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Forschung | multiresistente Keime

GEZIELTE BEKÄMPFUNG

Bei uns noch Zukunftsmusik, in Osteuropa schon längst therapeutisch im Einsatz: Bakteriophagen. Den Vorteil, den diese speziellen Viren vor allem im Kampf gegen multiresistente Keime bieten können, sehen nicht nur deutsche Wissenschaftler, sondern auch Pharmaunternehmer und Zulassungsbehörden. Thematisiert wurden die infektiösen Partikel auf dem ersten Deutschen Bakteriophagen-Symposium in Stuttgart.

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Im Jahr 2014 registrierte das Institut für Gesundheits- und Sozialforschung bundesweit bei 1000 Krankenhausfällen 16,8 Nachweise auf multiresistente Erreger (MRE). Vor allem für Menschen mit geschwächtem Immunsystem oder einer immunsuppressiven Therapie besteht ein großes Gesundheitsrisiko. Der Ruf nach neuen Antibiotika oder alternativen Behandlungsmethoden wird immer lauter. Bakteriophagen könnten hier eine Therapieoption sein. Phagen sind spezielle Viren, die Bakterien als Wirtszellen zur DNA-Replikation nutzen, wobei die Bakterien zu Grunde gehen. Das therapeutische Prinzip wäre dementsprechend einfach: Je nach Bakterienstamm wird die passende Phage ausgewählt, diese greift selektiv den Erreger an, wobei sowohl körpereigene Zellen als auch die guten Bakterien der Darmflora unangetastet bleiben.

Entdeckt wurde diese „biologische Superwaffe“ bereits Anfang des 20. Jahrhunderts. Man erkannte schnell das therapeutische Potenzial bei Infektionskrankheiten und gründete in den 1920er Jahren das Eliava-Institut für Phagen-Forschung in Tiflis (Hauptstadt Georgiens). Mit Beginn des kalten Krieges und der Spaltung in Ost und West ging die Forschung in den westlichen Ländern etwas verloren. Vor allem nach der sensationellen Entdeckung des Penicillins dachte keiner mehr an die Phagen. Mit stetiger Zunahme der Antibiotika-Resistenzen und der MRE-Infektionen in Krankenhäusern, interessiert sich nun seit einigen Jahren auch wieder der Westen dafür.

Dr. Wolfgang Beyer, der wissenschaftliche Direktor des ersten Deutschen Bakteriophagen-Symposiums, sieht die Zukunft in einem standardisierten Phagen-Mix, der entweder alleine oder, bei schweren Infektionen, in Kombination mit einem zum Bakterienstamm passenden Antibiotikum verabreicht werden könnte. Ein Beispiel also für personalisierte Medizin, eine Behandlungsstrategie, um Patienten schneller zu einer individuellen Therapie zu verhelfen und zeitgleich ökonomisch effizient zu arbeiten. In Georgien zeigten sich bereits Resultate der gezielten Therapie: nahezu keine Antibiotikaresistenzen, aufgrund der Verwendung von Bakteriophagen. Derartige Phagen-Mischungen können dort bereits rezeptfrei erworben werden. In Deutschland soll die Zulassung nun stärker vorangetrieben werden. Aus diesem Grund nahmen am Symposium auch Vertreter des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte und des Paul-Ehrlich-Instituts teil.

Farina Haase, Volontärin

Quelle: Apotheke adhoc

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