfungen für Menschen mit einem erhöhten beruflichen Infektionsrisiko werden hingegen vom Arbeitgeber übernommen (§ 3, Abs. 3, Arbeitsschutzgesetz).

Ein heikles Thema ist die mögliche Anerkennung von Impfschäden. Deren Begutachtung und Anerkennung gilt ausschließlich für öffentlich empfohlene Impfungen (§ 60 IfSG) und ist Aufgabe der Versorgungsämter der Länder.

Die Risiken Immer wieder wird in den Medien kontrovers das Pro und Contra von Impfungen diskutiert. An dieser Stelle nur wichtige Tatsachen: Moderne Impfstoffe sind großteils hoch wirksam und gut verträglich. Impfungen schaden nur in extrem seltenen Fällen. Gegenüber der möglichen Erkrankung hat eine Impfung entscheidende Vorteile: Sie wird in der Regel verabreicht, wenn der Patient gesund und „impffähig“ ist.

Mögliche Nebenwirkungen sind gut kalkulierbar, abschätzbar und damit eindämmbar. Bricht erst einmal eine Infektionskrankheit aus, ist diese und sind mögliche Komplikationen ungleich schwieriger zu bekämpfen. Leider ist es ein weit verbreiteter Irrglaube, Infektionskrankheiten und ihre Folgen seien mit den Möglichkeiten der modernen Medizin immer gut zu behandeln. Gegen die meisten Viruserkrankungen helfen beispielsweise bis dato keine Medikamente. Es können lediglich einige der auftretenden Symptome gelindert werden.

Zu den möglichen, allerdings meist unbedenklichen Impfreaktionen gehören vorübergehende örtliche wie Rötung und Schwellungen an der Injektionsstelle. Ähnlich wie die deutlich seltener auftretenden Allgemeinreaktionen (leichtes Fieber, Müdigkeit, Kopfschmerzen) zeigen sie, dass sich der Körper mit dem Impfstoff auseinander setzt. Impfkomplikationen sind über normale Impfreaktionen hinausgehende, durch eine Impfung verursachte Erkrankungen. So kann es – gerade nach der Masern-Mumps-Röteln- und der Windpockenimpfung – nach etwa zwei Wochen zu leichten Symptomen der entsprechenden Krankheit kommen, insbesondere Hautausschlägen. Diese sind bei Masern und Röteln nicht ansteckend. Auftretende Windpockenbläschen können allerdings in sehr seltenen Fällen ansteckend sein.

Diese Impfkomplikationen sind aber immer schwächer ausgeprägt und führen zu deutlich weniger Komplikationen als die eigentlichen Erkrankungen. Von einem Impfschaden wird gesprochen, wenn infolge einer Impfung ein bleibender Schaden auftritt. Diese sind in Deutschland statistisch gesehen heute jedoch extrem selten. Bleibende gravierende Schäden werden nach Abschaffung der veralteten Schluckimpfung gegen die Kinderlähmung und der BCG-Impfung (Tuberkulose) praktisch kaum noch beobachtet. Die Entwicklung moderner Impfstoffe und strengere Anforderungen an deren Zulassung haben zu einer deutlichen Eindämmung von Komplikationen geführt.

Allgemeine Tipps Natürlich gilt es immer, geltende Kontraindikationen gegen eine Impfung zu beachten. Auch eine akute Erkrankung sollte in der Regel erst einmal auskuriert werden. Dazu zählt auch Fieber von mehr als 38,5 °C. Auf Impfungen, die nicht lebensnotwendig sind, sollte mindestens noch zwei Wochen nach Abklingen solcher Beschwerden, verzichtet werden. Traten im zeitlichen Zusammenhang mit einer früheren Impfung bei Impfwilligen unerwünschte Wirkungen auf, sollten diese vor einer erneuten Impfung genau abgeklärt sein. Das gilt auch für mögliche Allergien gegen Bestandteile des Impfstoffes (z. B. Hühnereiweiß). Eine Kortisonbehandlung in niedrigen Dosen, sei es äußerlich oder innerlich angewandt, ist hingegen kein Impfhindernis.

Schwangerschaft & Co. Müttern, die aus Unsicherheit über Impfungen gerne einmal zur Beratung in die Apotheke kommen, können Sie raten: Während einer Schwangerschaft sollte auf nicht unbedingt notwendige Impfungen verzichtet werden. Besonders problematisch sind hier Lebendimpfstoffe wie etwa die Masern-Mumps-Röteln-Impfung oder die Windpockenimpfung. Eine versehentlich in der Frühschwangerschaft gegebene Impfung ist allerdings kein Grund für einen Schwangerschaftsabbruch.

Impfungen mit Totimpfstoffen während einer Schwangerschaft sind im Allgemeinen unbedenklich. Interessanterweise empfiehlt die STIKO seit Sommer 2010 sogar, dass sich alle werdeneden Mütter ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel (Trimenon) gegen Grippe impfen lassen sollten. Bei erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge einer Grunderkrankung wird die Impfung sogar schon ab dem ersten Trimenon empfohlen.

In diesem Repetitoriumsteil wurden wichtige allgemeine Grundlagen abgehandelt. Die genauen Empfehlungen der STIKO sowie einzelne Impfungen samt ihrer Erkrankungen sind Thema der weiteren beiden Repetitoriumsteile.

ZUSATZINFORMATIONEN
Und wie sieht es bei Säuglingen mit dem Nestschutz, mit einer potenziellen Allergie- sowie Neurodermitis-Gefahr aus? Abwehrstoffe, die durch die Mutter vor der Geburt und später durch die Muttermilch auf den Säugling übertragen werden, sind als erster Schutz sehr wichtig. Dieser Nestschutz hält jedoch nur kurz an und kann nicht vor den schweren Infektionskrankheiten bewahren. Impfungen erhöhen – entgegen landläufig geäußerten Meinungen – auch nicht das Allergierisiko. Untersuchungen belegen etwa für Asthma oder Neurodermitis eher das Gegenteil: Das Allergierisiko ist demnach bei gegen Masern geimpften Kindern sogar niedriger als bei Ungeimpften.

Dass Mütter von an Neurodermitis erkrankten Kindern einen Hemmschuh vor Impfungen haben ist verständlich, aber unbegründet. Mehrere groß angelegte internationale Studien konnten beweisen, dass kein Zusammenhang zwischen einer Impfung und einem Neurodermitis-Ausbruch oder einer momentanen Ekzem-Verschlechterung existiert. Allerdings können Windpocken bei Neurodermitikern wesentlich schwerer und komplikationsreicher verlaufen, so dass die STIKO zusätzlich die Impfung gegen Windpocken als Routine-Impfung empfiehlt.

Aktive und passive Schutzimpfungen
Unser Immunsystem erkennt körperfremde Eindringlinge (Bakterien, Viren oder fremde Einweiße) und bekämpft diese. Das unspezifische Immunsystem vernichtet die Eindringlinge mit Hilfe der Fresszellen (Phagozyten). Das ausgeklügeltere spezifische Immunsystem, das ganz gezielt auf bestimmte Erreger reagiert, muss erst erworben werden. Dazu bilden spezielle Zellen, die Lymphozyten, bei einem Erstkontakt mit dem Krankheitserreger Antikörper (Immunglobuline), die auf den Eindringling genau zugeschnitten sind. Beim nächsten Kontakt mit demselben Bakterium oder Virus erinnert sich das spezifische Immunsystem und bildet sofort die nötigen Antikörper zur Abwehr. Es wird eine gezielte Abwehrreaktion gestartet und dabei die Krankheitserreger unschädlich gemacht. Das bedeutet: Der Körper ist gegen diesen Krankheitserreger immun.

Das macht sich die Impfmedizin zunutze:
Die aktive Schutzimpfung baut die körpereigene Abwehr auf. Der Impfstoff enthält abgeschwächte und deshalb ungefährliche Krankheitserreger (Viren, Bakterien) oder Teile ihrer Struktur, die mittels Spritze, Tropfen, manchmal auch Tablette in den Körper eingebracht werden. Der Trick dabei ist: Der Körper wird nicht krank, das Immunsystem wird aber zur Bildung der benötigten Antikörper angeregt. Diese bleiben dem Organismus über Jahre erhalten, schützen den Körper demzufolge auch viele Jahre.

Die verwendeten Impfstoffe sind:
- Totimpfstoffe, die abgetötete Bakterien oder Viren enthalten (Beispiel: Pertussis, Hepatitis-B, Polio- oder HIB-Impfstoff) beziehungsweise Toxoid-Impfstoffe, die inaktivierte Giftstoffe des Krankheitserregers enthalten (Beispiel: Tetanus- und Diphterie)
- Lebendimpfstoffe, die zwar noch lebende, aber stark in der Wirkung abgeschwächte Erreger enthalten (Beispiel: Masern-Mumps-Röteln-Impfstoff)

Bei der passiven Immunisierung wird im Gegensatz dazu ein Antiserum verabreicht, das bereits die fertigen Abwehrstoffe enthält. Diese können sofort aktiv werden, was im Fall einer akuten Infektion – etwa dem Biss eines tollwütigen Tieres (Tollwut) – sehr hilfreich ist. Großer Nachteil: Der Schutz hält nur wenige Wochen bis maximal drei Monate an. Außerdem existiert nur für wenige Erkrankungen tatsächlich eine passive Immunisierung.

Wird ein langanhaltender Impfschutz angestrebt und steht ausreichend Zeit zur Verfügung, ist immer eine aktive Immunisierung vorzuziehen. Auch bei manchen Aktivimpfungen ist nach einiger Zeit eine Auffrischung nötig. Der in der Bevölkerung bei Vielen in Vergessenheit geratene Impfpass hilft, den Überblick zu behalten.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 01/14 ab Seite 84.

Dr. Eva-Maria Stoya, Apothekerin / Journalistin

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