Viren & Bakterien – Teil 7
GEFÄHRLICHES WÜSTENSCHIFF
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Die Familie der Coronaviren umfasst eine Reihe von Arten, von denen einige humanpathogen sind und banale Erkältungskrankheiten auslösen. Die auf der Außenhülle regelmäßig angeordneten Glykoproteine vermitteln in elektronenmikroskopischen Aufnahmen den Eindruck eines Kranzes .
Genetischen Untersuchungen zufolge ist das MERS-Virus eng mit bestimmten Fledermaus-Coronaviren verwandt. Die nachtaktiven Tiere sind vermutlich das natürliche Reservoir von MERS-CoV; einhöckrige Kamele, also Dromedare, scheinen als Zwischenwirte zu fungieren und vieles spricht dafür, dass sie die eigentliche Ansteckungsquelle sind. Personen, die auf der arabischen Halbinsel mit Kamelen zu tun haben, sei es in der Tierzucht oder in Schlachtbetrieben, weisen sehr häufig spezifische Antikörper gegen das Virus auf. Daraus kann geschlossen werden, dass ein Großteil der Infektionen ohne Symptome verläuft beziehungsweise aufgrund milder Symptomatik unentdeckt bleibt.
Die Krankheit ... Nach einer Inkubationszeit von rund zehn Tagen manifestiert sich die Infektion zu Beginn mit einer grippeähnlichen Symptomatik. Die Betroffenen leiden vor allem unter Husten, Fieber und Atemproblemen, oft auch Diarrhö. Manchmal kommt es zu Nierenversagen. MERS-Viren scheinen sich bevorzugt im unteren Respirationstrakt zu vermehren. In einigen Fällen entsteht eine Pneumonie, aus der sich ein akutes Atemnotsyndrom entwickeln kann, eine schwere entzündliche Schädigung der Lunge, die oft tödlich verläuft.
Die Sterblichkeit von MERS liegt nach neueren Angaben bei etwas über zehn Prozent. Wie so häufig sind in erster Linie chronisch Kranke und Menschen mit geschwächter Immunabwehr gefährdet. Kinder wurden nach bisheriger Beobachtung noch nicht angesteckt. Die Behandlungsmöglichkeiten beschränken sich auf symptomatische Maßnahmen (Sauerstoff, Beatmung, Aufrechterhaltung der Kreislauffunktion. Verdachtsfälle werden isoliert und medizinisches Personal sollte besondere Hygienemaßnahmen anwenden.
... und ihre Verbreitung Viele, aber nicht alle sporadischen Infektionsfälle ließen sich auf einen Kontakt zu einem Dromedar zurückführen; der Erreger kann auch von Mensch zu Mensch weitergegeben werden, wobei bisherigen Beobachtungen zufolge allein das Zusammenleben im gleichen Haushalt kein besonders hohes Übertragungsrisiko mit sich bringt. Innerhalb von Kliniken verbreitet sich die Infektion jedoch mitunter stark. Ein besonderes Ansteckungsrisiko scheint bei engem Pflegekontakt zu bestehen.
RÜCKBLICK
Viele erinnerte der koreanische Ausbruch an die Seuche durch ein nah verwandtes Virus, den Erreger des Schweren Akuten Atemwegssyndroms (SARS). Die Krankheit war 2002 in Südchina aufgetreten und hatte sich rasch verbreitet. Der besondere Schrecken, der von ihr ausging, beruhte darauf, dass die Ärzte dem Fortschreiten der Erkrankung im Einzelfall nichts entgegenzusetzen hatten. Die befürchtete Pandemie blieb aber aus und seit mittlerweile über zehn Jahren ist weltweit kein einziger Fall mehr aufgetreten.
Als Übertragungsweg wird Tröpfcheninfektion angenommen, man geht dabei von einer Verbreitung über kurze Distanzen aus. Auch Schmierinfektionen dürften eine Rolle spielen. Den Krankheitsausbruch in Südkorea könnten einige Besonderheiten des dortigen Gesundheitswesens begünstigt haben: etwa die lange Verweildauer in den Notaufnahmen, die Pflege der stationären Patienten durch eigene Angehörige sowie hohe Besucherzahlen in den Krankenzimmern.
Derzeit keine besondere Gefahr Wie an der gegenwärtig in Südkorea stattfindenden Welle zu beobachten, kann die Infektion nicht nur vom ersten Infizierten (Indexfall) an eine Kontaktperson weitergegeben werden (Erstpassage), sondern auch diese neu erkrankte Person („zweite Generation“ der Infektion) ist infektiös, und auch die Person im nächsten Glied der Infektionskette. Bislang gibt es aber noch keinen Hinweis darauf, dass ein über Mutationen veränderter und besser an den menschlichen Wirt angepasster Erreger entsteht. Experten sehen daher derzeit keinen Anlass zu besonderer Besorgnis.
Nach Deutschland wurde die Krankheit bisher nur von Reisen in arabische Länder importiert. Der niedersächsische Patient, der heuer nach seiner Rückkehr erkrankte (und schließlich an einer anderen Krankheit verstarb), hat offenbar niemanden angesteckt.
Schutz auf Reisen Bei einem geplanten Aufenthalt auf der arabischen Halbinsel sollte man Kamelherden und –märkte besser nicht besuchen und Produkte der Tiere allenfalls nach ausreichender Erhitzung zu sich nehmen. Häufiges Händewaschen kann schützen, denn ihre Lipidhülle macht die Coronaviren empfindlich gegen Detergenzien wie zum Beispiel Seife. Menschen mit einer chronischen Grundkrankheit sollten vor Antritt der Reise ihren Arzt befragen.
Erste Studien mit einem Impfstoffkandidaten am Menschen könnten möglicherweise Ende dieses Jahres beginnen; bis dann dürfte die aktuelle südostasiatische Infektionswelle längst abgeklungen sein. Interessant sind Überlegungen, junge Dromedare zu impfen, also direkt an der Quelle der Infektion anzusetzen – angesichts der Bedeutung des Kamels in der traditionellen arabischen Kultur ein nur schwer durchzusetzendes Unterfangen.
Hier finden Sie die anderen Teile der Artikelreihe:
Teil 1
Teil 2
Teil 3
Teil 4
Teil 5
Teil 6
Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 08/15 ab Seite 84.
Dr. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin