Eier
FREISPRUCH!
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Mit Eiern ist das so eine Sache – keineswegs eine runde. Wegen des Cholesteringehalts sind sie medizinisch in Verruf geraten, wegen der Hühnerhaltung im Visier der Tierschützer und auf dem Index der Lebensmittelfahnder stehen sie auch. Denn es fanden sich erhöhte Konzentrationen an Dioxin unter den Schalen. Ausgerechnet dort, wo man mit gutem Beispiel vorangehen wollte: nämlich bei Eiern aus Freilandhaltung. Und jetzt? Wo wir Bundesbürger unser Ei schließlich so lieben: Laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung löffelt oder gabelt jeder von uns jährlich 231 Stück davon. Aber das ist doch total ungesund … Falsch, es gibt längst Entwarnung.
Schluss mit dem Eier-Zölibat Eine gefühlte Ewigkeit lang wurde jedes einzelne Ei auf der Negativseite der Gesundheitsbilanz verbucht und nun gibt es einen Freispruch? Was sich hinter dieser bemerkenswerten Kehrtwende verbirgt, sind die Ergebnisse zahlreicher wissenschaftlicher Untersuchungen in den letzten Jahren. Sie hatten zum Ziel, der Warnung vor dem Ei endlich einmal fundiert auf den Grund zu gehen. Und kamen allesamt zu dem gleichen Schluss: Das Eier-Zölibat ist Unsinn. So zeigte eine Langzeitstudie aus Finnland beispielsweise, das tägliches Eieressen das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall nicht erhöht.
Noch Positiveres konnten US-Wissenschaftler vermelden. Sie fanden nicht nur heraus, dass Eier keinen schädlichen Einfluss auf die Gesundheit von Herz und Gefäße haben. Nein, bei regelmäßigen Ei-Essern ist die Gefahr für einen Schlaganfall sogar geringer, und zwar um zwölf Prozent. Der Grund für diese erstaunlichen Befunde ist, dass Cholesterin aus Nahrungsmitteln wie Eiern nur einen sehr geringen Einfluss auf den Cholesteringehalt im Blut hat. Dies wiederum belegte eine weitere Langzeitstudie aus den USA.
Kompensationsmechanismen entschärfen das Cholesterin Wie viel Cholesterin aus der zugeführten Nahrung ins Blut wandert, wird zu 98 Prozent von körpereigenen Mechanismen bestimmt. Der Rest, also nur rund zwei Prozent, gelangt unkontrolliert in den Blutkreislauf. Das liegt unter anderem daran, dass bei einer hohen Zufuhr umgehend Substanzen gebildet werden, die für Abhilfe sorgen: Sie drosseln die körpereigene Produktion von Cholesterin.
Einer der hauptamtlich dafür zuständigen Stoffe ist das Oxysterol. Zudem kommen Abbaureaktionen in Gang, die den Gehalt des Blutcholesterins in Zaum halten und nicht zu hoch ansteigen lassen. Bei Eiern kommt noch ein weiterer natürlicher Cholesterinsenker positiv ins Spiel, nämlich das in ihnen reichlich enthaltene Lecithin. Dieser Eierstoff hemmt die Aufnahme von Cholesterin über die Darmwand und so wandert ein Teil direkt in die Kanalisation. Fazit: Bei einem gesunden Menschen reguliert der Körper die Cholesterinkonzentration im Blut selbst.
Unser Körper ist äußerst clever Das gleiche Prozedere findet übrigens auch anders herum statt: Führen wir uns zu wenig Cholesterin zu, regt der Körper die hauseigene Herstellung in der Leber an. Woraus das Phänomen resultiert, dass gerade cholesterinarm Essende ihre erhöhten Blutfette oftmals einfach nicht herunterbekommen. Nur logisch, Versorgungsengpässen wirkt der Körper stets resolut entgegen. Schließlich ist Cholesterin für ihn unerlässlich, nicht umsonst produziert er es auch selbst.
Wann ist genug geeiert? Alles schön und gut. Doch wann sollte Schluss mit dem Eierfuttern sein? Auf diese Frage hat die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) inzwischen eine klare Antwort. Angesichts der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnislage kann keine Obergrenze für den Verzehr von Eiern abgeleitet werden. Wie zahlreiche Studien gezeigt haben, können gesunde Menschen so viele Dotterträger zu sich nehmen, wie ihnen schmecken.
Da steckt viel Gutes unter der Schale Eier versorgen uns mit fast allem, was wir täglich zum Fitbleiben benötigen. So etwa mit reichlich Eiweiß: acht Gramm pro Ei. Das alleine ist schon eine gute Nachricht, aber es kommt noch besser: Eiweiß aus Eiern ist überaus gut verdaulich und besonders hochwertig für uns. Es kann sofort im körpereigenen Betrieb zur Gewinnung von Energie und anderen wichtigen Dingen eingesetzt werden.
Eiereiweiß gibt jedoch nicht nur Kraft, sondern macht zudem schlank. Alleine zwei gekochte Eier halten bis zu fünf Stunden satt – Heißhunger adieu. Kein Wunder also, dass sich mit Eiern erfolgreich und dabei gesund abnehmen lässt. Zumal ein gekochtes Ei mit nur 83 Kilokalorien zu Buche schlägt. Im Ei schlummert jedoch noch mehr. Was vor allem im Dotter an Gutem steckt, sind Calcium, Eisen, Zink, Selen und Kalium sowie alle Vitamine außer Vitamin C.
Ein wenig Eierlogik Weiße Hühner legen weiße Eier, braune Hühner braune? Stimmt nicht. Dass die Farben der Eierschalen von reinem Weiß zu dunklem Braun reichen, liegt einzig an den Genen der Hühner. Je nach ihrer Rasse wird in verschiedenen Farben gelegt. Dabei bestehen weder in der Menge noch in der Qualität der Eierstoffe zwischen braun und weiß Unterschiede. Interessant wird es bei der Dotterfarbe: Sie ist abhängig vom Futter. So zeigt Goldgelb einen hohen Gehalt an Karotinoiden an. Was ebenfalls nicht stimmt ist, dass Eier aus Freilandhaltung gesünder sind. Denn anders als Käfighennen sind die Kolleginnen vom freilaufenden Hühnervolk einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt. Noch gravierender ist die mögliche Belastung mit Schadstoffen aus der Umwelt. Aber dafür haben die Hennen ein besseres Leben.
Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 04/2021 ab Seite 24.
Birgit Frohn, Biologin und Medizinjournalistin