Frau hält die Hände in den Himmel.© stockfour / iStock / Getty Images

Lebensfreude

ICH KÖNNTE DIE GANZE WELT UMARMEN!

Der Weg bis zu dieser Aussage ist weit. Was im übertragenen Sinn ein herrliches Bild für Zufriedenheit und Glück darstellt, findet im wahren Leben oft nicht einmal im kleinsten Kreis statt. Wie gewinnt man Lebensfreude?

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Freude – was ist das? Klar: etwas Schönes. Es bedarf häufig ja nur einer Kleinigkeit, einer Geste, eines Lächelns, eines Wortes, um beim Empfänger Freude auszulösen. Aber was passiert da eigentlich im Körper? Seit Menschengedenken forschen wir, um herauszufinden, wie unser Organismus und die Seele funktionieren. Es wurde schon unendlich viel entdeckt, das uns Zusammenhänge und Interaktionen verschiedener Bereiche des Körpers verstehen lässt. Mit der Freude ist das so eine Sache. Sie ist ja ein sehr subjektives Gefühl, und erst in den letzten Jahren haben wir einiges dazugelernt, was da neurobiologisch abläuft.

Sehr unromantisch ausgedrückt, handelt es sich bei der Freude um einen biochemischen Vorgang, dem als Basis die Hirnbotenstoffe Serotonin, Dopamin und Oxytocin zugrunde liegen. Das entstehende Glücksgefühl baut sich durch einen Cocktail der hirneigenen Botenstoffe, in diesem Fall der Opioide und damit der Endorphine, auf. Es ist wie bei einem richtigen Cocktail: Unterschiedliche Zutaten werden zusammengebracht, vermischt, und schon haben wir ein leckeres Getränk. Die Folge: Freude.

Und wie ist das jetzt mit der Lebensfreude? Wenn wir nun zu der Freude über den leckeren Cocktail auch noch die Freude bei der Zubereitung, darüber, dass er auch anderen Menschen schmeckt, dass überhaupt andere liebe Menschen da sind, dass man sich an einem schönen Ort befindet, dass man gesund ist und die Sonne scheint, einfach darüber, dass es das Leben gerade sehr gut mit einem meint, hinzunehmen, dann nähern wir uns allmählich der Lebensfreude. Im Grunde bedeutet sie nämlich nichts anderes, als – vereinfacht ausgedrückt – Spaß am Leben. Klingt einfach und ist es im Grunde auch. Aber jeder Mensch tickt anders, und jeder Mensch hat seine ganz individuellen Vorstellungen von dem, was ihm gefällt und was ihm mehr oder weniger Freude bereitet. Voraussetzung für Lebensfreude sind positive Gefühle.

Man hat doch nicht immer Spaß am und im Leben Genau! Es gibt jeden Tag und für jeden Menschen so viele Situationen, in denen er alles andere als Freude empfindet, in denen er eher zornig oder gereizt ist. Schließlich hat der Kollege mal wieder seine Arbeit nicht richtiggemacht, außerdem hat man am Morgen seinen Zug verpasst, und dann ist der kleine Sohn auch noch hingefallen und hat sich das Knie aufgeschlagen, sodass man zu spät ins Büro kam. Und, und, und, …! Das sind genügend Gründe – und einer würde wohl bereits reichen –, um an diesem Tag eher keine besonders gute Laune zu haben und das Gefühl von Lebensfreude gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Von Spaß kann keine Rede sein, und die durch den Zorn angestoßene Adrenalinausschüttung trägt das ihre dazu bei, den Tag als verloren und äußerst unspaßig abzuhaken. Wenn man dann abends einem Freund von all den Katastrophen berichtet, ziehen sie nochmals am geistigen Auge vorüber, und man gönnt sich eine weitere Portion emotional aufgewärmter „Unfreude“. Und hier schimmert schon ein kleines Geheimnis durch. Ein Geheimnis, das durch einen – nennen wir es mal Trick – aktiviert werden kann. Es geht nämlich um die individuelle Interpretation der Ereignisse.

Selbst schlechtes Wetter kann Freude bereiten Doch, das meine ich sehr ernst! Stellen Sie sich vor, Sie laufen die Straße entlang, der Himmel wird grau, es fängt an zu regnen. Keine gute Voraussetzung für übermäßige Freude. Aber jetzt denken Sie an einen starken Regen, den Sie mit Ihrer oder Ihrem Liebsten auf einer sicheren Berghütte, in einem schönen Hotel, zu Hause auf der Couch bei einem Glas Wein oder einer heißen Schokolade und bei knisterndem Kaminfeuer erleben. Na, erkennen Sie den Unterschied? Einmal werden Sie nass und frieren und finden alles doof, einmal sind Sie geschützt und im Trockenen und finden alles herrlich. Da ist es natürlich leicht, sich für die zweite Version zu entscheiden.

Aber: Mir fällt der unvergleichliche Gene Kelly ein, wie er in dem wunderbaren Film „Ein Amerikaner in Paris“ das Lied „I’m singing in the rain“ nicht nur singt, sondern auch noch tanzt. Und das mit einer solch unfassbaren Freude, ja, hier kann man wirklich sagen mit Lebensfreude. Die Szene kennen Sie nicht? Suchen Sie mal auf YouTube nach „Singing in the Rain – Gene Kelly“. Es sind die positiven Gefühle, die einem die Tür zur Lebensfreude öffnen. Hat man gerade etwas Schönes erlebt, dann kann einen eine vermeintlich oder tatsächlich negative Situation nicht ganz so stark oder sogar gar nicht erschüttern, als wenn man ohnehin in gedrückter Stimmung ist.

Als wäre das so leicht! Das stimmt natürlich. Das Leben besteht aus vielen Höhen und Tiefen, wobei die Tiefen oftmals deutlich überwiegen. Und dann gelingt es uns nicht, auch nur den Hauch eines Silberstreifens am Horizont wahrnehmen zu wollen. Aber der Silberstreifen ist da. Hier sind wir wieder beim oben erwähnten kleinen Geheimnis. Ich lüfte es gleich! Wir leben in einer Zeit, in der es immer wieder und immer mehr um Geschwindigkeit geht. Als Grund für eine neue technologische Entwicklung wird häufig Zeitersparnis angegeben. Zeit wofür? Für Glücksgefühle oder für rasantes Funktionieren?

Dabei lassen wir außer Acht, dass wir uns durchaus auf Dinge, Situationen, Gefühle einlassen müssen. Rauscht alles einfach an uns vorbei, hetzen wir von einer Situation zur anderen, dann verlieren wir den Blick für die Details. Wir sind bemüht, so schnell so viel wie nur irgend möglich aufzunehmen und weiterzugeben, und merken gar nicht, dass wir eigentlich immer weniger bewusst erleben, also auch die wirklich beglückenden Momente. Die moderne Kommunikation mit Smartphones und PC setzt auf diese sofort und stakkatoartig abgegebenen Fetzen, die, da von so vielen Seiten kommend, kaum noch zu verschiedenen Gesamtbildern zusammengesetzt werden können. Wie können sich da tief empfundene positive Gefühle sammeln und zu Lebensfreude verbinden?

Und doch kann es funktionieren Ich werde jetzt mal das kleine Geheimnis lüften, den Trick verraten. So einfach es klingt, so schwierig ist es auch. Um Lebensfreude zu empfinden, müssen wir wissen, dass sie in erster Linie von unserer Einstellung, von unserer Sicht auf die Dinge und die Welt abhängt. Was meinen Sie: Wer ist eher zu Lebensfreude fähig? Der Optimist oder der Pessimist? Es gehört schon eine gewisse Portion bewusster Lenkung dazu, ein Glas als halbvoll und nicht als halbleer zu empfinden. Unseren „bösen“ Gedanken lassen wir zu viel Raum, wir ärgern uns schnell und lang, wir sind leicht reizbar, wir verzeihen nur sehr schlecht und wir schieben viel Frust.

All das hindert uns, dem Leben Freude zu geben. Wir haben es selbst in der Hand, Ereignisse und andere Menschen als positiv zu empfinden und dieses Gefühl in unsere eigene Lebensfreude-Waagschale zu werfen. Wir müssen es „nur“ zulassen. Die Prioritäten können nur durch uns selbst verschoben werden. Das Maß unserer eigenen Freude lässt sich viel leichter füllen, wenn wir begreifen, dass wir „einfach nur“ heiter sein und das auch weitergeben sollten. Dreimal „nur“ – mehr ist es auch nicht.

Also, wie geht Lebensfreude? Ganz einfach: Schärfen Sie Ihre Sinne, öffnen Sie Ihr Herz, beleben Sie Ihr Gehirn, freuen Sie sich über sich und Ihre Fähigkeiten, erinnern Sie sich an kostbare Momente, nehmen Sie sich Zeit für sich und machen Sie vor allem anderen Menschen ein Freude. Und das mehrmals am Tag. Sie werden Ihr Leben anders erleben.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 06/2021 ab Seite 100.

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