Sportverletzungen & Wundversorgung
HALS- UND BEINBRUCH
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Etwa 15 Millionen Deutsche waren 2020 mehrmals im Monat trotz Corona sportlich aktiv. Durch die Einschränkungen der Pandemie wurde der Mannschaftssport im vergangenen Jahr fast vollständig ausgesetzt. Einzelsport im Freien war weiterhin möglich und wurde von den aktiven Menschen betrieben. Aufgrund dieser Entwicklung sank auch das Risiko für beim und durch den Sport verursachte Unfälle und Verletzungen. Diese Entwicklung könnte Churchills Motto „no sports“ Recht geben, doch unstrittig sind all die positiven Effekte, die die sportliche Betätigung auf Herz-Kreislauf-Funktionen, die Durchblutung, die Muskulatur, seelisches Wohlbefinden und den Stoffwechsel hat.
Die Bandbreite der Sportler reicht von den Gelegenheitssportlern in jungen Altersgruppen bis hin zum Hochleistungssportler und Marathonläufer über 60 Jahre. Entsprechend vielfältig sind die Sportarten, die ausgeübt werden und unterschiedlich risikobehaftet sind. Joggen, Walken, Radfahren und Schwimmen sind die beliebtesten Sportarten der Deutschen. Sie können alleine, in Gruppen und zeitlich unabhängig praktiziert werden. Wer sich für einen neuen Sport entscheidet, sollte zunächst langsam mit dem Training beginnen, damit der erste große Ehrgeiz nicht mit Erschöpfung, Überanstrengung und Verletzungen gestraft wird.
Tipps für den SportstartIm Frühling fragen die Kunden in der Apotheke nach Empfehlungen zur Gewichtsabnahme, da kommen häufig auch die Vorsätze zu mehr Bewegung zur Sprache. Sie sollten diese Absichten bestärken und auf folgendes hinweisen: Bevor eine neue Sportart regelmäßig ausgeübt wird, ist besonders für ältere Menschen ein Check beim Arzt anzuraten. Wenn dieser „grünes Licht“ gibt, kann es losgehen. Sportarten, die Gelenke und Knochen schonen, aber den Kreislauf in Schwung bringen, sind zu empfehlen. Walken, Wandern, Radfahren oder Schwimmen stärken die Kondition und lassen sich nach und nach steigern. Wer ins Fitnessstudio geht, kennt das schon, bevor die Belastungsphase startet, muss man sich aufwärmen. Mit einem langsamen Warm up, bei dem die Muskeln schonend aktiviert, gedehnt und erwärmt werden, wird begonnen.
Anschließend ist ein spezifisches Dehnen der zu beanspruchenden Muskelgruppen zur Vermeidung von Zerrungen sinnvoll. Die Aufwärmphase sollte je nach Sportart etwa zehn Minuten betragen. Im Anschluss empfiehlt sich ein vielfältiges Trainingsprogramm, das nicht nur einseitig bestimmte Muskelgruppen anspricht. Nach Warming up und Belastungsphase sollte der Sportler die Anstrengung mit einer Entspannungsphase ausklingen lassen. Dabei werden die Muskeln erneut gelockert und gedehnt. Freizeitsportler sollten möglichst zwei bis drei Trainingseinheiten pro Woche einrichten. Ein regelmäßiges Erhaltungstraining ist optimal.
Blase gelaufen?
Wer gerne wandert, weiß, dass neue Schuhe am besten vorher eingelaufen werden. Blasen an den Hacken können sonst die schönste Wanderung zur Qual werden lassen. Blasen entstehen durch Ausscheidung von Wasser oder Blut in einen Hohlraum unter der Epidermis. Die Haut wölbt sich und schmerzt. Hautareale mit beginnender Blasenbildung lassen sich durch Aufbringen spezieller Blasenpflaster oder Druckpolster entlasten.
Aufgeplatzte Blasen sollten wegen des Infektionsrisikos mit einer sterilen Wundauflage abgedeckt werden. Geschlossene Blasen sollen wegen des Infektionsrisikos nicht geöffnet werden. Ein Blasenpflaster auf Hydrokolloid-Basis polstert nicht nur sehr gut, es zieht auch Flüssigkeit aus der Blase. Wer zu Blasenbildung neigt, sollte die gefährdeten Hautstellen schon vorbeugend mit Druckpolstern versehen. So wird die Wanderung auch mit neuen Schuhen zum Vergnügen.
Sportunfälle Risikosportarten mit hoher Geschwindigkeit, im Mannschaftsduell wie bei Hand- oder Fußball verursachen die meisten Unfälle. Die Statistik der Sportverletzungen zeigt, dass Prellungen und Zerrungen vor Brüchen und Bänderverletzungen an erster Stelle stehen. Abhängig von der Sportart und der Schutzausrüstung sind unterschiedliche Körperteile verschieden betroffen. Seit der Einführung von Helmen beim Skaten, Ski- und Radsport sind die Kopfverletzungen deutlich zurückgegangen. Fuß- und Kniegelenke sind besonders bei Laufsportarten wie Fußball oder Joggen gefährdet.
Akute Unfälle mit Knochenbrüchen und blutenden Wunden werden bei Mannschaftssportarten mit engem Körperkontakt oder temporeichem Sport – zum Beispiel beim Handball, Ski- oder Rennradfahren beobachtet. Bei einem akuten Bruch wird immer auch das umliegende Gewebe geschädigt, sodass Frakturen mit Hämatomen, Schwellungen und starken Schmerzen einhergehen. Bei der Erstversorgung sollte niemals versucht werden, die Knochen wieder zu richten oder ein Gelenk wieder einzurenken. Dabei können bleibende Schäden entstehen. Der Betroffene sollte durch eine sachgerechte Lagerung stabilisiert werden und rasch zur Untersuchung zu einem Arzt gebracht werden beziehungsweise der Notarzt gerufen werden. Zur akuten Versorgung nach einem Unfall gibt die PECH-Regel eine gute Orientierung:
- Pause: Die sportliche Aktivität sofort beenden und das verletzte Körperteil ruhigstellen.
- Eis: Das betroffene Körperteil etwa 15 bis 20 Minuten kühlen, um nachfolgende Entzündungsreaktion des Körpers und Schwellungen zu vermeiden. Anschließend mit Eisbeutel oder Kühlkompressen kühlen.
- Vorsicht: Eis niemals direkt auf die Haut legen und Eissprays nicht auf offene Wunden sprühen.
- Compression: Einen leichten, aber nicht zu lockeren Kompressionsverband anlegen, um die Schwellung des betroffenen Körperteils zu verhindern.
- Hochlagern: Wenn möglich, das verletzte Körperteil oberhalb des Herzens lagern, um die Blutzufuhr zu reduzieren und den Abtransport von Gewebsflüssigkeit zu fördern.
Die beschriebenen Maßnahmen sind für die Erstversorgung von Prellungen, Hämatomen, Verletzungen der Bänder und Verrenkungen geeignet. Sie lindern den Schmerz, die Schwellung und die posttraumatische Entzündungsreaktion. Rasches Handeln verbessert die spätere Heilungsprognose. Zur Versorgung blutender Wunden sind drei wichtige Maßnahmen zu vollziehen: Blutstillung, Desinfektion und Kontrolle des Tetanusschutzes. Kleine unkomplizierte Wunden werden gereinigt und mit einem Pflaster abgedeckt. Sprühpflaster eignen sich für unblutige Wunden an beweglichen Körperteilen, während Wundauflagen mit Silberionen antibakterielle Wirkung an bereits leicht entzündeten Hautregionen haben. Größere offene Verletzungen müssen sofort mit einem Kompressionsverband versorgt werden, bis sie später genäht werden.
Kleine Wunden Sportler können sich „in Aktion“ auch kleine Schnitt-, Schürf- oder Platzwunden zuziehen. Die fachgerechte Versorgung hängt von der Art der Wunden ab. So sind Schnittwunden in der Regel stark blutend und lassen sich aufgrund der glatten Wundränder gut zusammenheften. Die Wunde kann zuvor ruhig etwas bluten, damit Krankheitserreger und Dreck ausgeschwemmt werden. Nach der Desinfektion wird die Wunde am besten mit Strippingpflastern so zusammengeklebt, dass die Wundränder direkt aneinander liegen. So ist eine gute Wundheilung ohne größere Narbenbildung möglich. Größere Schnittwunden muss ein Arzt klammern oder nähen. Schürfwunden treten in Folge von Stürzen auf rauen Oberflächen auf, beispielsweise beim Sturz vom Roller.
Diese Wunden bluten weniger als Schnittwunden, sind aber meistens großflächiger und stärker verschmutzt. In die Wunde gelangte Keime und Dreck sind ein großes Infektionsrisiko. Deshalb müssen größere Partikel mit einem sauberen, befeuchteten Tupfer oder einer Pinzette sorgfältig entfernt werden. Eine gut desinfizierte kleine Schürfwunde heilt auch an der Luft. Ein Wundgel, das nach dem Prinzip der feuchten Wundheilung arbeitet, beschleunigt die Heilung und vermindert Schmerzen. Sterile Wundauflagen oder Kompressen können, mit einer Mullbinde fixiert, zum Schutz der Wunde vor Keimen aufgebracht werden. Moderne Wundauflagen mit hydroaktiven Eigenschaften schaffen ein für die Wundheilung günstiges feuchtes Wundmilieu.
Diese Auflagen werden alle zwei bis drei Tage gewechselt. Die akute Blutung einer Platzwunde wird zunächst mit einer sterilen Kompresse oder einem Druckverband unter Kontrolle gebracht. Ein Druckverband besteht aus einer sterilen Wundauflage, die zum Beispiel mit einer Binde fixiert wird, und einem Druckpolster, zum Beispiel einer Mullbinde oder einem Zellstoffpolster. Der Verband darf jedoch nicht zu fest gewickelt sein, damit er die Blutung nicht noch verstärkt. Die weitere Versorgung sollte ein Arzt übernehmen.
Farbenspiel Prellungen sind meistens harmlos, verursachen aber unschöne Hämatome, die erst nach zwei bis drei Wochen wieder verschwinden. Die Blutergüsse entstehen, wenn Blut nach einem Stoß oder stumpfen Schlag in das umgebende Gewebe übertritt. Akut sind die Körperstellen geschwollen und schmerzen. Um diese Reaktion des Körpers in Grenzen zu halten, ist die sofortige Kühlung die wichtigste Sofortmaßnahme. Bei leichten Blutergüssen ist der Arztbesuch nicht unbedingt nötig. Heparinhaltige Gele und Salben unterstützen die Abbauprozesse des Blutes bei der Abheilung von Hämatomen. Bei schweren Prellungen im Kopfbereich sollte immer der Arzt aufgesucht werden. Hier werden dann Schädelaufnahmen gemacht, um mögliche Verletzungen oder Traumen festzustellen.
Gezerrt - überdehnt Untrainierte und nicht aufgewärmte Muskeln sind besonders anfällig für Zerrungen oder Muskelfaserrisse. Sie können der Dehnung bei ruckartigen Bewegungen nicht ausreichend standhalten. Eine Zerrung entsteht durch Mikrorisse in den Fasern. Die Betroffenen bemerken einen stechenden Schmerz in der überbeanspruchten Muskulatur. Dieser nimmt unter kontinuierlicher weiterer Belastung zu. Die Bewegung sollte abgebrochen werden, um weitere Schäden des Muskels zu vermeiden. Ein richtiger Muskelfaserriss folgt extremer Überdehnung, wie sie bei Sportarten mit beschleunigenden und abrupt stoppenden Bewegungen, beispielsweise beim Squash- oder Tennisspielen passiert.
Kommt es zu innerer Blutung der abgerissenen Faser, entsteht ein Bluterguss mit einer Schwellung. Ein leichter Faserriss heilt schnell, wenn er die Zeit dazu hat und keinen weiteren Belastungen ausgesetzt ist. Bei schweren Muskelfaserrissen kann eine Operation angezeigt sein. Neben den Muskeln sind auch die Bänder für Stabilität und Bewegung von großer Bedeutung. Werden sie großer Belastung ausgesetzt, treten Überdehnungen, Bänderrisse oder Distorsionen (Verstauchungen) auf, die auch das Gelenk betreffen können. Resultat ist eine Entzündung im Gelenk mit Schwellung und Schmerzentstehung. Die Bänder in den Sprunggelenken und im Knie sind bei vielen Sportarten besonders gefährdet.
Wenn ein Band reißt, spürt es der Sportler an einem kurzen stechenden Schmerz. Häufig wird bei so einer Verletzung auch die Gelenkkapsel in Mitleidenschaft gezogen. Diese umhüllt das Gelenk und stabilisiert es zusammen mit den Bändern. Bei einem Kapselriss kann Gelenkflüssigkeit austreten und Schwellungen verursachen. Am Knie heilt so ein Schaden normalerweise nach einer Zeit der Schonung von alleine. Problematischer sind Kapselrisse im Schulterbereich. Dort sind häufig Operationen und langdauernde Physiotherapie für die Ausheilung notwendig. Die Erstversorgung all dieser Verletzungen der Muskeln, Gelenke und Bänder ist immer lang genug und intensiv mit Kühlkompressen zu kühlen. So kann der Entzündungsprozess unterbrochen und starke Schwellungen vermieden werden.
Sport in der Schwangerschaft
Grundsätzlich sind Bewegung und sportliche Ertüchtigung auch in der Schwangerschaft zu empfehlen. Vermehrte Gefahr für Früh- oder Fehlgeburten gibt es bei normalen Belastungen nicht. Im Gegenteil, die stärkere Durchblutung kommt Mutter und Kind kreislaufmäßig zugute. Schwimmen, Walken, Radfahren, aber auch Gymnastik sind geeignete Sportarten. Nicht zu empfehlen ist Sport mit hoher Sturz- und Verletzungsgefahr, wie es zum Beispiel bei Mannschafts- oder Ballsportarten der Fall ist.
Schwangere erleben im Zuge der Schwangerschaft eine hormonell bedingte Lockerung der Bänder. Deshalb besteht ein höheres Risiko umzuknicken und einen Bänderriss oder eine Bänderüberdehnung zu erleiden. Ansonsten gilt es, auf den Körper zu hören, bei Schmerzen oder Krämpfen direkt aufzuhören und sich nicht an die Leistungsgrenze zu führen.
Analgetika Unkomplizierte Sportverletzungen werden am besten mit entzündungslindernden und abschwellenden Wirkstoffen behandelt. Häufig ist daneben noch eine analgetische Wirkung erwünscht. Paracetamol und Acetylsalicylsäure können bei leichten Schmerzen angewendet werden. Doch Vorsicht bei ASS wegen des gerinnungshemmenden Effektes, wenn die Gefahr von inneren oder äußeren Blutungen besteht. Diclofenac und Ibuprofen sind die Mittel der Wahl bei mittelschweren Schmerzen, die mit inflammatorischen Prozessen einhergehen. Sie können als topisch anzuwendende Gele oder Cremes, aber auch in Tablettenform eingesetzt werden.
Wer allerdings kardiale Vorerkrankungen hat, sollte möglichst nicht längerfristig systemisch mit Diclofenac behandelt werden. Auch eine Niereninsuffizienz und Polymedikation mit Diuretika, ACE-Hemmern oder Sartanen sind Gegenanzeigen für die längerfristige Therapie mit oralen NSAR. Gerade alten Patienten droht der Triple Whammy – ein dreifacher Angriff auf die Niere. Für diese Menschen ist Novaminsulfon eine risikoärmere Alternative zur Schmerzlinderung. Dies muss aber der Arzt verordnen. Bei Prellungen und Zerrungen, die junge Patienten ohne Risikofaktoren treffen, hat sich eine Kombination oraler und lokaler Therapie bewährt.
Ibuprofen oder Diclofenac – in der passenden Dosierung – sollten möglichst mit einem großen Glas Wasser eingenommen werden. Magensaftresistente Darreichungsformen werden nüchtern, die normalen Tabletten mit oder nach der Mahlzeit eingenommen, um den Magen zu schützen. Patienten mit einer Schleimhautvorschädigung sollten begleitend einen Protonenpumpenhemmer einnehmen. Viele Patienten wünschen zusätzlich eine topische Empfehlung. Während Gele und Sprays einen eher kühlenden Effekt haben, eignen sich Salben besonders für Okklusivverbände und bei trockener Haut.
Achtung Schock
Verletzungen können den Betroffenen in einen kreislaufmäßigen Schockzustand versetzen. Der Blutdruck sinkt, dem Patienten wird schwarz vor Augen und er wird bewusstlos. Um dies zu vermeiden, ist bei der Akutversorgung die Hochlagerung der Beine in Rücken- oder Seitenlage zu beachten. So werden Kopf und Herz bestmöglich mit Blut versorgt.
Pflanzliche Therapie Extrakte aus Arnika und Beinwell zeigen gute abschwellende und schmerzstillende Wirkungen. Beinwell ist eine gute Alternative für Menschen, die bei Prellungen oder Zerrungen keine chemischen Wirkstoffe wie Diclofenac einsetzen wollen oder dürfen, sowie bei Kindern. Enzympräparate mit Bromelain, einem Enzymgemisch aus der Ananas, reduzieren posttraumatische Schwellungen. Bromelain spaltet das Gewebshormon Bradykinin und führt so zu einer Abdichtung der feinen Kapillaren mit einem antiödematösen Effekt. Außerdem wirkt es antiphlogistisch. Homöopathische Mittel, die Potenzen von Kamille, Beinwell, Ringelblume und Arnika enthalten, sind ebenfalls eine bewährte Empfehlung zur Abschwellung bei Prellungen und Stauchungen.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 05/2021 ab Seite 14.
Dr. Katja Renner, Apothekerin