PTA-Fortbildung 08/11

HERPES

Man kennt über 100 verschiedene Herpesarten. Acht davon sind für den Menschen gefährlich. Sie haben einige Gemeinsamkeiten, verursachen aber unterschiedliche Erkrankungen.

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Die acht humanpathogenen Herpesviren sind weltweit verbreitet und ausschließlich für den Menschen eine Bedrohung. Für Tiere stellen sie keine Gefahr dar, sie werden auch nicht durch diese übertragen. Vom Aufbau sind sie sich alle sehr ähnlich. Ihre doppelsträngige DNS befindet sich in einem ikosaederförmigen Kapsid. So bezeichnet man die Proteinstruktur, die das Virengenom umgibt. Solche Kapside sind stets sehr regelmäßig und häufig symmetrisch aufgebaut. In diesem Fall bilden die Proteine einen symmetrischen Zwanzigflächner, eben einen Ikosaeder.

Nach außen ist das Kapsid von einer lipidhaltigen Hülle umgeben, in die verschiedene Glykoproteine eingebaut sind. Diese ragen aus der Hülle heraus und werden als Spikes bezeichnet. Die Viren benötigen die Spikes, um sich an der Wirtszelle zu befestigen und die Zellmembran zu überwinden. Außerdem haben diese Glykoproteine antigene Eigenschaften. Es sind die wichtigsten Angriffspunkte für unsere Immunabwehr.

Ein wesentliches Merkmal der Herpesviren ist ihre Neigung zur Latenz. Dabei ruht die Viren-DNS nach einer überstandenen Erstinfektion in bestimmten Geweben des Wirtes. Der Virenträger hat in dieser Zeit keine Symptome. Aus dieser latenten Phase können die Viren allerdings durch Trigger, wie beispielsweise eine Immunsuppression, reaktiviert werden. Dann kommt es zum Rezidiv, das heißt, die Krankheit bricht wieder aus. Gerade bei einer Immunschwäche treten Herpeserkrankungen gehäuft auf, teilweise mit schwerem Verlauf.

Herpes labialis Vom Lippenherpes sind vor allem Erwachsene und ältere Kinder betroffen. Erreger ist in den meisten Fällen Herpes-simplex-Typ 1, seltener Typ 2. Dieser ist eher bei Herpes genitalis zu finden. Daher wird HSV-1 auch als Oraltyp und HSV-2 als Genitaltyp bezeichnet. Infektionen mit Herpes simplex sind weltweit sehr häufig. Die Durchseuchung der Bevölkerung mit HSV-1 liegt ab der Pubertät bei 80 bis 90 Prozent. HSV-2 tritt normalerweise erst nach der Pubertät auf. Im Erwachsenenalter erreicht die Durchseuchungsrate bei uns etwa 20 Prozent, in Entwicklungsländern liegt sie höher.

Die Übertragung von Herpes labialis erfolgt von Mensch zu Mensch. Dazu ist ein Kontakt im Sinne einer Schmierinfektion nötig. Möglich ist die direkte Übertragung von Mund zu Mund oder über die Finger. Da die Krankheitserreger sehr empfindlich sind, werden gemeinsam benutzte Gläser und Bestecke nur äußerst selten zur Ansteckungsquelle.

Der Erstkontakt mit dem Herpes-simplex-Typ 1 verläuft in etwa 90 Prozent der Fälle symptomlos, vor allem bei Kindern unter fünf Jahren. In anderen Fällen, bei einer manifesten Primärinfektion, ist hauptsächlich die Mundschleimhaut betroffen. Der Arzt spricht von einer Gingivostomatitis herpetica, der Volksmund von Mundfäule. Nach einer Inkubationszeit von wenigen Tagen ist die Mundschleimhaut diffus gerötet und mit zahlreichen, schmerzhaften Bläschen übersät. Dabei tritt auch häufig hohes Fieber auf.

Die Herpesprimärinfektion kann sich aber auch als Rhinitis, Tonsillitis oder Pharyngitis sowie als herpetische Keratokonjunktivitis äußern. Letzteres zeigt sich durch starke Lidödeme und Bläschen in der Bindehaut des Auges. Rezidive an gleicher Stelle sind häufig und führen mit der Zeit durch Beteiligung von Hornhaut und Iris durch Vernarbung zur Sehbehinderung und im schlimmsten Fall zur Erblindung. Patienten mit Neurodermitis können als Erstmanifestation auch ein Ekzema herpeticum auf der vorgeschädigten Haut entwickeln. Dabei breiten sich die sonst lokal begrenzten Herpesbläschen diffus über weite Teile der Haut aus, meist im Gesicht und am oberen Stamm. Die Primärinfektion führt zwar zu einer partiellen Immunität, kann aber die Reaktivierung der Viren aus der Latenzphase nicht verhindern.

Reaktivierung des Herpes labialis Unabhängig davon, ob sich die Primärinfektion durch Symptome bemerkbar gemacht hat oder nicht, haben sich die Viren in der Zwischenzeit in den Schleimhautzellen vermehrt und sind über Lymphwege in die Blutbahn eingetreten. Von dort gelangen sie in die Nervenendigungen peripherer sensorischer Nerven und wandern am Nerv entlang in das spinale Ganglion.

Herpes-simplex-Typ 1 besiedelt meist das Trigeminusganglion, das in der Felsenbeinhöhle des Schädels liegt. Hier ruhen die Viren und persistieren lebenslang. Das Immunsystem hat dort keinen Zugriff. Der Erkrankte wird nun entweder zum asymptomatischen Virusträger oder aber es kommt irgendwann zur Reaktivierung. Dies ist durch unterschiedliche Faktoren wie Stress, Ekelgefühl, fieberhafte Infekte, Sonneneinstrahlung oder eine Immunsuppression jederzeit möglich. Die Viren wandern dann den sensorischen Nerv entlang wieder zurück auf die Hautoberfläche, vermehren sich dabei und die Krankheit bricht erneut aus.

Dies ist bei ungefähr der Hälfte der Betroffenen der Fall. Man spricht dann vom chronisch-rezidivierenden Herpes. Die Bläschen können sich wieder am Ort der Erstmanifestation zeigen, neigen aber zum Wandern und finden sich dann in den meisten Fällen an der Grenze zwischen Haut und Schleimhaut der Lippen wieder, eben als Herpes labialis. Dabei bilden sich einzeln oder in Gruppen stehende kleine gedellte Bläschen auf gerötetem Grund. Vom Volksmund werden sie auch als Fieberbläschen bezeichnet. Im weiteren Verlauf können sie konfluieren, also ineinander übergehen. Anschließend platzen sie und heilen dann narbenlos, meist innerhalb einer Woche, unter Austrocknung und Krustenbildung ab.

Typischerweise beschreiben viele Patienten schon einige Stunden vor dem Ausbruch der Hautveränderungen Spannungsgefühle, ziehende Schmerzen und Juckreiz im Erkrankungsareal. Man bezeichnet dies als Prodromalerscheinungen. Die Schmerzhaftigkeit der aktiven Hautveränderungen kann sehr unterschiedlich sein. Eine bakterielle Superinfektion, meist mit Staphylokokken, ist möglich. Dies zeigt sich an einer Gelbfärbung des Blaseninhaltes. Um dies zu vermeiden, dürfen die Bläschen keinesfalls aufgekratzt werden. Noch dazu besteht sonst die Gefahr, dass über die Fingernägel andere Menschen infiziert werden.

Eine seltene, aber sehr bedrohliche Komplikation einer Infektion mit HSV-1 ist die Herpes-simplex- Enzephalitis. Vermutlich über den Trigeminusnerv wandern Viren ins Zentralnervensystem. Unbehandelt sterben 70 Prozent der Betroffenen, die übrigen behalten neurologische Schäden zurück. Diese Rezidive können als einmaliges Ereignis oder immer wieder in unregelmäßigen Abständen auftreten. Die Häufigkeit schwankt von einigen im Leben bis zu mehreren im Monat. Im Durchschnitt treten drei bis vier Ausbrüche im Jahr auf.

Nicht jedesmal zeigt sich das Vollbild mit Bläschen und Krusten. Schätzungsweise jede vierte Herpes-simplex-Episode äußert sich nur durch Rötung und Schmerzen an der betroffenen Stelle und klingt dann fast unbemerkt wieder ab. Die Rezidive können jahrelang wiederkehren, werden aber mit der Zeit seltener, verlaufen milder und bleiben im Alter schließlich ganz aus. Ansteckend ist die Herpesinfektion vor allem im floriden Stadium, wenn die Bläschen sichtbar sind. Erkrankte können aber auch während einer Reaktivierung, die symptomlos vorübergeht, über den Speichel Viren weitergeben. Während der Latenzphase in den Ganglien sind keine Erreger nachweisbar.

Von Herpes Betroffene sollten auf eine strikte Hygiene achten, um ihr Umfeld nicht zu infizieren – Hände waschen nach Berühren der Bläschen ist oberstes Gebot! Foto: © ilbusca / www.iStockphoto.com

Frühzeitig und konsequent Die Wahl der Therapie hängt vom Ausmaß der Krankheit bzw. vom Leidensdruck des Betroffenen ab. In den meisten Fällen verläuft die Erkrankung relativ harmlos und kann im Rahmen der Selbstmedikation behandelt werden. Zum Arzt sollten Sie den Kunden jedoch schicken, wenn er sehr häufig Rezidive erleidet oder die Ausbrüche länger als zehn Tage dauern, ebenso natürlich bei besonders schweren Erscheinungsformen.

Bei einem immungesunden Menschen heilt ein Lippenherpes nach kurzer Zeit auch ohne Behandlung wieder ab. Eine lokale virustatische Therapie kann die Dauer des Ausbruchs und die Schmerzhaftigkeit jedoch um einige Tage reduzieren. Die Nukleosid-Analoga Aciclovir oder Penciclovir, die zur lokalen Behandlung rezeptfrei erhältlich sind, dringen in die mit Herpes infizierten Zellen ein und beeinflussen die Bildung neuer Viren-DNS. Nukleosid-Analoga werden statt der natürlichen Nukloside in die DNS eingebaut, die dann jedoch eine unlesbare Information enthält.

Die Therapie ist vor allem dann wirkungsvoll, wenn sie bereits im Prodromalstadiumoder ganz zu Beginn des Bläschenstadiums einsetzt. Lediglich für Penciclovir ist auch noch später angewandt eine Wirkung nachgewiesen. Insgesamt ist es jedoch schwerer, den akuten Schub noch zu beeinflussen, weil die Wirkstoffe nicht das Eindringen in die Wirtszelle, sondern nur ihre Vermehrung hemmen. Penciclovir ist seit kurzem auch als getönte Creme zu erhalten, die die Fieberbläschen gleich kosmetisch abdeckt.

Einen anderen Wirkmechanismus hat der Extrakt aus den Blättern von Melissa officinalis, der ebenfalls als Creme angeboten wird. Er enthält wasserlösliche Lamiaceengerbstoffe mit antiviralen und schwach antibakteriellen Eigenschaften. Sie blockieren einerseits die Rezeptoren auf der Zelloberfläche und verhindern damit den Eintritt der Viren in die Wirtszelle. Außerdem können sie an den Viren selbst angreifen und deren Anhaftung an die Zelle unterbinden.

Zum Schutz vor einer Superinfektion könnte auch eine antibakterielle Creme aufgetragen werden. Der Arzt kann hierfür Zubereitungen mit Gentamycin oder Fusidinsäure verordnen. Die lokale virustatische Therapie muss sehr konsequent mehrmals am Tag, am besten fünfmal, bis zum Krustenstadium, durchgeführt werden. Weisen Sie Ihre Kunden daraufhin, dass die Creme wegen der Infektionsgefahr für andere nur mit sauberen Fingern, die anschließend sofort gründlich zu waschen sind, aufgetragen werden soll. Noch sicherer ist das Auftragen mit einem Wattestäbchen oder Applikator.

Bei sehr häufig rezidivierendem Herpes oder in besonders schweren Fällen kann der Arzt sich auch für eine orale oder gar parenterale virustatische Therapie entscheiden. Dies ist beispielsweise beim Ekzema herpeticum und bei der Herpes-Enzephalitis notwendig. Hier ist eine systemische Therapie über mehrere Wochen indiziert.

Herpes genitalis Diese Erkrankung wird durch Kontakt der genitalen Schleimhaut mit HSV-2 oder seltener mit HSV-1 ausgelöst, wobei der Oraltyp in den letzten Jahren zunehmend häufiger als Erreger genitaler Herpesinfektionen identifiziert wird. Patienten, die schon im Rahmen eines Herpes labialis Kontakt mit HSV-1 hatten und Antikörper dagegen aufweisen, sind weniger anfällig für eine HSV-2-Infektion im Genitalbereich. Das Risiko ist dagegen generell bei Frauen und homosexuellen Männern sowie Personen, die bereits an anderen sexuell übertragbaren Krankheiten leiden, erhöht. Es steigt außerdem mit der Anzahl der Sexualpartner. Frauen lassen sich vermutlich durch die größere Schleimhautoberfläche leichter infizieren.

Auch beim Herpes genitalis muss man zwischen Primärinfektion und Rezidiv unterscheiden. Die Primärinfektion verläuft selten symptomfrei, sondern äußert sich durch einen ausgedehnten Befall der Genitalregion mit Lymphknotenschwellung, Allgemeinsymptomen und längerer Krankheitsdauer als bei einem reaktivierten Herpes. Man geht davon aus, dass die Hälfte aller Patienten, die mit einem Herpes genitalis beim Arzt vorstellig werden, an einer Primärinfektion leiden. Typisch sind zu Beginn Gruppen kleiner Bläschen auf geröteter Haut oder Schleimhaut. Dazu kommen starke Schmerzen. Durch die besonderen Hautverhältnisse in der Genitalregion platzen die Bläschen schnell auf und konfluieren. Auch Krusten können sich hier weniger gut ausbilden, weshalb sich die Erkrankung in Form nässender Hautläsionen zeigt. Wenn die Infektion die Vagina befällt, bildet sich ein eitriger Ausfluss.

Eine mögliche Komplikation des Herpes genitalis ist die aseptische Meningitis. Sie wird fast immer durch HSV-2 verursacht und trifft erkrankte Frauen häufiger als Männer. In den meisten Fällen zeigt sie einen milden Verlauf. Die Superinfektion mit dem Hefepilz Candida albicans ist eine lokale Komplikation. Auch eine Übertragung der Viren auf andere Hautstellen, beispielsweise das Gesicht oder die Hände, ist möglich.

Rezidive des Herpes genitalis Da auch die Erreger des Herpes genitalis die Eigenschaft haben, nach einer Primärinfektion latent im Körper, genauer in den Skralganglien im Rückenmark, zu ruhen, können durch Reaktivierung Rezidive auftreten. Die Häufigkeit hängt davon ab, ob es sich um HSV-1 oder HSV-2 handelt. Patienten mit HSV-2 entwickeln wesentlich mehr Rezidive. Sie treten am häufigsten im ersten Jahr nach der Primärinfektion auf.

Die Auslösefaktoren sind vielfältig. Es kann eine vorausgegangene Erkrankung oder auch einfach physische Anstrengung sein. Rezidivierende Infektionen können symptomatisch oder asymptomatisch verlaufen. Fehlen die Symptome, werden trotzdem Viren über die Schleimhaut ausgeschieden und die Erkrankung kann unbemerkt weitergegeben werden. Für die Ansteckung ist wahrscheinlich eine Läsion der Genitalhaut- bzw. Schleimhaut notwendig. Diese kann jedoch so klein sein, dass man sie mit bloßem Auge gar nicht wahrnimmt. Verläuft das Rezidiv symptomatisch, so ist es in den meisten Fällen kürzer und leichter als die Primärinfektion. Wie beim Herpes labialis gehen dem Ausbruch manchmal Vorboten, wie Schmerzen oder Juckreiz, voraus.

Gegen Viren und Schmerzen vorgehen Beim Herpes genitalis sind es unter anderem die starken Schmerzen, die den Patienten fast immer zum Arzt führen. Ohnehin ist diese Erkrankung kein Fall für die Selbstmedikation. Im Gegensatz zum Lippenherpes sind hier auch die Rezidive äußerst schmerzhaft. Noch dazu können die Ausbrüche sehr häufig wiederkehren. Bei manchen Frauen treten sie bei jeder Menstruation auf.

Eine virustatische Therapie hat die größte Aussicht auf Erfolg, wenn sie innerhalb der ersten zwei Tage nach dem Auftreten der ersten Symptome begonnen wird. Sie ist auch danach sinnvoll, solange noch neue Bläschen auftreten. Denn dies zeigt, dass sich die Viren noch in der Replikationsphase befinden und damit noch durch Virustatika beeinflusst werden können. Üblicherweise werden Nukleosid-Analoga mindestens fünf Tage lang oral angewendet. Die Lokaltherapie gilt als unwirksam. Aciclovir, Valaciclovir und Famciclovir führen zu einer Verringerung der Beschwerden, lassen die Läsionen schneller abheilen und vermindern die Ausscheidung von Viren.

Alle drei Substanzen wirken in etwa gleich, die verbesserten pharmakokinetischen Eigenschaften von Valaciclovir und Famciclovir ermöglichen allerdings eine für den Patienten angenehmere Dosierung, was die Compliance erhöht. Aciclovir kann hingegen bei Schwangeren und Kindern gegeben werden oder in Fällen, in denen eine parenterale Therapie notwendig ist. Die Latenzphase und die Ausbildung späterer Rezidive kann allerdings keines der Virustatika beeinflussen.

Gegen die Schmerzen werden nichtsteroidale Analgetika eingesetzt. In der Akutphase schützen Sitzbäder oder Kompressen mit jodhaltigen Lösungen vor bakteriellen Superinfektionen. Wenn nötig, werden auch antibiotikahaltige Salben verordnet. Zur Nachbehandlung eines abgeklungenen Herpesausbruchs können Pflegecremes mit schwach saurem pH-Wert verwendet werden. Sie helfen, das physiologische Milieu wieder herzustellen.

Um die Herpeserkrankung nicht zu übertragen, ist in einer floriden Phase Geschlechtsverkehr zu vermeiden. Kondome bieten nur einen einigermaßen verlässlichen Schutz. Man muss aber auch daran denken, dass es in den erscheinungsfreien Intervallen ebenfalls zur Virenausscheidung kommen kann. Selbst während einer virustatischen Behandlung sind Viren in der Schleimhaut zu finden. Man schätzt, dass zwei Drittel der HSV-Übertragungen durch beschwerdefreie Sexualpartner zustande kommen. Das ist nicht erstaunlich, denn bei akuten Herpesläsionen ist die sexuelle Aktivität aus ästhetischen Gründen und wegen der Schmerzen eher eingeschränkt.

IMPFUNG GEGEN HERPES?
Bereits in den 1960er-Jahren gab es einen Impfstoff gegen HSV-1 und HSV-2. Wegen des ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses wurde er aber wieder vom Markt genommen. Auch neuere Entwicklungen brachten noch keinen wirklichen Durchbruch. Das Problem liegt darin, dass es auch beim Vorhandensein von humoraler und zellulärer Immunität zum Auftreten von Rezidiven kommt.

Gefahr für Säuglinge durch Herpes simplex Die größte Gefahr für das Ungeborene besteht, wenn die werdende Mutter kurz vor der Geburt eine Primärinfektion eines Herpes genitalis erleidet. Dann hat sie noch keine Antikörper produziert, die das Kind schützen könnten und es kann sich während der Geburt durch den direkten Kontakt mit den Hautläsionen anstecken. Dies ist eine schwerwiegende und gefürchtete Komplikation, die als Herpes neonatorum bezeichnet wird und in Deutschland jedes Jahr etwa 50 Neugeborene betrifft. Neben der Haut können auch Mundhöhle und Augen oder das ZNS in Form einer herpetischen Enzephalitis betroffen sein. Manchmal breitet sich der Herpes neonatorum auch auf mehrere Bauchorgane aus.

Kinder mit ZNS-Befall haben ein getrübtes Bewusstsein, das bis zum Koma reichen kann. Der lokalisierte Befall von Haut, Mundhöhle und Auge hat eine relativ gute Prognose, wenn rasch antiviral behandelt wird. Die Enzephalitis und die generalisierte Infektion mehrer Organe führen jedoch in 40 bzw. 90 Prozent zum Tode. Kinder, die eine Herpes-Enzephalitis überleben, leiden in der Folge an neurologischen Ausfällen oder epileptischen Anfällen. Sind zum Zeitpunkt der Geburt bei der Mutter erstmals Herpesläsionen zu sehen, ist dies daher eine Indikation für einen Kaiserschnitt.

Beim rezidivierenden Herpes genitalis sind während der Schwangerschaft keine Komplikationen zu erwarten und bei einem Rezidiv zum Zeitpunkt der Geburt besteht ein nur geringfügiges Risiko für eine Übertragung. Gefahr besteht allerdings zu Beginn der Schwangerschaft bis zur 20. Woche. Eine Erstinfektion in dieser Zeit kann zu Missbildungen und in einem Viertel der Fälle sogar zur Fehlgeburt führen. Dies gilt nicht nur für den Herpes genitalis, sondern genauso für den Herpes labialis.

Der rezidivierende Herpes labialis dagegen ist ebenso wie der Herpes genitalis für das Ungeborene weitgehend bedeutungslos. Die Virusaktivität ist in der Regel lokal begrenzt, gleichzeitig erhält das Kind den systemischen Immunschutz der Mutter. Allerdings kann der Erstkontakt des Säuglings mit dem Herpes-simplex-Virus im ersten Lebensjahr zu einem gravierenden Krankheitsbild führen, denn das Immunsystem des Kindes ist noch nicht ausgereift und die Viren können den gesamten Organismus überschwemmen.

Bei einer frischen Herpes-labialis-Läsion sollte man daher den körperlichen Kontakt zu Säuglingen unbedingt meiden. Lässt sich dies nicht umgehen, kann ein Mundschutz getragen werden. Außerdem ist eine gründliche Händedesinfektion ratsam. Falls nötig, können sowohl die Schwangere als auch der Säugling mit Aciclovir in oraler bzw. intravenöser Form behandelt werden. Eine Studie aus Dänemark konnte zeigen, dass die systemische Verwendung von Aciclovir während der Schwangerschaft kein erhöhtes Missbildungsrisiko mit sich bringt. Mit den neueren Virustatika liegen keine ausreichenden Erfahrungen vor.

Windpocken Die Erkrankung stellt die Erstmanifestation mit dem Varicella-zoster-Virus dar. Man nennt die Windpocken daher auch Varizellen. Im Gegensatz zum Herpes simplex verläuft die Erstinfektion sehr selten symptomfrei. In mindestens zwei Dritteln der Fälle bietet sie ein ganz typisches Bild mit einem Exanthem aus Papeln, Bläschen und Krusten, die überall auf der Haut auftreten können, besonders auf dem behaarten Kopf und sogar auf den Schleimhäuten.

Die Erkrankung ist hochansteckend und überträgt sich über die Luft, was ihr den Namen Windpocken eingebracht hat. Eintrittspforte der Viren sind der Nasen-Rachen-Raum sowie die Bindehaut der Augen. Die Viren wandern zunächst in die benachbarten Lymphknoten, vermehren sich, gelangen schließlich über die Blutbahn in die inneren Organe und zuletzt in die Haut. Dies dauert relativ lange, weshalb die Inkubationszeit zwischen zwei und drei Wochen liegt.

Prodromalerscheinungen fehlen bei Windpocken normalerweise völlig. Die ersten Hautläsionen treten daher für die Betroffenen überraschend auf und werden oftmals als Mückenstiche fehlinterpretiert. Innerhalb weniger Stunden nimmt ihre Anzahl dann jedoch zu und sie befallen vom Rumpf ausgehend den restlichen Körper. Das Allgemeinbefinden ist bei kleineren Kindern kaum beeinträchtigt. Allerdings jucken die Hautveränderungen stark, was Anlass zum Kratzen geben kann.

Bei älteren Kindern und Erwachsenen stellt sich oft hohes Fieber ein, begleitet von einem allgemeinen Krankheitsgefühl. Nach etwa zehn Tagen heilen die Hautläsionen ab. An aufgekratzten oder superinfizierten Stellen können kleine, wie ausgestanzt wirkende Narben zurückbleiben. Die Viren haben sich nun ins Spinalganglion zurückgezogen. Ansteckend ist die Krankheit schon kurz vor Ausbruch des Exanthems bis zum Abtrocknen der Bläschen. Schwere Verläufe sind selten und treten nur bei Menschen mit einer Immunsuppression auf. Bei ihnen kann es zu schweren Verläufen mit bakteriellen Superinfektionen und tief reichenden Nekrosen kommen.

Während des ersten Lebensjahres kann es sinnvoll sein, eine Ansteckung zu vermeiden, indem man erkrankten Kindern aus dem Wege geht. Hat die Mutter die Erkrankung irgendwann in ihrem Leben durchgemacht, so besteht für das Kind noch etwa zwei Monate nach der Geburt ein Immunschutz. Anschließend jedoch nicht mehr und das Immunsystem des Kindes ist noch nicht ausgereift. Im Klein- und Schulkindalter ist eine Infektion fast unvermeidlich und normalerweise auch unproblematisch. Windpocken kann man nur einmal bekommen. Allerdings gibt es andere virale Infekte, beispielsweise solche mit Coxsackieviren, die ähnlich aussehen können und leicht mit Varizellen verwechselt werden.

Virustatika meist nicht nötig Bei ansonsten gesunden Kindern ist eine virustatische Therapie nicht indiziert. Anders ist dies bei Kindern mit Neurodermitis oder unter einer Kortisonbehandlung. Auch Kinder über zwölf Jahre und Erwachsene sollen virustatisch behandelt werden. Immunsuppressierte Patienten müssen sogar mit Virustatika therapiert werden. Zur symptomatischen Behandlung eignen sich zinkoxidhaltige Schüttelmixturen, die auf die einzelnen Hautläsionen aufgetragen werden. Dies lindert den Juckreiz und bringt die Bläschen schneller zum Abtrocknen. Ist der Juckreiz sehr quälend, können auch Antihistaminika oral gegeben werden. Generell sollten sich alle Erkrankten körperlich schonen, auch wenn sie sich nicht krank fühlen. Seit einiger Zeit gibt es einen Lebendimpfstoff gegen Varizellen. Die entsprechenden Impfempfehlungen der STIKO finden sich online auf der Seite des Robert Koch-Institutes unter www.rki.de.

WINDPOCKEN IN DER SCHWANGERSCHAFT
Die Infektion einer Schwangeren stellt ein gewisses Missbildungsrisiko für das Kind dar. Bei der Mutter führt es noch häufiger zu schweren Verläufen und zu Komplikationen, beispielsweise zu einer Varizellenpneumonie. Schwangere, die noch nie Windpocken hatten, sollten daher eine Exposition meiden. Ist es zum Kontakt gekommen, wird der Arzt sofort eine Titerbestimmung vornehmen. Falls sie negativ ist, kann die Schwangere mit Varicellazoster-Immunglobulin behandelt werden.

Gürtelrose Die auch als Herpes zoster bezeichnete Erkrankung ist die Rezidivmanifestation der Infektion mit dem Varicella-zoster-Virus, der auch schon die Windpocken ausgelöst hat. Die meisten Erkrankten spüren schon einige Tage vor dem Ausbruch Missempfindungen oder Berührungsempfindlichkeiten an der entsprechenden Stelle. Zwei bis drei Tage später bilden sich Bläschen, die zu mehreren im Bereich eines Dermatoms auftreten, also dem Areal, das von einem Spinalnerven versorgt wird.

Am häufigsten ist der Rumpf betroffen, manchmal auch das Gesicht, und zwar stets halbseitig. Diese Gruppen von Bläschen entstehen nicht alle gleichzeitig, sondern nach und nach. Unter den Bläschen entwickeln sich oft Nekrosen, die dann mit Narbenbildung abheilen. Bei jungen Menschen verläuft die Gürtelrose meistens ohne nennenswerte Schmerzen, bei älteren Menschen dagegen stehen die Schmerzen von Beginn an im Vordergrund. Manchmal nehmen sie während der Heilungsphase noch zu und sie können auch nach dem Abklingen der Hautveränderungen noch monate- oder gar jahrelang persistieren.

Einen Herpes zoster bekommt man normalerweise nur einmal im Leben. Falls er doch noch ein weiteres Mal reaktiviert wird, tritt er an einer anderen Körperstelle auf. Was die Ansteckungsgefahr angeht, so kann man besorgte Menschen beruhigen, sofern sie die Windpocken hinter sich haben. Andernfalls können sie jedoch durch einen Zosterpatienten angesteckt werden und erkranken dann an Windpocken. Allerdings geschieht die Übertragung nicht so leicht wie bei diesen. Es ist schon direkter Körperkontakt notwendig. Ab und zu, vor allem bei immunschwachen Menschen, bleibt der Herpes zoster nicht streng auf ein Nervensegment beschränkt, sondern streut über den ganzen Körper.

Man spricht dann vom generalisierten Herpes zoster. Ist der erste Ast des Trigeminusnerves befallen, so kann es auch zur Augenbeteiligung kommen. Eine gefürchtete Komplikation ist die postzosterische Neuralgie (PZN). Sie tritt in 10 bis 15 Prozent aller Fälle auf. Bei 70- bis 80-Jährigen kann man sogar in über 70 Prozent damit rechnen. Man spricht von einer PZN, wenn die Schmerzen an den von der Gürtelrose befallenen Stellen vier Wochen nach dem Abklingen der Hautläsionen noch nicht vorüber sind bzw. wieder neu auftreten. Dabei entzündet sich das Ganglion zunächst, später werden nekrotische Ganglienzellen gefunden. Der Schmerzcharakter wird als quälender Dauerschmerz von brennendem Charakter beschrieben. Bereits das Tragen von Unterwäsche kann als sehr schmerzhaft empfunden werden. Daneben kommt es zu minutenlang anhaltenden stechenden Schmerzen, die in Attacken auftreten.

Lokal und systemisch Wenn ein Herpes zoster bei einem Patienten jenseits des 50. Lebensjahres diagnostiziert wird, ist dies auf jeden Fall ein Grund für eine orale virustatische Therapie. Dadurch wird die Abheilung beschleunigt und vor allem das Risiko für die Entwicklung einer postzosterischen Neuralgie verringert. Dies ist umso wichtiger, je älter der Patient ist.

Je früher man mit der Behandlung beginnt, umso besser. Sinnvoll ist ein Therapiebeginn, solange frische Hautläsionen auftreten. Bei einem Herpes zoster ohne Komplikationen reicht die Behandlung mit Aciclovir, Valaciclovir, Famciclovir oder Brivudin für sieben Tage. Zur Vermeidung von Sekundärinfektionen kann zusätzlich lokal mit Antibiotika behandelt werden. Dazu dienen Cremes oder Puder. Gegen die Schmerzen wird meist ein nichtsteroidales Analgetikum, wie Diclofenac, verordnet. Bei Bedarf kann es mit Tramadol oder Codein kombiniert werden. Wichtig ist auch, die betroffene Region vor Kälte und mechanischer Reizung zu schützen. Bei einer postzosterischen Neuralgie kann der zusätzliche Einsatz von Antidepressiva oder Neuroleptika notwendig werden.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 08/11 ab Seite 30.

Sabine Bender, Apothekerin, Redaktion

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