Rheumatische Erkrankungen
GICHT
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Die Gicht betrifft ganz überwiegend Männer: In den westlichen Industrienationen sind etwa ein bis zwei Prozent von ihnen manifest an Gicht erkrankt – und damit einhundertmal mehr als Frauen. Weitere 20 bis 30 Prozent der Männer haben einen erhöhten Harnsäurespiegel. Meist tritt der erste Gichtanfall zwischen 40 und 60 Jahren auf, bei Frauen nach den Wechseljahren.
Ursache ist häufig eine erbliche Stoffwechselstörung, bei der die Harnsäure nicht korrekt über die Nieren ausgeschieden werden kann. Ein erhöhter Harnsäurespiegel kann sich aber auch als Folge anderer Krankheiten entwickeln. Häufig tritt die Gicht in Kombination mit Übergewicht, Diabetes, erhöhten Blutfettwerten und Bluthochdruck (= metabolisches Syndrom) auf.
Erhöhte Harnsäurespiegel Vorläufer der Harnsäure sind die Purine. Sie fallen einerseits während des regulären Zellstoffwechsels an, andererseits sind sie in zahlreichen Nahrungsmitteln enthalten. Bei ihrem Abbau im Körper entsteht als Endprodukt Harnsäure. Bei Gesunden wird diese vor allem über die Niere und zu einem geringeren Teil über den Darm ausgeschieden – normalerweise besteht dabei ein Gleichgewicht zwischen Entstehung und Ausscheidung. Ist diese Balance gestört und steigt der Harnsäurespiegel (Hyperurikämie), kann es zu einer Gichterkrankung kommen. In fast allen Fällen der primären Hyperurikämie ist die Harnsäuresekretion über die Nieren genetisch bedingt eingeschränkt; bei einer kleinen Minderheit entsteht dagegen im Körper zu viel Harnsäure (Lesch-Nyhan-Syndrom).
Treten erhöhte Harnsäurewerte infolge einer anderen Erkrankung auf, spricht man von einer sekundären Hyperurikämie: Hierbei handelt es sich häufig um Erkrankungen, bei denen vermehrt Zellen um- oder abgebaut werden, wie beispielsweise Blutkrebs oder hämolytische Anämien. Erhöhte Harnsäurespiegel können zudem bei allen Erkrankungen auftreten, bei denen die Harnsäuresekretion über die Niere eingeschränkt ist (z. B. Nierenerkrankungen, Diabetes mellitus). Schließlich können bestimmte Medikamente wie Abführmittel oder Diuretika zu einem Anstieg des Harnsäurespiegels im Blut führen.
Risikofaktor Lebensstil Ohne Zweifel trägt ein ungesunder Lebensstil zu einem Anstieg der Harnsäurespiegel und damit zu einer Gichterkrankung bei: So sind beispielsweise besonders Fleisch, Wurst und Innereien ausgesprochen purinreich – eine unausgewogene Ernährung in diese Richtung lässt den Harnsäurespiegel daher steigen. Darüber hinaus führt ein exzessiver Alkoholkonsum zu einer Erhöhung der Harnsäureproduktion und zu einer verminderten Ausscheidung über die Nieren.
Von der Hyperurikämie zum Gichtanfall Ein erhöhter Harnsäurespiegel bereitet zunächst keine Beschwerden – nicht selten bleibt er sogar jahrelang unentdeckt. Wenn der Harnsäurespiegel immer weiter steigt, bilden sich im Blutserum, in den Gewebsflüssigkeiten und in den Gelenken Harnsäurekristalle. Je höher der Harnsäurewert ist und je länger er bereits erhöht ist, umso mehr steigt das Risiko für einen Gichtanfall. Während bei Gesunden die Harnsäuremenge im Körper rund ein Gramm beträgt, sind bei Gicht-Kranken bis zu 30 Gramm nachweisbar.
Ein akuter Anfall wird zumeist von einem externen Faktor ausgelöst. Dazu gehören zu hohe Mengen purinreicher Lebensmittel oder alkoholischer Getränke (z. B. bei einer Feier), aber auch Stoffwechselschwankungen, wie sie etwa durch Fasten oder im Rahmen eines Diabetes auftreten können. Auch starke körperliche Anstrengungen, Verletzungen oder Infektionen können einen Gichtanfall auslösen. Der erste Gichtanfall tritt meist nachts auf.
Typischerweise äußert er sich mit heftigen Schmerzen im Großzehengrundgelenk, begleitet von den klassischen Entzündungszeichen (Rötung, Schwellung, Überwärmung) und Berührungsempfindlichkeit; gelegentlich kann auch Fieber dazukommen. Bei etwa jedem fünften Patienten ist ein anderes Gelenk betroffen, etwa das Mittelfuß-, Sprung-, Knie- oder Daumengrundgelenk. Ohne Behandlung kann der Anfall Stunden bis Tage andauern, und die Anfälle werden sich in immer kürzeren Abständen wiederholen.
Es besteht die Gefahr, dass die Gicht vom akuten in das chronische Stadium übergeht: Sie greift dann auf weitere Gelenke über und schädigt sie – Schmerzen und Verformungen sind die Folgen. Zudem entstehen Gicht-Tophi, das heißt Ablagerungen von Harnsäurekristallen unter der Haut, an den Gelenken, über den Sehnenscheiden und Schleimbeuteln, die Entzündungen verursachen können. Durch die Ablagerung von Harnsäurekristallen in der Niere entstehen Nierensteine, und es kann sich eine Nierenschwäche bis hin zum Nierenversagen entwickeln.
Stadium I bis IV Die Gicht lässt sich demnach in vier Stadien unterteilen:
- In Stadium I lassen sich erhöhte Harnsäurekonzentrationen im Blut nachweisen, Krankheitszeichen gibt es aber noch keine.
- Als Stadium II wird der akute Gichtanfall bezeichnet.
- Stadium III beschreibt die Zeiträume zwischen den einzelnen Gichtanfällen.
- Im Stadium IV ist die Gicht chronisch geworden, der Patient zeigt Gelenkschäden, Tophi und eine eingeschränkte Nierenfunktion.
Diagnose Bei einem klassischen Gichtanfall lässt sich die Diagnose meist schon anhand der Anamnese stellen. Im Zweifelsfall kann der Arzt den Harnsäurewert im Blut bestimmen lassen. Allerdings ist dieser im akuten Stadium nicht immer erhöht, dafür lassen sich in der Regel erhöhte Entzündungswerte nachweisen. Schließlich lässt sich die Diagnose durch den mikroskopischen Nachweis von Harnsäurekristallen in der Gelenkflüssigkeit erhärten. Im fortgeschrittenen Stadium sind die Gelenkschädigungen in der Röntgendiagnostik sichtbar.
Therapie Da Fehlernährung und übermäßiger Alkoholkonsum entscheidend zu erhöhten Harnsäurespiegeln beitragen, gilt es, auf eine purinarme Kost umzusteigen und auf Alkohol möglichst zu verzichten. Übergewicht sollte langsam abgebaut werden (keine Radikaldiäten!) und die körperliche Aktivität gesteigert werden. Zudem ist es wichtig viel zu trinken. Für die Behandlung eines akuten Gichtanfalls werden Colchicin und gegebenenfalls Cortisonpräparate eingesetzt.
Das betroffene Gelenk wird hochgelagert und gekühlt. Um die Harnsäurespiegel langfristig zu senken, werden Urikostatika (Allopurinol, Febuxostat) verordnet: Sie hemmen die Xanthinoxidase, die den letzten Schritt des Purin-Abbaus, also die Oxidation von Xanthinen zu Harnsäure, katalysiert. Die nun vermehrt anfallenden Xanthine können leichter ausgeschieden werden. Wenn Urostatika kontraindiziert sind oder nicht vertragen werden, können alternativ Urosurika (beispielsweise Benzbromaron) eingesetzt werden – sie steigern die Ausscheidung von Harnsäure über die Niere.
Bei einer sekundären Hyperurikämie ist selbstverständlich auch die Behandlung der Grunderkrankung essenziell. Bei konsequenter Therapie und Umstellung des Lebensstils inklusive Ernährungsgewohnheiten auf purinarme Kost lassen sich Komplikationen wie Gelenkschäden, Tophi und Nierenschwäche weitgehend vermeiden.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 03/18 ab Seite 140.
Dr. rer. nat. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin